Strukturbildung mit photorefraktiver Nichtlinearität

Schematische experimentelle Anordnung

Schematische experimentelle Anordnung: ein homogener Pumpstrahl wechselwirkt im nichtlinearen Medium mit einer an einem externen Spiegel gewonnenen Reflexion. Das Zusammenspiel aus Nichtgleichgewicht, Nichtlinearität und räumlicher (Rück-)Kopplung führt zur selbstorganisierten, spontanen Aubildung einer transversalen Modulation des Strahls.

 
Zwei gegenläufig propagierende Laserstrahlen, die in einem photorefraktiven Medium durch Zweiwellenmischen nichtlinear wechselwirken, zeigen selbstorganisierte Ausbildung räumlicher Strukturen[1], [2].

Die Grundlage der Nichtlinearität ist der selbstinduzierte Aufbau eines longitudinalen Brechungsindexgitters - eines Braggspiegels - im photorefraktiven Kristall als Ergebnis der Interferenz der gegenläufiger Pumpstrahlen. Der zweite Pumpstrahl wird aus dem ersten mittels Reflexion an einem externen Spiegel gewonnen wird. Analog zu vielen anderen strukturbildenden Systemen finden wir auch in diesem Modellsystem zwei antagonistische Prozesse: zum einen der Aufbau des selbstinduzierten Bragg-Spiegels, der Intensität in beider gegenläufiger Strahlen erfordert. Zum anderen schwächt der Bragg-Spiegel aber den zum externen Rückkopplungsspiegel laufenden Strahl - und damit seine eigene Quelle - ab. Die Lösung dieses Gegensatzes findet sich in der räumlichen Strukturierung des Systems: Bereiche mit niedriger Modulation des Brechungsindex haben lokal eine hohe Transmission. Die hier propagierende Teile des Pumpstrahls werden vom Rückkopplungsspiegel reflektiert und erzeugen Bereiche mit hoher Brechungsindexmodulation.
Fernfelder: Mustersymmetrien

Fernfelder von transversalen Mustern unterschiedlicher Symmetrie. V.l.n.r.: hexagonales Muster aus drei Moden betragsmäßig gleicher Raumfrequenz mit höheren Ordnungen; 'Quadratisches' Muster, bei dem die Eckpunkte sowohl als höhere Ordnung der inneren Moden wie auch als eigenständige instabile Mode gesehen werden; Konkurrenzsituation eines hexagonalen und quadratischen Musters: beide Muster teilen sich eine Mode, eines von beiden wird sich letztlich durchsetzen.

Der grundlegende Prozess ist das zunächst exponentielle Anwachsen einer transversalen Modulation (Modulationsinstabilität) als Störung des homogenen Pumpstrahls aus dem Rauschen. Hierbei wird die transversale Raumfrequenz dieser anwachsenden Mode in erster Linie durch die Beugung des Strahls während der Propagation zum externen Rückkopplungsspiegel und die damit verbundene Verbreiterung des Strahls bestimmt. Die azimuthale Ausrichtung der beobachtbaren Moden ist zunächst unbestimmt, jedoch führen nichtlineare Wechselwirkungen zwischen ihnen zur Ausbildung bestimmter räumlicher Symmetrien. Sofern nur Moden mit einer einzelnen transversalen Raumfrequenz anwachsen können, bildet sich immer eine hexagonale Struktur aus drei dieser Moden mit Zwischenwinkeln von 120° aus[3]. Existieren jedoch Moden mit betragsmäßig unterschiedlichen Raumfrequenzen, so können durch Wechselwirkungen unterschiedlicheste transversale Mustersymmetrien auftreten[4]. In dem hier vorgestellten experimentellen System passiert dies in einem weiten Parameterbereich, der sogenannten Multiple Pattern Region[5]. Dabei ist oft mehr als eine Mustersymmetrie eine mögliche Lösung des Systems, was zu Koexistenz und Konkurrenz von unterschiedlichen Mustern führt
Durch diese ausgezeichneten Eigenschaften bietet sich das von uns untersuchte System als attraktives Modell an, um zweidimensionale Musterbildung durch Wechselwirkung instabiler Moden und das damit einhergehende Phänomen der Multistabilität als grundlegende Effekte der Strukturbildung zu untersuchen. Begründet durch die hohe Komplexität der beobachteten Phänomene ist dieses System dafür prädestiniert, die Anwendung statischer und dynamischer Kontrollmechanismen zu untersuchen, die generell in selbstorganisierten Systemen zur Unterdrückung störender Strukturbildung, als Analysemethode, aber auch zur Ausnutzung selbstorganisierter Strukturen eingesetzt werden können[6],[7].

 

Experimentelle Analyse

Experimentelle Anordnung

Experimentelle Versuchsanordnung. Die optische Diode dient der Vermeidung von Rückkopplung in den Laser, die diesen destabiliseren würde. Die Linse fokussiert den Laserstrahl auf den photorefraktiven Kristall, die lambda/2 Platte dient zur Einstellung der photorefraktiven Kopplung zwischen den beiden Pumpstrahlen. Der aus dem Kristall zurücklaufende Strahl wird über einen Beam splitter zur Analyse ausgekoppelt. Zwei Linsen im Rückkopplungsarm bilden den Rückkopplungsspiegel auf die Kristallendfläche oder auch in den Kristall ab.

