Bei dem durch die Salzstraße kommenden Besucher mögen die barocke Kuppel, die schmuckvolle Sandsteinfassade und die beiden Türme mit ihren welschen Hauben durchaus Aufmerksamkeit, wenn nicht gar Verwunderung auslösen. Einen derartigen Kirchenbau würde man allenfalls in südlichen Ländern, nicht aber hier in der Innenstadt des westfälischen Münster erwarten. Die nüchterne Ausstattung im Inneren versetzt vielleicht erst recht in Erstaunen. Aufgrund ihrer Ausrichtung nach französischen Vorbildern des 17. Jahrhunderts nimmt die Dominikanerkirche innerhalb Deutschlands in der Tat eine außergewöhnliche Stellung ein. Eine bewegte Geschichte hinterließ ihre Spuren an der Kirche, von der Nutzung durch den Konvent des Predigerordens bis hin zu ihrer derzeitigen Nutzung im Besitz des Landes Nordrhein-Westfalen. Dieser kleine Führer soll Ihnen einige Auskünfte zum Auffinden dieser Spuren der Geschichte anbieten. Zuallererst jedoch sei der Raum der Dominikanerkirche selbst ein Angebot: als Ort des Innehaltens, der Ruhe und Sammlung, des stillen Gebetes und gemeinsamen Gotteslobes.
Die Dominikaner in Münster
Hundertdreißig Jahre nach der Gründung des Predigerordens 1216 in Rom trifft man 1346 auf die erste Erwähnung einer Niederlassung der Dominikaner in Münster. 1369 konnte vom Konvent von Osnabrück ein Haus am Bispinghof in Münster erworben werden, das bis 1590 genutzt wurde. An nicht mehr lokalisierbarer Stelle blieben Dominikaner aber auch weiterhin in Münster präsent. Nach mehreren Petitionen an Bischof und Domkapitel zwischen 1649 und 1663 mit der Bitte um die Erlaubnis für den Aufbau eines selbständigen Konventes konnten mehrere Grundstücke zwischen Salzstraße und Altem Steinweg im Pfarrgebiet von St. Lamberti erworben werden. Sofort wurde mit der (wohl provisorischen) Errichtung von Klosterbauten nebst Kapelle begonnen. 1694 kann als Beginn der endgültigen Gestaltung von Kirche und Konventsbauten vermutet werden.
Der Bau der Kirche
Mit den aus mehreren öffentlichen Kollekten, Schenkungen bzw. Verkäufen erbrachten Geldern wurde wahrscheinlich im Frühjahr 1708 mit dem Bau der Kirche begonnen. 1725 muss der Rohbau mit der Errichtung der Kuppel abgeschlossen worden sein, worauf das Chronogramm im Tambour hinweisen kann: "sanCto losepho ConVigi Mariae De qVa natVs est lesVs - dem Hl. Josef, dem Mann Marias, von der Jesus geboren worden ist." Wie im Ratswahlbuch der Stadt Münster vermerkt, wurde die Kirche im Februar 1728 schließlich feierlich konsekriert. Über einen ähnlich langen Zeitraum zwischen 1703 und 1731 erstreckte sich, wohl aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten, der Bau der übrigen Gebäude des Klosters, das wie die Kirche dem Patrozinium des hl. Josef unterstellt wurde.
Die Sandsteinfassade der Kirche umgrenzt zusammen mit der einzigen erhaltenen Wand der Klosteranlage zwei Seiten eines kleinen Platzes. Sie ist als zweigeschossige Fassade mit zurückhaltend gliedernden Pilastern angelegt. Die Mittelachse wird von einem vorspringenden Ädikulaportal mit Säulen dorischer Ordnung beherrscht. So erfüllt der Aufbau die Anforderung, die drei klassischen Säulenordnungen nach ihrer "Schwere" übereinander zustellen: zuunterst die dorische, darüber die ionische und unter dem bekrönenden Dreieckgiebel zuletzt die korinthische. In den bei den Rundnischen der Außenachsen stehen Statuen der Ordenspatrone Dominikus und Thomas von Aquin. Bei dieser Wandgliederung hat sich Corfey an Barockkirchen in Rom und insbesondere Paris orientiert.
Das Innere zeigt ein basilikales Schema mit erhöhtem Mittelschiff und Querhaus, zwei niedrigen Seitenschiffen und einer außen achteckigen, innen runden Vierungskuppel. Mit ionischen Kapitellen unter dem umlaufenden Gebälk und korinthischen Pilastern im Kuppeltambour wird die äußere Säulenanordnung aufgenommen.
Ursprünglich besaß der kreuzgratgewölbte Raum durch die gleiche Anzahl von Jochen vor und hinter der Vierung bzw. Kuppel den Charakter eines Zentralraumes.
