Neujahrsempfang der Westfälischen Wilhelms-Universität

Zwei Angehörige unserer Fakultät erhielten Auszeichnung

Am Freitag, 9.1.2015, fand der Neujahrsempfang der Westfälischen-Wilhelms Universität Münster statt.  In diesem Jahr wurden gleich zwei Angehörige unserer Fakultät mit einem Preis geehrt.

Frau Dr. Julia Lis erhielt einen Dissertationspreis, Herr Stephan Orth wurde für sein ehrenamtliches Engagement in der Bewegung "Münster gegen Pegida" ausgezeichnet.
Wir gratulieren herzlich!

Weitere Informationen zum Neujahrsempfang der WWU gibt es hier.


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Dr. Julia Lis erhielt einen Dissertationspreis

„Antiwestliche Diskurse in der serbischen und griechischen Theologie. Zur Konstruktion des ‚Westens‘ in den Schriften Nikolaj Velimirovič, Justin Popovič, Christos Yannaras und John S. Romanides“

 

Angesichts der gegenwärtigen Auseinandersetzungen in Süd- und Osteuropa, die auch auf religiöse Wurzeln zurückgehen, hat Julia Lis am Ökumenischen Institut der Katholisch-Theologische Fakultät eine aktuelle und zugleich originelle Studie vorgelegt. Die Arbeit ist insofern von großer Bedeutung, da seitens der orthodoxen Kirchen die Beziehungen zum "Westen" und zu "Europa" immer wieder im Mittelpunkt nicht nur religiöser, sondern auch politischer und gesellschaftlicher Auseinandersetzungen stehen. Die Dissertationsschrift schließt eine Forschungslücke, indem sie eine bisher fehlende explizit theologische Analyse der "Konstruktion des Westens" in Schriften maßgeblicher Autoren der orthodoxen Kirchen leistet. Damit bereichert die Arbeit in wissenschaftlich interdisziplinärer Hinsicht die Forschungen zur Sicht des Westens aus der Perspektive der Orthodoxie um einen theologischen Diskurs. Julia Lis öffnet mit ihrer Arbeit eine Theologiesparte für den wissenschaftlichen Diskurs. Die bislang fast völlig außerhalb des Sichtbereichs des westlichen Theologie- und Philosophiebetriebes liegt. Die Aktualität der Studie, auch im Blick auf die gegenwärtigen Auseinandersetzungen um die Moderne und die Modernisierungsprozesse sowie die Rolle von Religion(en) in diesen Prozessen, kann nicht hoch genug veranschlagt werden.


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Stephan Orth erhielt einen Sonderpreis der Westfälischen Wilhelms-Universität

"Nicht den Glauben an die Menschlichkeit der Menschen verlieren" 
Ein Interview mit Stephan Orth, Begründer der Münster-gegen-PEGIDA-Bewegung
von Sabine Hendler

Stephan, Du bist 22 Jahre, studierst hier an unserer Fakultät in Münster im dritten Semester katholische Theologie und hast Dich zwischen Weihnachten und Neujahr entschieden, dass Du eine Demonstration „Münster gegen MünGIDA/PEGIDA“ organisieren möchtest. Diese Demo hat am Montag, den 5.1. 2015 stattgefunden und hatte einen überwältigenden Zulauf. Nach Schätzung der Polizei haben ca. 10.000 Menschen teilgenommen – damit war es die größte politische Demonstration, die es in Münster je gegeben hat.
Nun wurde Dir für Deinen Mut und Dein Engagement während des Neujahrsempfangs der Universität vom Rektorat ein Sonderpreis der Westfälischen Wilhelms-Universität in Höhe von 1.000€ verliehen um dieses eindrucksvolle Zeichen für Offenheit und Toleranz in der Gesellschaft zu würdigen.
Ich gratuliere herzlich!

Stephan Orth: Danke

Wir sind natürlich interessiert daran, wie das Ganze seinen Anfang nahm. In Münster gab es bislang noch keine Demonstration der MünGIDA- oder PEGIDA-Bewegung. Wie kam es dazu, dass Du diese Demonstration jetzt ins Leben gerufen hast?

