Klaus Kowalski

Betreuer: Prof. Schermaier


Titel der Dissertation:

Der Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeiten im frühen Vernunftrecht


Kurzbeschreibung:

Der Satz pacta sunt servanda hat sich binnen weniger Jahrhunderte zum apodiktischen Dogma entwickelt. Für Gesetzgeber und Rechtsanwender mag diese Behandlung als Axiom hilfreich sein, die Rechtswissenschaft kann an diesem Punkt aber nicht stehen bleiben. Sie muss die Verbindlichkeit von Verträgen begründen, also den Geltungsgrund vertraglicher Verbindlichkeit benennen.
Über zweitausend Jahre kannte das europäische Zivilrecht gerade keine generelle Verbindlichkeit von Verträgen. Erst im 17. Jahrhundert wurde dieser Grundsatz aus der Moraltheologie übernommen. Trotz dieser Herkunft überstand er die grundlegende erkenntnistheoretische und sozialethische Neuorientierung in der frühen Neuzeit. Zu dieser Zeit entwickelten Hugo Grotius, Thomas Hobbes und Samuel von Pufendorf ihre Vertragslehren, die nahezu alle darauffolgenden europäischen Zivilrechtskodifikationen prägten.
Gegenstand dieses Dissertationsvorhabens ist die Frage, wie Grotius, Hobbes und Pufendorf die Verbindlichkeit von Verträgen begründen und welche Ursachen zu ihren unterschiedlichen Begründungen geführt haben. Insbesondere Thomas Hobbes bricht vollkommen mit der aristotelisch-thomistischen Imputationslehre und entzieht der generellen Verbindlichkeit von Verträgen damit den bisherigen (moraltheologischen) Geltungsgrund. Im (schutzwürdigen) Vertrauen des Gläubigers findet er einen alternativen Geltungsgrund und konstruiert damit „im Kern schon eine Vertrauenstheorie der Willenserklärung“ (Diesselhorst, 1968). Gleichzeitig gründet er durch seinen Gesellschaftsvertrag auch alle außervertraglichen Verpflichtungen mittelbar auf die Verbindlichkeit von Verträgen und räumt dem Grundsatz pacta sunt servanda damit größere Bedeutung ein als je zuvor. Pufendorf teilt die meisten von Hobbes‘ Grundannahmen, kann sich aber nicht von der aristotelisch-thomistischen Imputationslehre lösen. Sein Vertragsrecht scheint die vertragliche Verbindlichkeit an verschiedenen Stellen unterschiedlich zu begründen.
Im Vergleich ihrer Vertragslehren zeigt sich auch der Einfluss des zugrunde gelegten Geltungsgrundes vertraglicher Verbindlichkeit auf konkrete Rechtsinstitute des Vertragsrechts. Durch eine funktionale Betrachtung „unmöglicher Leistungen“ soll dieser Einfluss verdeutlicht und zugleich ein Beitrag zur ideengeschichtlichen Erforschung der Unmöglichkeit vertraglicher Verbindlichkeiten geleistet werden.