Jeannette Haase

Betreuer: Prof. Schmoeckel


Titel der Dissertation:

Der Freibeuter: Ehrenwerter Seefahrer oder Pirat mit staatlicher Ermächtigung? –  Die Legitimation des privaten Seebeutewesens durch das europäische Völkergewohnheitsrecht von Beginn des 16. Jahrhunderts bis zur Pariser Seerechtsdeklaration von 1856 mit einem kurzen Rückblick auf den Fall des Francis Drake


Kurzbeschreibung:

Mit der Entdeckung der neuen Welt und des Seewegs nach Indien zu Beginn des 16. Jahrhunderts gewann  der überseeische Handel wachsende Bedeutung für die Wirtschaft aller europäischen Nationen. Der Ausgang kriegerischer Auseinandersetzungen wurde maßgeblich davon beeinflusst, ob es einer Nation gelang, ihren Seehandel aufrecht zu erhalten. Einzelne Souveräne nutzten daher neben der regulären Marine zunehmend die Dienste privater Beutefahrer, um den Handel feindlicher Nationen durch die Aufbringung privater Kauffahrtsschiffe zu schädigen.
Mein Dissertationsvorhaben beleuchtet Ursprung und  Entwicklung eines europäischen Seebeuterechts im zeitlichen Verlauf von Anfang des 16. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts.
Mit dem Erstarken der staatlich ermächtigten privaten Beutenahme zu See ging die Notwendigkeit der Schaffung europaweit geltender völkerrechtlicher Regelungen einher, um die Rechtmäßigkeit der Prisennahme als Voraussetzung für den Eigentumsübergang an den erbeuteten Gütern beurteilen zu können. Ein Schwerpunkt des Dissertationsvorhabens ist die Frage nach der Entwicklung eines völkergewohnheitsrechtlichen Erlaubnistatbestandes der Freibeuterei sowie dessen Abgrenzung zu dem Verbotstatbestand der Piraterie. Als praktisches Beispiel für die oftmals fließende Grenzziehung zwischen den beiden Tatbeständen soll der Fall des Sir Francis Drake an den Beginn der Arbeit gestellt werden, der als bedeutendster Beutefahrer und Wegbereiter der Expansion des Freibeuterwesens gilt.
Im Weiteren wird die Existenz europäischer völkergewohnheitsrechtlicher Rechtsgrundsätze für die Regelung von Umfang und Begrenzung der Beutenahme sowie von Verfahrens- und Beweisregeln untersucht. Von besonderem Interesse ist hierbei das Machtverhältnis zu den nationalen Herrschaftsgewalten, denen die Einrichtung spezieller Prisengerichte und die Ausgestaltung des Verfahrens originär unterlagen. In diesem Zusammenhang soll auch der Einfluss unterschiedlicher politischer und wirtschaftlicher Interessen der verschiedenen europäischen Nationen an einem florierenden Seehandel auf die Rechtspraxis herausgearbeitet werden. Darüber hinaus soll die rechtliche Stellung des privaten Seebeuters im europäischen Raum näher betrachtet werden. Im Anschluss wird zu untersuchen sein, inwieweit der Mitte des 18. Jahrhunderts einsetzende kritische Diskurs europäischer Rechtsgelehrter über die Vereinbarkeit des privaten Seebeutewesens mit den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts zu einer Umkehr des geltenden europäischen Völkergewohnheitsrechts führte. Den zeitlichen Abschluss der Arbeit bildet die Unterzeichnung der Pariser Seerechtsdeklaration im Jahre 1856.