Bandstrukturen

Eine periodische Modulation optischer Eigenschaften eines Materials in der Größenordnung der Lichtwellenlänge beeinflussen die Lichtausbreitung in diesem Material drastisch. Wichtige Vertreter solcher meist künstlich erzeugten Strukturen sind photonische Kristalle oder photonische Gitter. Dabei wird typischerweise der Brechungsindex periodisch moduliert wodurch es zur Ausbildung einer Bandstruktur für die Propagationskonstante des Lichtfelds kommt.

Spektrale Singularität
Spektrale Singularität

Bereits im eindimensionalen Fall erhält man so ein dielektrisches Schichtsystem, das eine sogenannte photonische Bandlücke aufweisen kann. Ähnlich einer elektronischen Bandlücke, die in Festkörpern bestimmte Energiezustände der Elektronen verbietet, ist dort eine Ausbreitung von Photonen bestimmter Frequenz nicht erlaubt. Das volle Potenzial der photonischen Kristalle erschließt sich jedoch erst bei der Verwendung von zwei- oder dreidimensionalen Strukturen, deren Eigenschaften sich dynamisch anpassen lassen.

Besonderes Augenmerk liegt dabei auf Strukturen, deren Spektren Singularitäten aufweisen, d.h. Punkte bei denen bestimmte Größen wie zum Beispiel die Gruppengeschwindigkeit nicht eindeutig definiert sind. Eine besonders interessante Art solcher Singularitäten sind sogenannte Dirac Cones, bei denen sich zwei Bänder in einem einzigen Punkt berühren und dabei jeweils eine Kegelspitze beschreiben. Daraus resultiert, dass die Gruppengeschwindigkeit radialsymmetrisch konstant ist und außerdem das die effektive Masse (lokale Krümmung der Bandstruktur) verschwindet. Teilchen bewegen sich in der Umgebung solcher Singularitäten folglich relativistisch. Das Auftreten solcher Dirac Cones ist die Erklärung für viele der einzigartigen elektrischen Eigenschaften von Graphen.

Flache Bänder
Flache Bänder

Die weitreichenden Analogien zwischen elektronischen Festkörpersystemen und photonischen Gittern erlaubt es nun, viele solcher grundlegenden Effekte in die Optik zu transferieren und dort gezielt weiter zu erforschen und neue Effekte nachzuweisen. In unserer Arbeitsgruppe untersuchen wir daher die vielfältigen Effekte der Lichtausbreitung die verschiedensten ein- und zweidimensionalen photonischen Gitterstrukturen die solche speziellen Bandstrukturen aufweisen. Ebenso interessant sind Gitter die flache Bänder beinhalten. Lokalisierte Zustände die zu solchen Bändern gehören können beugungsfrei durch das Gitter propagieren.

Künstlich erzeugte photonischen Gitter ermöglichen es darüber hinaus, Wellenpakete zu erzeugen, die durch eine Größe, den sogenannten Pseudospin charakterisiert werden können. Frühere Forschungsarbeiten haben dabei gezeigt, dass viele komplexe Vorgänge wie zum Beispiel die außergewöhnlichen elektronischen Eigenschaften von Graphene durch einen zusätzlichen Freiheitsgrad, eben diesen Pseudospin sehr gut erklärt werden können. In der Vergangenheit wurden fermionische Spin-1/2-Systeme durch Lichtpropagation in photonischen Gittern erfolgreich simuliert. Großer Vorteil der Optik ist dabei, dass die Wellenfunktion direkt als Lichtintensität sichtbar ist.

Lieb Lattice
Lieb Lattice

Wir haben gezeigt, dass es in einem speziellen Gitter möglich ist einige Konzepte zu erweitern und Lichtzustände zu präparieren, die durch eine ganzzahlige Spinquantenzahl beschrieben werden, also bosonische Systeme. Dieses sogenannte Lieb-Gitter ist ein quadratisches Gitter mit einer Basis aus drei identischen zweidimensionalen Wellenleitern, das wir durch direktes Laserstrahlschreiben direkt in einem Glasplättchen realisiert haben. Dabei hat jedes Untergitter eine eigene Lichtdispersion die den Pseudospin charakterisiert.

Durch eine strukturierte Beleuchtung des Gitters können darin gezielt bestimmte Pseudospin-Zustände anregt werden. Nach der Propagation des Lichtfeldes durch das Gitter zeigt die Intensitätsverteilung die typischen Signaturen Konischer Beugung und die Phasenstruktur beinhaltete Phasensingularitäten, sogenannte optische Wirbel. Das Auftreten dieser optischen Wirbel, sowie ihrer Ladung hängt dabei von den unterschiedlichen Pseudospin-Zuständen am Eingang und am Ausgang des Gitters ab.

Solche Erkenntnisse ermöglichen weitere Einsichten in die Erzeugung von optischem Drehimpuls im Zusammenhang mit Pseudospin und sind ein erster Schritt auf dem Weg höhere Spinzustände (3/2, 2, 5/2, …) zu realisieren die keine der bekannten Elementarteilchen zeigen.

Referenzen:

Phys. Rev. Lett. 116, 183902 (2016)