Eine befreundete Ratsfrau hat über Facebook die Seite der MünGIDA mit dem Kommentar „Oh ne, jetzt sind die auch schon in Münster angekommen“ geteilt. Auf der Seite der MünGIDA habe ich einen Kommentar zu einem Flüchtlingsheim in Bonn gelesen, in dem man aus Solidarität mit Andersgläubigen kein Weihnachten gefeiert hat. Der Kommentar lautete sinngemäß: „In meinem Deutschland wird Weihnachten gefeiert. Wem das nicht gefällt, der soll nach Hause schwimmen.“ Angesichts der Lampedusa-Problematik und der Tatsache, dass die Menschen ja nicht ohne Grund kommen, sondern von Hunger, Gewalt und Krieg bedroht sind, dachte ich – gerade als Theologiestudent -  wenn gleichzeitig Weihnachten genannt wird: Was feiern die denn hier: Weihnachten oder Gewohnheit?
Das war der ausschlaggebende Punkt. Doch erstmal stand eine Demonstration gar nicht im Raum, weil ich keine Wasser auf die Mühlen der MünGIDA schicken wollte. Aber als mich über Weihnachten mehrere Zuschriften erreichten, dachte ich, dass man nicht nur als Reaktion auf die Straße gehen soll, sondern vielmehr der guten Sache einen eigenen Raum bieten sollte. Und dann habe ich die Demo angemeldet.
Durch Silvester und Neujahr blieben ja nur wenige Tage zur Organisation. Als ich dann hörte, dass ich für die Bühne und Technik 2.000 € bezahlen müsste, habe ich noch versucht, mit einer kleineren Bühne und weniger Technik Geld zu sparen. Die ursprüngliche Planung sah vor, sich am Rathaus zu treffen, dort die Reden zu halten und dann zum Dom zu gehen, wo die Religionsvertreter sprechen und eine Mahnwache und Schweigeminute stattfinden sollten.  Doch eine mobile Bühne war teurer und fiel somit weg. Eine feste Bühne konnten wir aus Platzgründen jedoch nur am Domplatz aufstellen. Daher änderten wir den Ablauf der Demo nochmal.

Planst Du nun schon die nächste Demonstration?

Ja, denn ich habe erfahren, dass die MünGIDA eine Demonstration am 30.1. planen und daher habe ich eine Gegendemo per facebook angekündigt. Nächsten Freitag treffen wir uns zum Brainstorming in der Zukunftswerkstatt, um die weitere Planung zu überlegen. Da die andere Demo aber noch nicht angemeldet ist, haben wir unsere auch noch nicht angemeldet. Ich war trotzdem ganz froh zu sehen, dass wir schon innerhalb von 10 Minuten über 100 Zusagen per Facebook hatten.
Auch bei der nächsten Demo ist mir ganz wichtig: Von uns geht keine Gewalt aus - das hat man ja auch am Montag gesehen. Wir sind nicht gewaltbereit, wollen auch keine Schmährufe mit der anderen Demonstration. Wir möchten weder links- noch rechtsextreme Gewalttäter, denn es ist völlig egal, aus welcher Richtung Gewalt gegen andere Menschen kommt, diese ist nie gerechtfertigt.
Wir wollen mit unserer Demonstration ein Statement setzen und Grenzen ziehen, denn wir akzeptieren weder rechtsradikales noch menschenfeindliches Gedankengut.
In Dresden gehen so viel Menschen auf die Straßen und rufen mit Deutschlandflaggen: „Wir sind das Volk!“ und haben Angst vor kultureller Überfremdung, haben Angst vor dem Islam und haben vor allen möglichen Sachen Angst. Das ist so unmittelbar. Jeder Mensch hat Ängste, die dürfen aber nicht auf Kosten unschuldiger Menschen ausgetragen werden. Pauschal zu sagen, alle Menschen, die an Allah glauben sind grundsätzlich alle gewalttätig, das stimmt einfach nicht und wird der Sache nicht gerecht.

