Mehr Aufklärung über geistlichen Missbrauch

Forschungsteam der Universität Münster bittet Betroffene um Unterstützung
Das Projektteam
Das Projektteam „Geistlicher Missbrauch in geistlichen Gemeinschaften“ besteht aus Juliana Osterholz, Prof. Dr. Judith Könemann und Dr. Bernhard Frings. (v.l.)
© Universität Münster

Erst in jüngerer Zeit kommt geistlichem Missbrauch höhere Aufmerksamkeit zu. Bei dieser Form des Machtmissbrauchs handelt es sich um eine mit psychischem Druck verbundene Verletzung der spirituellen Selbstbestimmung eines Menschen. Meist greift dabei eine geistliche Autoritätsperson in die persönliche Freiheit und psychische Integrität des anderen, oftmals jungen Erwachsenen, ein, was für die Betroffenen vielfach traumatische Folgen hat. Geistlicher Missbrauch kommt etwa im Kontext von Gemeinde- und Einzelseelsorge vor, kann aber auch in so genannten Geistlichen Gemeinschaften verübt werden.

Dem geistlichen Missbrauch mit dem besonderen Blick auf Geistliche Gemeinschaften widmet sich seit Anfang 2023 ein auf drei Jahre angelegtes Forschungsprojekt an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster. Es wird geleitet von der Theologin und Soziologin Prof. Dr. Judith Könemann. Das Projekt „Geistlicher Missbrauch in geistlichen Gemeinschaften“ bittet vor allem Betroffene und ehemalige Mitglieder der „Christusgemeinschaft“ und von „Totus Tuus Neuevangelisierung“ um Unterstützung.

 

  • Zum Projekt

    Konkret geht es um die Auswirkungen von geistlichem Missbrauch auf die Betroffenen und um die zentralen Fragen, welche Voraussetzungen, Strukturen und systemischen Faktoren geistlichen Missbrauch entstehen lassen, begünstigen und aufrechterhalten. Auch soll den religiösen Praktiken und theologischen Überzeugungen nachgegangen werden, die den geistlichen Missbrauch in Geistlichen Gemeinschaften begünstigen. Im Zentrum der Untersuchung stehen die im Bistum Osnabrück gegründete und mit den Thuiner Franziskanerinnen verknüpfte „Christusgemeinschaft“ sowie die 2007 bis 2021 im Bistum Münster kirchenrechtlich anerkannte geistliche Vereinigung „Totus Tuus Neuevangelisierung“ (TTN), da für beide Gemeinschaften Vorwürfe von geistlichem Missbrauch vorliegen.

    Die Untersuchung wird von den Diözesen Osnabrück und Münster, der Deutschen Bischofskonferenz und der Kongregation der Thuiner Franziskanerinnen finanziell getragen, aber gänzlich unabhängig von diesen an der Universität Münster durchgeführt. Bei gezielten Hinweisen bezieht das Projektteam auch geistlichen Missbrauch in anderen katholischen geistlichen Gemeinschaften ein, sofern diese in einem der beiden Bistümer angesiedelt sind. Die Ergebnisse des Pilotprojekts sollen auch die Präventionsarbeit in den Diözesen stärken.

     

  • Zielgruppe

    Neben dem intensiven Aktenstudium stellen Interviews, in denen persönliche Erfahrungen, Erinnerungen und Einschätzungen im Kontext Geistlicher Gemeinschaften thematisiert werden, die wesentliche Grundlage dieser Untersuchung dar. Angesprochen sind hier vor allem Betroffene geistlichen Missbrauchs und (ehemalige) Mitglieder der Gemeinschaften. Darüber hinaus werden auch Zeitzeug*innen und Wissensträger*innen wie Bistumsverantwortliche, aber auch Eltern von Mitgliedern oder Vertreter von Kirchengemeinden befragt. Als Ergänzung oder anstelle der Interviews können dem Projekt auch schriftliche Erfahrungsberichte oder Dokumente (wie beispielsweise Briefe, Tagebucheinträge oder auch offizielle Rundschreiben aus den jeweiligen Gemeinschaften) zur Verfügung gestellt werden.

     

  • Ablauf der Interviews

    Mit Betroffenen, die sich melden, führen die Projektmitarbeitenden zunächst ein Telefonat. Dabei werden Fragen zum Projekt geklärt und der Ablauf des Interviews skizziert, zu dem ein strenger datenschutzrechtlicher Rahmen wie die Nutzung eines verschlüsselten Servers zur Datenspeicherung zählt. Ferner wird der Ort, an dem das Interview stattfinden soll, z.B. die Universität Münster, vereinbart. Mit einer Einwilligungserklärung legt der*die Interviewpartner*in fest, ob das Interview in anonymisierter Form in die Studie einfließen soll.

    Über die Teilnahme am Projekt und die inhaltlichen Schwerpunkte des Interviews entscheidet die*der Interviewte. Zudem besteht jederzeit die Möglichkeit, die Teilnahme zu widerrufen. Die Interviews sollen der Erforschung vor allem der systemischen Faktoren geistlichen Missbrauchs dienen, deshalb sind in der Veröffentlichung keine ausführlichen Einzelfallstudien geplant.

    Einen therapeutischen Ansatz können die Interviews nicht bieten. Falls Interviewte im Nachgang des Gesprächs Unterstützung in Form einer Beratung in Anspruch nehmen möchten, stehen verschiedene kirchliche wie nicht-kirchliche Anlaufstellen zur Verfügung.

     

  • Kontakt und weitere Informationen

    Wer das Forschungsteam bei der Erforschung geistlichen Missbrauchs in Form eines Interviews oder eines schriftlichen Erfahrungsberichts unterstützen möchte, melde sich bitte per Mail bei geistlicher.missbrauch@uni-muenster.de oder kann sich bei Juliana Osterholz unter der Telefonnummer 0251 83-30029 beziehungsweise bei Dr. Bernhard Frings unter der Telefonnummer 0251 83-24337 melden. Das Team ist auch per Briefpost erreichbar unter der Adresse: Prof. Dr. Judith Könemann, Robert-Koch-Straße 40, 48149 Münster. Weitere Informationen bietet die Projektseite.