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Fokker-Planck-Gleichung

Bei der Fokker-Planck-Gleichung handelt es sich um eine spezielle Mastergleichung (14), bei der ${\bf W}_t$ die Form eines Differentialoperators zweiter Ordnung hat,

\begin{displaymath}
\frac{\partial p(x,t\vert x_0,t_0)}{\partial t}
=
\underbrac...
...^2[x,t]   p(x,t\vert x_0,t_0)\Big)
}_{\mbox{Fluktuationen}}
.
\end{displaymath} (20)

Der erste Term wird auch Driftterm, Transportterm oder Konvektionsterm genannt, der zweite auch Fluktuationsterm oder Diffusionsterm. Die Fokker-Planck-Gleichung ist auch bekannt als verallgemeinerte Diffusionsgleichung, Smoluchowski-Gleichung oder zweite Kolmogorov-Gleichung.1

Falls ein Markov-Prozeß durch eine Fokker-Planck-Gleichung beschrieben werden kann, hat dies durchaus Vorteile gegenüber einer Beschreibung durch eine allgemeinere Mastergleichung (14). Zum einen ist die Fokker-Planck-Gleichung eine reine Differentialgleichung.2Die Mastergleichung ist dagegen eine Integro-Differentialgleichung, und damit ist es im allgemeinen schwieriger mit umzugehen als mit reinen Differentialgleichungen. Weiterhin erfordert die Fokker-Planck-Gleichung nur die Bestimmung der Funktionen $A[x,t]$, $B^2[x,t]$ während die Mastergleichung die ganzen (von $x$ und $x^\prime$ abhängigen) Übergangsraten $W_t(x\vert x^\prime)$ benötigt. Darüber hinaus lassen sich, zumindest für lineare Fokker-Planck-Gleichungen (d.h. solche mit $A$ linear in $X$ und $B^2$ unabhängig von $x$), die Driftkoeffizienten $A$ aus den makroskopischen Gesetzen und die Fluktuationskoeffizienten aus Gleichgewichtsbetrachtungen der statistischen Mechanik herleiten. Bei nichtlinearen Fokker-Planck-Gleichung ist dagegen bei der Identifizierung von $A$ und $B^2$ Vorsicht geboten. Eine detaillierte Diskussion findet man dazu in [9].

Die Fokker-Planck-Gleichung (20) läßt sich, wie wir im Folgendem zeigen werden, aus der allgemeinen Mastergleichung (14) herleiten unter der Annahme, daß der stochastische Prozeß nur kleine Sprünge zuläßt. Man kann zeigen daß dies stochastischen Prozessen entspricht deren Realisierungen (Pfade) stetig sind. Beispielsweise sind die Pfade der Brownschen Bewegung stetig, aber mit Wahrscheinlichkeit eins nirgendwo differenzierbar.

Um die Fokker-Planck-Gleichung (20) herzuleiten, fassen wir die Übergangsraten $W_t(x,x^\prime)$ als Funktionen von $x^\prime$ und $\Delta x$ = $x-x^\prime$ auf,

\begin{displaymath}
W_t(x\vert x^\prime)
= W_t(\Delta x, x^\prime)
.
\end{displaymath} (21)

Die Mastergleichung (14) wird dann zu
$\displaystyle \frac{\partial p(x,t\vert x_0,t_0)}{\partial t}$ $\textstyle =$ $\displaystyle \int
W_{t}(\Delta x , x-\Delta x) 
p(x-\Delta x,t\vert x_0,t_0)
  d(\Delta x)$  
    $\displaystyle -
 p(x,t\vert x_0,t_0)  
\int
W_{t}(-\Delta x , x)
\; d(\Delta x)
.$ (22)

Nun nehmen wir an, daß $W(\Delta x, x^\prime)$ und $p(x^\prime,t\vert x_0,t_0)$ langsam variieren bezüglich $x^\prime$, und daß nur kleine Sprünge auftauchen, also $W(\Delta x, x^\prime)\approx 0$ für $\Delta x > \delta$ für ein $\delta > 0$, und damit bezüglich des ersten Argumentes scharf gepeaked ist. Wir machen daher im ersten Integral von (22) nur eine Taylorentwicklung bezüglich $-\Delta x$ im zweiten Argument von $W(\Delta x,x-\Delta x)$ und in $p(x-\Delta x,t\vert x_0,t_0)$ während wir die Abhängigkeit vom ersten Argument nicht approximieren. Um auch den Fluktuationsterm zu erhalten gehen wir dabei bis zur zweiten Ordnung (vgl.  die Beziehung $dz^2$ = $ dt$ im Abschnitt über stochastische Differentialgleichungen). Dies ergibt,
$\displaystyle \frac{\partial p(x,t\vert x_0,t_0)}{\partial t}$ $\textstyle =$ $\displaystyle \int
W_{t}(\Delta x , x) 
p(x,t\vert x_0,t_0)   d(\Delta x)$  
    $\displaystyle -\int
(\Delta x) \frac{\partial}{\partial x}
\left(
W_{t}(\Delta x , x) 
p(x,t\vert x_0,t_0)
\right)
  d(\Delta x)$  
    $\displaystyle +\frac{1}{2} \int
(\Delta x)^2 \frac{\partial^2}{\partial x^2}
\left(
W_{t}(\Delta x , x) 
p(x,t\vert x_0,t_0)
\right)
  d(\Delta x)$  
    $\displaystyle -
 p(x,t\vert x_0,t_0)  
\int
W_{t}(-\Delta x , x)
\; d(\Delta x)$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle p(x,t\vert x_0,t_0)\int
W_{t}(\Delta x , x)  d(\Delta x)$  
    $\displaystyle - \frac{\partial}{\partial x}
\Big(
p(x,t\vert x_0,t_0)
\underbra...
...\Delta x)
W_{t}(\Delta x , x) 
  d(\Delta x)
}_{\displaystyle a_1(x,t)}
\Big)$  
    $\displaystyle +\frac{1}{2} \frac{\partial^2}{\partial x^2}
\Big(
p(x,t\vert x_0...
...elta x)^2
W_{t}(\Delta x , x) 
  d(\Delta x)
}_{\displaystyle a_2(x,t)}
\Big)$  
    $\displaystyle -
 p(x,t\vert x_0,t_0)  
\int
W_{t}(\Delta x , x)
\; d(\Delta x)$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle - \frac{\partial}{\partial x}
\Big(
a_1(x,t)
p(x,t\vert x_0,t_0)
\Big)$  
    $\displaystyle +\frac{1}{2} \frac{\partial^2}{\partial x^2}
\Big(
a_2(x,t)
p(x,t\vert x_0,t_0)
\Big)
.$ (23)

