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  • Ein abwechslungsreicher Einsatz, der immer wieder Detektivarbeit beinhaltet: Hier die Entzifferung der Inschrift eines Grabmals.
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  • Prof. Norbert Köster und Projektmanager Maximilian Berkel mit Pfarrer Stefan Hörstrup während der Vorbesichtigung, hier in der Sakristei von St. Lamberti in Ochtrup.
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  • Schränke werden geöffnet und von Tüchern verborgen offenbaren sich in unscheinbaren Ecken Schätze wie dieser 500 Jahre alte Holzleuchter.
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  • In adventlicher Atmosphäre wird die Glasmalerei fotografisch dokumentiert.
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Zeit zum Schätze heben - Start der Inventarisierung der Kunstschätze in den Kirchen und Kapellen im Bistum Münster

Die Zeit ist JETZT. Das ist das Motto zum Advent 2023 in der Gemeinde St. Lambertus in Ochtrup. Es empfängt in allen Kirchen als übergroße Uhren das Team der Arbeitsstelle für Christliche Bildtheorie, Theologische Ästhetik und Bilddidaktik (ACHRIBI). Malerisch wartet an diesem winterlichen Dezembertag das westfälische Kleinod von St. Johannes Baptist in Langenhorst – erstes Ziel zum Start der Inventarisierung im Rahmen des Forschungsprojekts „Digitalisierung Christlichen Kulturerbes im Bistum Münster“.

Innerhalb der nächsten fünf Jahre werden über 700 Kirchen und Kapellen im nordrhein-westfälischen Teil des Bistums besucht. Pro Gebäude warten schätzungsweise 150 bis 200 Ausstattungsgegenstände, die verzeichnet werden wollen: Skulpturen, Gemälde, Vasa Sacra, Grabmäler, Paramente, Glas- und Wandmalerei, Mosaike, liturgische Ausstattung und Kirchenmobiliar werden dokumentarisch fotografiert und in einem Datenfeldkatalog digital erfasst. Häufig gibt es keine oder kaum Aufzeichnungen, welche Objekte in den Sakralräumen, ihren Sakristeien und Türmen, in Pfarrhäusern, in Tresoren und Kisten, in Schränken und auf Dachböden warten.

In einer Zeit, in der das Christentum zum Kulturerbe wird, ist die zentrale Frage in vielen wissenschaftlichen Diskursen: Welche Bedeutung hat dieses Kulturerbe heute? Weder staatliche Stellen noch die Kirchengemeinden können das Thema in seinem vollen Umfang im Blick haben. Hier leistet das Forschungsprojekt Grundlagenarbeit, indem mit der Forschungsdatensammlung vor Ort eine Basis geschaffen wird, das Kulturgut zugänglich zu machen und im Transfer der Forschungsergebnisse seine Bedeutung zu vermitteln.

JETZT beginnt also die Inventarisierung, auf die sich das Team der fünf Mitarbeiter:innen unter der Leitung von Projektmanager Maximilian Berkel, unterstützt durch die Gruppe Kunstpflege in der Abt. Kunst und Kultur des Bischöflichen Generalvikariats, in mehreren Wochen der Schulung vorbereitet hat: Workshops zu Denkmalwert und Inventarisierung kirchlichen Kunstguts, digitaler Objektfotografie, Objekthandling, Softwareanwendung und den projektspezifischen Vorgaben zur Datenverarbeitung standen für die Kunsthistoriker:innen auf dem Programm.

Pfarrer Stefan Hörstrup, der dem wissenschaftlichen Beirat des Projekts angehört, stellt die Kirchen seiner Gemeinde gerne als erste Objekte zur Verfügung. Sie eignen sich besonders, weil sie einen Querschnitt abbilden, was das Team erwarten wird – sowohl historisch als auch vom Umfang der Ausstattungsgegenstände: Eine kleine romanische Klosterkirche, ein moderner Sakralbau, eine große neogotische Kirche mit reichlich Kunstgegenständen…

Die Küsterin begrüßt mit einer Tasse Tee, was gegen die Temperaturen hilft: Die Kirchendächer sind schneebedeckt, oben im Turm ist es eiskalt. Das Fotografieren mit klammen Fingern wird zur Herausforderung für die Mitarbeiter:innen. Nicht nur ein warmes Getränk, sondern auch das Wissen um ihre Schätze, welche die Küster:innen hüten, ist für das Projekt von großem Wert: Nach einem Vorbesuch durch Norbert Köster, Carolin Hemsing und Maximilian Berkel tauchte über das Wochenende noch die eine oder andere Skulptur in Schränken und auf dem Dachboden auf. Ein Küster wusste zu berichten, dass die Leuchter auf dem Altar von St. Dionysius Welbergen nicht wie vermutet aus der Nachbarkirche stammen, sondern vor Jahren als Urlaubssouvenir von einem Pfarrer mitgebracht wurden.

JETZT kann es also losgehen in St. Johannes Baptist. Zuerst folgt eine Sicherheitseinweisung: Wie kann die im Beichtstuhl eingelagerte Madonnen-Statue hervorgeholt werden, ohne den eigenen Körper oder das Objekt zu gefährden? Ausgestattet mit Messgeräten, Fotografieequipment, Handschuhen, Taschenlampen und Lupen verteilt sich das Team dann im Raum, ganz nach kunsthistorischer Spezialisierung und Interesse: Auf der Orgelempore werden die Krippenfiguren einzeln ausgepackt und ein gut beleuchteter Ort für die Fotografien gesucht. Eine Etage tiefer werden bereits die Fenster abgelichtet und das Taufbecken vermessen. Der Tabernakel wird geöffnet, um einen ersten Blick auf die Monstranz zu werfen. Der Schrank mit den Paramenten in der winzigen Sakristei wird inspiziert – sind hier historisch wertvolle Kaseln zu finden oder handelt es sich um neue „Katalogware“? In der eisigen Höhe des Turms sind derweil zwei Mitarbeiter:innen die enge Wendeltreppe hinauf unter das Dach gestiegen, wo noch eine Jesus- und eine Aloisius-Skulptur neben dem Stromkasten stehen. Pragmatisch muss man hier sein, um in der Enge ein brauchbares Foto zu produzieren. Viele Stunden werden Datierungen und ikonographische Zuordnungen diskutiert.

JETZT beenden wir die Inventarisierung in der Gemeinde St. Lambertus. Im neuen Jahr zieht das Team der ACHRIBI weiter. Die jeweiligen Gemeinden erhalten rechtzeitig eine Vorankündigung per Brief mit der Bitte, ihre Schatztruhen schon hervorzuziehen und Wissen sowie eventuell vor Ort gesammelte Literatur darüber zusammenzutragen. Im Sinne von citizen science beziehen wir schon vorhandene Informationen gerne ein. Die Ergebnisse werden den Gemeinden als gebundene Inventare überreicht. Ausgewählte Datensätze zu besonderen Stücken sollen zu einem späteren Zeitpunkt für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt und der Öffentlichkeit in virtuellen Ausstellungen präsentiert werden. So können die Geschichten der Objekte neu erzählt werden.

In den nächsten Jahren werden dafür 150.000 Objekte durch die Hände der Mitarbeiter:innen und deren Kameralinsen wandern. Ein ehrgeiziges Vorhaben, was nur durch die Unterstützung in den Pfarreien vor Ort gelingen kann. Das Team der ACHRIBI freut sich, die Schätze gemeinsam neu zu entdecken!

Zur Berichterstattung der Westfälischen Nachrichten