Christian Gerner
Betreuer: Prof. Peter Oestmann
Titel der Dissertation:
Das ungeteilte Gut im mittelalterlichen deutschen Privatrecht – Eine Überprüfung der Gesamthandlehre des 19. Jahrhunderts
Kurzbeschreibung:
Eines, vielleicht das bis heute wirkmächtigste Erzeugnis der Germanistik, die Gesamthandlehre, verharrt bis heute – im Hinblick auf die Deutung der mittelalterlichen Quellen – in dem Zustand, in dem Stobbe, Heusler, Beseler, Gierke usw. sie uns hinterlassen haben. Die Germanisten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schufen – mit Unterschieden ihrer Lehren im Detail – die Lehre von der gesamten Hand, insbesondere dem Gesamthandseigentum, als einer deutschrechtlichen Form des gemeinschaftlichen Eigentums. Die Konstruktionen des 19. Jahrhunderts sind jedoch heute wegen ihrer mehr oder weniger ausgeprägten Zielsetzung, gleichzeitig ein modernes Privatrechtsgerüst aus den älteren Quellen hinaus konstruieren zu können, heute für eine genuin historische Zugangsweise nicht mehr genügend. Es ist an der Zeit, eine neue Geschichte der deutschrechtlichen Formen gemeinschaftlichen Eigentums zu schreiben. Das erfordert einen Blick in die mittelalterlichen Quellen selbst.
Die Dissertation nimmt sich dafür die quellenreiche Zeit von ca. 1150-1500 vor. Das zentrale Stück der Arbeit wird eine partielle Analyse der mittelalterlichen deutschen Erbengemeinschaft. Zwei kleinere Nebenkapitel sollen einerseits das komplexe, stufenlose Verhältnis von ungeteilter Erbengemeinschaft und Handelsgesellschaft beleuchten, andererseits die Besonderheiten der Gemeinschaft ungeteilten Lehensguts aufgrund Belehnung zur gesamten Hand. Dabei werden einerseits die von der bisherigen Germanistik gemachten abstrakten Grundsätze hinterfragt, andererseits eigenständig Unterschiede und Gemeinsamkeiten der verschiedenen deutschen Rechte herausgearbeitet. Analysiert wird eine repräsentative Auswahl stadt- und landrechtlicher Rechtsquellen aus Sachsen, Franken, Bayern und Schwaben.
Am Ende der Arbeit wird ein revidiertes Verständnis vorhanden sein, inwieweit das mittelalterliche deutsche Recht eine spezifisch ungeteilte „gesamthänderische“ Berechtigungsform kannte. Hinzukommen Erkenntnisse über das Wesen mittelalterlich-einheimischen Rechts und die Möglichkeit seiner „dogmengeschichtlichen“ Erforschung ebenso wie ein Beitrag zur Frage nach dem mittelalterlichen „deutschen Privatrecht“. Gleichzeitig entstehen indirekt wissenschaftsgeschichtliche Erkenntnisse über die Germanistik des 19. Jahrhunderts.