Dies entspricht der Fokker-Planck-Gleichung (20), und ergibt somit eine Beziehung der Funktionen $A[x,t]$ und $B^2[x,t]$ zu den sogenannten ``Sprungmomenten'' $a_1(x,t)$, $a_2(x,t)$, deren Existenz wir hier annehmen,
$\displaystyle A[x,t]$ $\textstyle =$ $\displaystyle a_1(x,t) =
\int (\Delta x)
W_{t}(\Delta x , x) 
  d(\Delta x)
,$ (24)
$\displaystyle B^2[x,t]$ $\textstyle =$ $\displaystyle a_2(x,t)
=
\int
(\Delta x)^2
W_{t}(\Delta x , x) 
  d(\Delta x)
.$ (25)

Eine komplette, nicht auf Terme zweiter Ordnung beschränkte Taylorentwicklung führt auf die Kramers-Moyal-Entwicklung,

\begin{displaymath}
\frac{\partial p(x,t\vert x_0,t_0)}{\partial t}
=
\sum_{n=1}...
...{\partial x}\right)^n
\Big(a_n(y,t) p(x,t\vert x_0,t_0)\Big)
,
\end{displaymath} (26)

welche ausgedrückt werden kann durch die ``Sprungmomente'' $n$-ter Ordnung,
\begin{displaymath}
a_n(x,t)
=
\int (\Delta x)^n
W_{t}(\Delta x , x) 
  d(\Delta x)
.
\end{displaymath} (27)

Wir bemerken noch, daß die Fokker-Planck-Gleichung als Kontinuitätsgleichung aufgefaßt werden kann. In der Tat erhält durch die Definition einer Wahrscheinlichkeitsstromdichte,

\begin{displaymath}
J(x,t)
=
A[x,t]  p(x,t\vert x_0,t_0)
- \frac{1}{2}\frac{\partial}{\partial x}
\Big(B^2[x,t]   p(x,t\vert x_0,t_0)\Big)
,
\end{displaymath} (28)

Gl. (20) die typische Form einer Kontinuitätsgleichung,
\begin{displaymath}
\frac{\partial p(x,t\vert x_0,t_0)}{\partial t}
=
-\frac{\partial J(x,t)}{\partial y}
.
\end{displaymath} (29)

Eine häufig vorkommender Fall ist eine zeitunabhängige, lineare Fokker-Planck-Gleichung mit $A[x,t]$ = $a x$ und $B^2[x,t]$ = $B^2$,

\begin{displaymath}
\frac{\partial p(x,t\vert x_0,t_0)}{\partial t}
=
-a \frac{\...
...c{B^2}{2}\frac{\partial^2}{\partial x^2} p(x,t\vert x_0,t_0)
.
\end{displaymath} (30)

Für die Anfangsbedingung3$x(t=0)$ = $x_0$ und im Unendlichen verschwindenden $p$ ist die Lösung von (30) gegeben durch die Gauß-Funktion
\begin{displaymath}
p(x,t\vert x_0,t_0)
=
\frac{1}{\sqrt{2\pi \sigma^2_{\rm FP}}...
...le -\frac{\left(x-x_0e^{a t}\right)^2}{2 \sigma^2_{\rm FP}}}
,
\end{displaymath} (31)

mit Mittelwert
\begin{displaymath}
\mu_{\rm FP}(t) = x_0   e^{a t}
,
\end{displaymath} (32)

und mit Varianz
\begin{displaymath}
\sigma^2_{\rm FP} (t)
= \frac{B^2}{2 a}\left( e^{2a t}- 1\right)
.
\end{displaymath} (33)

Dies läßt sich durch (etwas mühsames) direktes Nachrechnen verifizieren. Für $a<0$ geht dies für große Zeiten gegen eine stationäre (zeitunabhängige) Gaußverteilung mit der Varianz $-B^2/2a$. Für $a>0$ wächst $e^{2ta}$ unbeschränkt und es gibt daher dann keine stationäre Verteilung.


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Joerg_Lemm 2000-02-25