© Mia Breulmann

Nachlese zu „Aufgeblättert.“ 

Am vergangenen Freitag (17.11.2023) hieß es in der Studiobühne der Universität „Aufgeblättert“!

Vor über 40 Gästen stellte die Germanistin und Sprecherzieherin Julia Neumann gemeinsam mit Vorleser:innen (mehrheitlich Studierende der Sprecherziehung) literarische Neuerscheinungen vor. Eine große Bandbreite unterschiedlicher Titel der aktuellen deutschsprachigen Belletristik hatten es auf ihre subjektive Auswahlliste geschafft, darunter mehrere Debütromane jüngerer Autor:innen sowie Titel, die in den vergangenen Wochen intensiv in den Feuilletons zum Bücherherbst besprochen und teilweise auch für den Deutschen Buchpreis 2023 nominiert worden waren. Die ausdrucksstark von den Studierenden vorgetragenen Lesungen der ausgewählten Textpassagen verfehlten ihre Wirkung nicht: Das Publikum schmunzelte hier, schluckte ergriffen da. Zu jedem Werk gab die Dozentin eine fachkundige Einordnung. Mancher Gast nahm im Anschluss direkt vom Büchertisch der kooperierenden Buchhandlung Schatzinsel den attraktivsten Lesestoff mit nach Hause. „Nächstes Jahr bitte wieder!“, hörte man aus allen Reihen – des Publikums wie auch der Vorleser:innen, und auch die „Schatzinsel“ ist gern wieder mit dabei. 

© Claudia Altrock

„Hattrick“: Julian Diepolder gewinnt den Internationalen Rezitations-wettbewerb „Ingeborg Bachmann“ 2023

Den mit 1.000 Euro dotierten 1. Preis der Jury beim von der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur unterstützten Internationalen Rezitationswettbewerb 2023 erhält Julian Diepolder. Den 2. Preis erringt Fiona Haselgruber, den 3. Preis Lucienne Leonie Wilkes. Die beiden ersten Preisträger sind Studierende der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart (HMDK), Lucienne Leonie Wilkes studiert Sprechwissenschaft in Halle/Saale. Julian Diepolder gelingt etwas, was in diesem seit 1990 existierenden Wettbewerb ein Novum darstellt: Es ist sein dritter Preis der Jury in drei Jahren, sozusagen ein Hattrick.
18 Studierende aus ganz Deutschland traten zum Wettstreit in freund-schaftlicher Stimmung an. Sie werden alle an für die Sprechkunst wichti-gen Institutionen ausgebildet, u.a. an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch (Berlin), der Berufsfachschule für Atem-, Sprech- und Stimm-lehrer (Bad Nenndorf), der Abteilung Sprechwissenschaft und Phonetik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sowie der HMDK Stuttgart.
Für die Teilnehmenden ging es vor der Jury in der Studiobühne der Universität Münster um Ausdrucksstärke und stimmlich-sprecherische Modulationsfähigkeit, gezeigt an eigens erarbeiteten Sprechfassungen selbst ausgewählter Gedichte Ingeborg Bachmanns. Es ging um die hörbare Berücksichtigung der Vorgaben in den Texten (Perspektive, Struktur, Rhythmus, Stimmung) sowie um eine erkennbare Deutung und deren glaubwürdige eigenständige Präsentation. Dies alles bei gezielt eingesetztem Sprech- und Körperausdruck, der die Rezitation als eigenständige Kunstform erkennbar macht und sich stilistisch von der Deklamation und vom Schauspiel abhebt.

Das Gedicht „Reklame“ aus dem Jahr 1956 war allen Studierenden als Vergleichstext vorgegeben. Dieser zweistimmige Text lässt sich, das bewiesen die ganz unterschiedlich gestalteten Rezitationen, in sehr vielen schlüssigen, dabei teils gegensätzlich erscheinenden Varianten sprechen.
Nachdem alle Teilnehmenden am Nachmittag vor der Jury aufgetreten waren und diese ihre Preisträger festgelegt hatte, fanden Bekanntgabe und Ehrung erst gegen Ende des öffentlichen Publikumsabends statt, durch den Dr. Andrea Kresimon (Universität Münster, Centrum für Rhetorik, Lite-raturwissenschaftlerin und Bachmann-Kennerin) führte. Das Publikum des öffentlichen Rezitationsabends durfte wie üblich vorher noch seinen eigenen Preis in Höhe von 200 Euro vergeben.
Ein fast leerer oder ein gut gefüllter Zuschauerraum, eine Fachjury oder ein interessiertes Publikum – das macht bei Live-Auftritten stets einen Unter-schied. Und so konnte Amelie Schmidt von der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch (Berlin) den Publikumspreis durch einen stellenweise leisen, nuancierten, dabei stets eindringlichen und insgesamt überzeugenden Auftritt erringen. Wo bewährt man sich mit seiner Sprechkunst am bes-ten, wenn nicht vor dem Publikum? Und so ist auch der Publikumspreis kaum hoch genug einzuschätzen.