Religionsunterricht auf dem Prüfstand

Evangelischer und katholischer Theologe über konfessionsgebundenen Unterricht

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Prof. Dr. Hans-Georg Ziebertz und Prof. Dr. Bernhard Dressler (v.l.)

Über die Ausrichtung des konfessionellen Religionsunterrichts an Schulen haben der katholische Theologe Prof. Dr. Hans-Georg Ziebertz aus Würzburg und der evangelische Theologe Prof. Dr. Bernhard Dressler aus Marburg am Exzellenzcluster diskutiert. Der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen sei zwar durch das Grundgesetz abgesichert, werde aber politisch immer stärker hinterfragt, sagten beide Referenten in der Veranstaltung der Reihe „Streitgespräche über Gott und die Welt“. Wie stark der Religionsunterricht heute noch konfessionell gebunden sein soll, sahen die Wissenschaftler mit Blick auf eine wachsende religiöse Vielfalt in der Gesellschaft unterschiedlich.

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Ton-Mitschnitt der Diskussion

Der Religionsunterricht sei immer wieder Thema politischer Debatten, so der katholische Theologe Prof. Ziebertz. Eine Reihe von laizistischen, atheistischen und humanistischen Gruppen setze sich für eine neutrale Religionskunde statt des konfessionsgebundenen Unterrichts ein. Umso mehr sei der Religionsunterricht gegenüber dieser kritischen Öffentlichkeit kontinuierlich plausibel zu begründen.

Allerdings wird es nach Einschätzung von Prof. Ziebertz immer schwieriger, den Wunsch der Kirchen, insbesondere der katholischen, zu erfüllen, den Unterricht stark auf die Vermittlung des christlichen Glaubens auszurichten und durch eine solche katechetische Ausrichtung die fehlende religiöse Erziehung in Familien auszugleichen. Empirische Studien hätten ergeben, dass der Religionsunterricht damit überfrachtet werde: „Schüler wünschen sich nach unseren und anderen Erhebungen, dass der Religionsunterricht über alle Religionen informiert, in einer objektivierenden Weise, und dass er nicht auf Glaubensvermittlung abzielt.“ Die meisten Jugendlichen brächten kaum Vorwissen über Religionen mit und hätten keinen Bezug zu Kirchengemeinden. Insofern sei damit zu rechnen, dass sich in der Praxis allmählich ein offenerer Religionsunterricht mit interreligiöser Perspektive etabliere.

Ein „religiöses Esperanto“?

Der evangelische Theologe Prof. Dressler sprach sich gegen eine Religionsvermittlung im Sinne einer neutralen Religionskunde aus, die einem „religiösen Esperanto“ gleichkomme. „Gute religions- und lerntheoretische Gründe sprechen dafür, das Fach weiterhin aus der Perspektive einer bestimmten Religion zu vermitteln.“ Religionsunterricht ziele auf die Fähigkeit ab, sich in der sozialen Wirklichkeit von Religionen als kulturelle Praxis zurechtzufinden. Das sei umso wichtiger, als Jugendliche mit einer zunehmenden religiösen Pluralität konfrontiert würden, die Fragen über die Glaubenssätze ihrer eigenen Religion aufkommen ließen und damit auch die Anfragen an die konfessionelle Gestalt des Religionsunterrichts verschärften. In der Gesellschaft der Moderne gebe es kein einigendes Band mit Blick auf Werte und Weltanschauungen mehr. In der Pluralität der Weltzugänge sei Religion ein wichtiger Teil der Allgemeinbildung. „Zur Allgemeinbildung gehört nicht nur pragmatisches Wissen und ein naturwissenschaftlicher Zugang zur Welt, sondern auch die Beschäftigung mit existentiellen Fragen. Das kann ein konfessionsgebundener Religionsunterricht leisten.“

Plakat der Reihe „Streitgespräche über Gott und die Welt“

Plakat

Moderator der Diskussion mit dem Titel „Religion und Bildung“ war der Religionssoziologe Prof. Dr. Detlef Pollack vom Exzellenzcluster. Das nächste Streitgespräch am Dienstag, 8. Juli, befasst sich mit dem Thema Friedensethik. Zum Abschluss der öffentlichen Reihe diskutieren der evangelische Theologe Prof. Dr. Wolfgang Lienemann aus Bern und der Grünen-Politiker und Experte für Friedenspolitik Winfried Nachtwei. Die Moderation übernimmt der Sozialethiker Prof. Dr. Karl Gabriel vom Exzellenzcluster. Die Streitgespräche sind dienstags von 18.15 bis 19.45 Uhr in Hörsaal F1 im Fürstenberghaus am Domplatz 20-22 in Münster zu hören, am Platz der regelmäßigen Ringvorlesung des Exzellenzclusters „Religion und Politik“.

In der Reihe „Streitgespräche“ diskutierten seit April je ein Theologe und ein Nicht-Theologe aktuelle Themen wie Hirnforschung, Wirtschaftsethik, Friedenspolitik oder das Miteinander der Religionen und ihr Verhältnis zum Atheismus. Das Format trägt den Untertitel „Disputationen zwischen Theologie, Natur- und Gesellschaftswissenschaften“. Es handelt sich um eine Kooperationsveranstaltung mit der Evangelisch-Theologischen Fakultät der WWU zu deren 100-jährigem Bestehen. (bhe/vvm)