Der Chorraum war - wie heute - durch eine Wand abgetrennt, die allerdings unten völlig geschlossen war, während das über dem Gebälk offene Bogenfeld den Blick auf das Chorgewölbe freigab und so die beiden Räume optisch miteinander verband. Der Chor war durch eine Zwischendecke in zwei Geschosse geteilt: in einen unteren Sakristeiraum und den oberen Mönchschor mit einer zusätzlichen Sängerempore. Vor der Chorwand stand der damalige Altar, flankiert von zwei (als einzige Elemente im sonst völlig weiß gehaltenen Raum) dunkelblau gefassten Säulen.
1802 wurde Münster preußisch. Im Zuge der Stationierung von Truppen wurde das Minoritenkloster in Kaserne und Garnisonskirche umgewandelt. Die Minoriten wurden in das Dominikanerkloster verlegt, den Dominikanern ein Haus in der Ludgeristraße zugewiesen.
1811 wurden auf Beschluss Napoleons sämtliche Klöster aufgehoben. Im Dominikanerkloster wurden Institutionen des Landes bzw. der Stadt, in der Kirche von 1826 bis 1880 ein Landwehrmontierungsdepot untergebracht. Schließlich wurde die Kirche von der Stadt gekauft und durch Umbauten als Schulkirche für das städtische Realgymnasium eingerichtet: Man entfernte den ursprünglichen Mönchschor nebst Chortrennwand. Bänke, Beichtstühle und Kanzel wurden aus der Überwasserkirche übernommen. So konnte am 31. März 1889 erstmals wieder Gottesdienst gefeiert werden. 1903 wurde die Apsis mit dem von der Gaukirche in Paderborn erworbenen barocken Hochaltar ausgestattet. Eine neue Orgel auf einer Westempore vervollständigte die Einrichtung.
1943 wurde die Kirche durch Luftangriffe beschädigt, im Jahr darauf die Kuppel zerstört. Nach ersten Sicherungsarbeiten 1948 wurde 1952 die Südturmhaube erneuert. Der Wiederaufbau der Kuppel begann 1961. 1974 konnte in der fertig gestellten Dominikanerkirche wieder Gottesdienst gefeiert werden.
Mit der Wiedererrichtung der Ende des 19. Jahrhunderts entfernten Chortrennwand erfuhr der Raum eine völlige Neuorientierung. Der Architekt Prof. Fritz Thoma BDA (Trier) schuf eine Altarinsel für den Mittelpunkt der Kirche unter der Kuppel. Mit der Ausrichtung der Bestuhlung wird die Kirche zum Zentralraum, der den Erfordernissen der durch das Zweite Vatikanische Konzil erneuerten Gemeindeliturgie entspricht.
Die Öffnungen der Chortrennwand stellen eine Kompromisslösung zwischen 18. und 19. Jahrhundert dar: Der dadurch zugänglich gemachte Chorraum dient mit dem seit rund hundert Jahre zum Inventar gehörenden barocken Hochaltar als eigene Sakramentskapelle.
Bautechnische Daten
Länge: 33 m, mit Chor 42.30 m
Mittelschiff: Kreuzgratgewölbe, B 8,45 m; H 15,70m
Querhaus: Tonnengewölbe, B 17,03 m; H 15,70m
Seitenschiffe: Kreuzgratgewölbe, B 2,90 m; H 8,30 m
Chor: Kreuzgratgewölbe, 2 Joche.3/6 Chorschluss
Kuppel: Durchm. 9,10 m, H 29,20 m, mit Laterne 33,70 m
Türme: jew. L x B 4-8 m: H mit Laterne 33,80 m
Der Architekt Lambert Friedrich Corfey
Am 11. Okt. 1668 als Sohn des münsterschen Artillerieoberst und Stadtkornmandanten von Warendorf geboren, erhielt L. F. Corfey durch seinen Vater eine sorgsame Ausbildung. Er schlug die militärische Laufbahn ein und erwarb als Hauptmann im Regiment seines Vaters einige Verdienste.
Von Juni 1698 bis Okt. 1700 unternahm er mit seinem Bruder Christian Heinrich eine umfassende Bildungsreise. Nach fast einjährigem Aufenthalt in Paris und Umgebung bereisten sie das südliche Frankreich, die italienische Halbinsel, Sizilien und Malta. Schwerpunkte bildeten die Städte Rom und Florenz.
Nach der Rückkehr begann Corfey mit seiner Tätigkeit als Architekt- Seinem Schaffen werden neben Zweckbauten wie Brücken und Festungsanlagen u.a. Schloß Drensteinfurt, Haus Senden, der Steinfurter Hof in Münster sowie hier die Ketteler'sehe Doppelkurie am Dom zugeschrieben. Johann Conrad Schlaun, der einen Entwurf für Corfeys Grabdenkmal fertigte, dürfte seine erste Ausbildung bei Corfey erhalten haben. Lambert Friedrich verfasste unter anderem ein Chronicon Monasteriense und verschiedene Gedichte, einhergehend mit einem großen Interesse an Inschriften.
