Forschungsgebiete

Bei komplexen Systemen handelt es sich um Nichtgleichgewichtssysteme wie z. B. Laser, hydrodynamische Flüsse und chemische Reaktionen, welche häufig aus vielen mikroskopischen, nichtlinear wechselwirkenden Komponenten bestehen. Solche Systeme können räumliche, raumzeitliche und funktionale Strukturen ausbilden, die nicht durch einfache Überlagerung des Verhaltens der Einzelkomponenten verstanden werden können. Die auftretende Strukturbildung wird häufig als Selbstorganisationsprozess interpretiert.

Das wissenschaftliche Ziel der Arbeitsgruppe Selbstorganisation und Komplexität ist es, universelle Eigenschaften von Nichtgleichgewichtssystemen mit theoretischen und numerischen Methoden zu erforschen. Von besonderem Interesse sind dabei Methoden der nichtlinearen Dynamik wie Bifurkations- und Chaostheorie, welche mit Methoden der statistischen Physik und der Theorie stochastischer Prozesse kombiniert werden.

Aktuelle Forschungsgebiete:

  • Datengetriebene Analyse komplexer Systeme
  • Raumzeitliche Strukturbildung in selbstassemblierenden Systemen und ihre Kontrolle
  • Raumzeitliche Dynamik in Systemen der Nichtlinearen Optik
  • Grenzflächendynamik komplexer Fluide & weicher Materie
  • Dynamik von Phasenübergängen und Wachstumsprozessen
  • Kollektive Dynamik von Biofilmen, Bakterienkolonien, Geweben und Mikroschwimmern

Komplexe Fluide & weiche und aktive Materie

Kolloidale Suspension
© Uni MS/ITP

In vielen Fällen ist die Dynamik von komplexen Fluiden und weicher Materie grenzflächendominiert, d. h. sie wird durch Kapillarität und/oder Benetzbarkeit kontrolliert. Beispiele für eine solche Dynamik sind (angetriebene) Tropfen auf homogenen und heterogenen Substraten, (aktive) Flüssigkristalle und kolloidale Suspensionen, selbstangetriebene Tropfen, sowie mehrkomponentige Multilagensysteme.

Ein wichtiges Ziel ist das Verständnis der strukturbildenden Wechselwirkungen von verschiedenen voneinander abhängigen diffusiven und advektiven Transportprozessen und Phasenübergängen. Die Einbeziehung von chemischen Reaktionen und chemo-mechanischen Kopplungen führt auf natürliche Art und Weise zu Fragestellungen, die verwandt sind mit Zelltransport, Gewebewachstum und Morphogenese, sowie der Bewegung von Mikroschwimmern.

Strukturbildung in selbstassemblierenden Systemen

Strukturbildung
© Uni MS/ITP

Für die Beschichtung von Oberflächen mit einer präzisen Dichte und Struktur werden häufig experimentelle Techniken wie der Langmuir-Blodgett-Transfer, dip-coating oder Aufdampfen der Moleküle verwendet. Beim Langmuir-Blodgett-Transfer etwa wird eine oberflächenaktive Schicht (surfactant) von einem Bad auf eine herausgezogene Platte übertragen. Durch die Nutzung der Selbstassemblierung von mikroskopischen Bestandteilen zu makroskopischen Strukturen können Beschichtungen mit sehr gleichmäßigen Mustern auf großen Flächen erreicht werden. Ein Ziel ist es, zu verstehen wie die grundlegenden Eigenschaften verschiedener Systeme zu der Bildung spezieller funktionaler Muster führen. Dies ermöglicht die Entwicklung von Methoden zur Kontrolle der Strukturbildung, z. B. durch vorstrukturierte Substrate oder externe Felder.

Kontrolle raumzeitlicher Strukturen

Raumzeitliche Strukturen
© Uni MS/ITP

Ein wichtiges Themengebiet in der angewandten nichtlinearen Wissenschaft ist die Kontrolle und Konstruktion komplexer Systeme. Rückkopplungsschleifen stellen ein wichtiges Konzept für die Kontrolle raumzeitlicher Strukturen unter Verwendung systeminhärenter Dynamik dar. Ein Beispiel hierfür ist die sogenannte time-delayed feedback Kontrolle, die durch zeitverzögerte Differentialgleichungen modelliert und analysiert werden kann. Das Ziel ist es, unter Anwendung von Methoden der Bifurkationstheorie und der nichtlinearen Dynamik eine analytische Behandlung dieser Systeme zu entwickeln. Diese lässt sich dann auf eine Vielzahl von Systemen aus der nichtlinearen Optik bis hin zu Neurophysik anwenden.

Analyse komplexer Systeme

Zeitliche Entwicklung komplexer Systeme
© Uni MS/ITP

Die zeitliche Entwicklung komplexer Systeme kann auf makroskopischer Ebene unter Verwendung von Ordnungsparametern beschrieben werden. Bei einer solchen Beschreibung werden schnelle mikroskopische Freiheitsgrade als Fluktuationen berücksichtigt. Es ergibt sich eine Zeitentwicklung der Ordnungsparameter als stochastischer Prozess. In viele Fällen können die Gleichungen des stochastischen Prozesses nicht rigoros aus Grundgleichungen des zugrundeliegenden komplexen Systems abgeleitet werden. In solchen Fällen wird versucht, die stochastischen Gleichungen aus Messdaten zu schätzen. Unser Ziel ist eine Verbesserung der entsprechenden Schätzmethoden, sowie ihre Anwendung auf eine breite Klasse von biologischen, physikalischen und medizinischen Systemen.