 
Die experimentelle Untersuchung der selbstorganisierten Strukturbildung im photorefraktiven Zwei-Wellen-Mischen geschieht an einer sogenannten Ein-Spiegel Rückkopplungsanordnung[8]. Der erste Pumpstrahl wird hierbei direkt vom Pumplaser gewonnen und auf das nichtlineare Medium fokussiert. Der zweite Strahl wird durch Reflexion des ersten an einem Rückkopplungsspiegel hinter dem Kristall gewonnen. Die Beugung während der Propagationsstrecke zum Rückkopplungsspiegel vermittelt die für die Strukturbildung notwendige räumliche Kopplung.

Hexagonales Muster in Nah- und Fernfeld

Hexagonales Muster, Links: im Nahfeld (Strahlausgang aus dem Kristall), Rechts: Fernfeld, d.h. räumliche Fourier Transformation (nach Propagation)

Der Rückkopplungsspiegel wird in der von uns verwendeten Variante nicht direkt hinter dem nichtlinearen Medium platziert. Statt dessen wird ein entfernterer Spiegel mittels einer 4f-Abbildung als virtueller Spiegel[5] an den gewünschten Ort projiziert - vollständig äquivalent zu einem an gleicher Stelle platzierten realen Spiegel. Im Experiment ergeben sich durch Einsatz des virtuellen Spiegels zwei entscheidende Vorteile. Zum einen kann die Projektionsebene in das nichtlineare Medium gelegt werden. Hier können wir einen experimentell hochinteressanten Parameterbereich untersuchen, in dem mit der sog. Multiple Pattern Region eine ganze Reihe von teilweise konkurrierenden Mustern mit unterschiedlichen Symmetrien beobachtet werden. Zum anderen erhalten wir innerhalb der 4f-Abbildung Zugriff auf die Fourierebene des rückgekopppelten Strahls und können hier aktiv die Rückkopplung in Amplitude und Phase beeinflussen. Der aktive Eingriff in die Fourierebene ermöglicht Kontrollmethoden die in nicht-optischen strukturbildenden Systemen praktisch nicht realisierbar ist.
In weiten Bereichen des verfügbaren Parameterraumes bildet das System hexagonale Strukturen, die aus jeweils drei Moden mit gleicher transversaler Wellenzahl bestehen. Für Positionen des abgebildeten Rückkopplungsspiegels (virtueller Spiegel), die etwa in der Mitte des photorefraktiven Kristalls liegen, zeigen sich in der sog. Multiple Pattern Region jedoch eine ganze Reihe unterschiedlicher Mustersymmetrien. Die Vielfalt an unterschiedlichen Mustern konnten wir auf die Existenz von Moden mit unterschiedlichen Wellenzahlen aber ähnlichen Wachstumsraten zurückführen[9]. Wieso jedoch solche Moden nur in diesem Parameterbereich auftreten, ist eine offene Frage und Gegenstand aktueller Untersuchungen.

 

Analytische Beschreibung des Systems

Numerisches Modell des photorefraktiven Mediums. Die zwei gegenläufigen Pumpstrahlen sind farblich kodiert. Eine voll ausgebildete transversale Modulation ist in beiden Strahlen gut zu erkennen ebenso wie die dadurch erreichte räumliche Trennung der beiden Strahlen. Die nach rechts abnehmende Intensität beider Pumpstrahlen ist die Folge der Reflexion am induzierten Braggspiegel.

 
Ausgehend von der paraxialen Wellengleichung und dem Kukhtarev-Modell für den photorefraktiven Effekt beschreibt ein System von drei gekoppelten partiellen Differentialgleichungen das experimentelle System[10],[11]. Die ersten zwei Gleichungen entsprechen der Propagation der beiden gegenläufigen Wellen (A1, A2), die über den induzierten Braggspiegel (Q) gekoppelt sind.

Selforg

Die dritte Gleichung beschreibt die Zeitentwicklung des Materials in Abhängigkeit von der lokalen Intensität des Interferenzgitters der beiden Pumpstrahlen. Randbedingungen für den Pumpstrahl und den Rückkopplungsspiegel komplettieren das Modell. Die Modellgleichungen lassen sich nun mit den Werkzeugen der nichtlinearen Physik, zunächst mittels einer linearen Stabilitätsanalyse, untersuchen und mit dem experimentell festgestellten Systemverhalten korellieren. Weiterhin werden ausgehend auf den Modellgleichungen Computerexperimente durchgeführt, um die Anwendbarkeit der Modellgleichungen auf das experimentelle System zu überprüfen bzw. deren Grenzen festzustellen. Insbesondere im direkten Vergleich von analytischen Untersuchungen, numerischen Computerexperimenten und realen Experimenten liegt ein Schlüssel, um bisher unerklärte Phänomene zu verstehen und diese als Ursache bestimmter charakteristischer Eigenschaften zu erkennen.
 

Ansprechpartner: P. Jander