Ein Blick in Corfeys (in der europäischen Reiseliteratur einzigartigen) Tagebuchaufzeichnungen über die kunsthistorische Reise nach Frankreich und Italien lässt in ihm einen umfassend humanistisch gebildeten Architekten erkennen. Er orientierte sich vor allem an der zeitgenössischen französisch-akademischen Baukunst des Barock (genannt seien Francois Blondel und Francois und Jules Hardouin-Mansart), darüber hinaus auch an römischen Vorbildern bis hin zur Antike. Dies wird gerade an der Dominikanerkirche, seinem bedeutendsten Werk, ersichtlich.
Corfey wohnte lange Jahre in unmittelbarer Nachbarschaft des Konventes am Alten Steinweg. Er starb am 18. Feb. 1733. In der Gruft unter der Dominikanerkirche fand er seine letzte Ruhestätte.
Ausstattung
- Weihwasserbecken (Bronze) von Hilde Schürk-Frisch (Münster 1976); dargestellt: Taufe Jesu, Predigt vom Kahn aus, Erscheinung des Auferstandenen am See.
- Hochaltar von Heinrich Gröne. vollendet 1699 für die Gaukirche in Paderborn (Patrone Ulrich und Liborius), an dieser Stelle seit 1903; Altarbilder (Dreifaltigkeit u. Aufnahme Mariens) von Georg Christian Brüll.
- Epitaph für L.F. Corfey (1733), Entwurf J.C. Schlaun.
- Altar, Ambo und Sitze für Liturgen von Prof. F. Thoma BDA (Trier).
- Gabelkreuz mit Corpus (14. Jahrhundert).
- Osterleuchter, ausgehöhlter Ulmenstamm mit Metallplatten; dargestellt: Stammbaum Jesu Blindenheilung, Auferweckung d. Lazarus Gespräch mit Ehebrecherin, Passion.
- Kreuzwegstationen (Sandstein) von W. Bolte (Münster 1884), allerdings ohne frühere Steinrahmungen.
- Orgel: 29 Register, Schleifladen mit rein mechanischer Traktur, gebaut von der Firma Ott, Göttingen, urspr. im Hörsaal des Fürstenberghauses, hier seit 1975.
Kalligraphien
Jesus - Gottes WortJesus - Gottes Geist
Die beiden Kalligraphien sind in der arabischen Schrift dargestellt. Die Kalligraphie rechts unter der Kruzifix bedeutet: Jesus: Gottes Wort und die Kalligraphie links unter der Kruzifix, die das Spiegelbild der Kalligraphie rechts unter der Kruzifix darstellt, bedeutet: Jesus: Gottes Geist.
Die Kalligraphien sind auf Buchenholz dargestellt. Das Wort in Gold auf beiden Tafeln stellt ISA (Jesus) dar. Der Hintergrund des Gottes Wortes (mit schwarzer Tinte dargestellt) ist durch die Wiederholung von Kalima-tullah (Gottes Wort) dargestellt und auf dem Spiegelbild durch die Wiederholung von Ruh-ullah (Gottes Geist).
Die Kalligraphien sind für die Ausstellung „Das Unendliche buchstabieren“ 2011 in der Dominikanerkirche entstanden und von der Kirchengemeinde erworben worden.
Ein Kirchenbau kann aus sich heraus kein heiliger Raum sein. Erst wo sich die Gemeinde Christi versammelt, ist geheiligter Raum. So kann und soll diese barocke Dominikanerkirche nicht für sich stehendes Denkmal sein, sondern Versammlungsraum für eine Gemeinde, die zum Ausdruck ihres Glaubens und zur Feier der Liturgie zusammenkommt. Miteinander zu feiern ist das Ziel derer, die das Leben in dieser Kirche aktiv gestalten, von Professoren, Studierenden und all denen, die sich einfach zugehörig fühlen. Den Gottesdiensten der Universitätsgemeinde (jeweils sonntags um 11.00 Uhr) stehen Professoren der Katholisch-Theologischen Fakultät vor.
Ökumene - ein großes Wort, das in kleinen Schritten Gestalt annehmen kann. So finden an jedem Werktag um 17.00 Uhr Kurzandachten statt, gestaltet von der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen.
Eine herzliche Einladung an jeden einzelnen.
Verf.: A. Guczki;
Hrsg.: Seminar für Mittlere u. Neuere Kirchengeschichte d. WWU Münster; 1995
Literatur (in Auswahl):
- J. Luckhardt, Die Dominikanerkirche des Lambert Friedrich Corfey zu Münster, (Dissertation) Münster 1978.
- M. Geisberg. Die Stadt Münster. 6. Teil, Die Kirchen u. Kapellen der Stadt außer dem Dom, Münster 1941.
- verschiedene. Aufsätze von Th. Rensing bzw. D. Ellger, in: Westfalen, Hefte für Geschichte. Kunst u. Volkskunde.
Abbildungen:
- Abb.1: A. Guczki
- Abb.2,3,4: M. Geisberg. Die Stadt Münster. 6. Teil, Die Kirchen u. Kapellen der Stadt außer dem Dom, Münster 1941.
Die Orgel
Disposition der Ott-Orgel in der Dominikanerkirche zu Münster 1996: Überarbeitung durch die Orgelbaufirma Kreienbrink, Osnabrück.