Du hast Dich ja im Gegensatz zur MünGIDA-Bewegung persönlich sehr bekannt gemacht. Du stehst mit Deinem Namen im Impressum der Facebook-Seite, Du bist mit Deinem Gesicht im TV zu sehen und stehst als nun bekannte Person hinter „Münster gegen MünGIDA/PEGIDA“. Hast Du Sorge, dass Dir etwas passieren könnte?

Nein. Der Preis der Freiheit  ist immer, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt. Das ist aber auch nichts Schlimmes, damit muss man lernen umzugehen. Das kennt man ja auch aus anderen Lebensbereichen. Jeder, der mal ein bisschen gelebt hat und nicht nur zu Hause behütet aufwächst, weiß, dass es auch anders kommen kann als man denkt. Das Leben ist einfach nicht straight planbar. Ich habe da keine Angst.
Ich bin auch bei Amnesty aktiv - den Urgent Actions - wo sogar extra Gesicht gezeigt wird. Wenn man eine Meinung hat, hat man eine Meinung und ist dennoch Mensch. Es geht natürlich um die Meinung, doch die persönliche Ebene ist auch wichtig, um Menschen zu erreichen; man muss die Menschen auch persönlich packen.
Zudem kommt, dass für jede öffentliche Seite im Internet – auch bei Facebook –  rechtlich eine Impressumspflicht  vorgesehen ist. Und ich verstehe nicht, dass geduldet wird, dass die MünGIDA-Seite kein Impressum angibt. Das finde ich auch feige. Wenn jemand diese Ansichten trägt, sollte er auch dazu stehen. Wenn er nicht dazu steht, ist der Grund vielleicht, dass er schon merkt, dass es erstens unbeliebt ist und zweitens vielleicht auch nicht so ganz richtig.

Du bist sehr engagiert: bei den Grünen, bei der Jugendkirche effata, bei Amnesty International. Nun noch die Gegen-PEGIDA-Bewegung. Hängt das auch mit Deinem Theologiestudium zusammen?

Ich finde Politik interessant, Sozialwissenschaften interessant, Medien sehr interessant – die Gruppe, die ich bei Amnesty leite, ist ja eine Mediengruppe. Das ist alles schön und gut und interessant aber da muss ja mehr sein. Da sind Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, die man vielleicht nicht immer begreift. Man erforscht Dinge, die irgendwie da sind und man setzt voraus: Das ist so. Und dahinter wird nicht mehr gedacht. Und darum geht es mir: Dinge auch mal zu hinterfragen, Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen. Ich will weiterdenken, hinter die Dinge sehen.
Ich habe das Gefühl, dass  Jesus einen sehr guten und liebevollen Charakter hatte und jemand war, der bei den Menschen war, mit ihnen mitgegangen ist und ihnen aber auch Grenzen aufgezeigt hat. Jesus ist derjenigen, der als Gott den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Und darum ist es mir so wichtig, mich für andere Menschen einzusetzen – auch wenn es vielleicht nicht immer hundertprozentig gelingt.

Was möchtest Du Deinen Mitmenschen  - insbesondere Deinen Kommiliton_innen  - mit auf den Weg geben?

Lasst euch nicht kleinmachen von anderen Leuten. Man kann was machen. Das ist Arbeit und manchmal gehören auch schlaflose Nächte dazu, aber wenn man an die Sache glaubt, dann muss man dafür kämpfen.
Das hier ist eine wichtige Sache. Viele Dinge schockieren mich und ich bin ganz betroffen von dem Anschlag in Paris. Aber alle schlimmen Dinge die passieren, dürfen nicht zur Folge haben, dass wir den Glauben an die Menschlichkeit der Menschen verlieren.
Es gibt Dinge, für die sich es immer lohnt zu kämpfen, und dann sollte man dafür auch kämpfen. Zwar reflektiert und selbstkritisch aber man sollte dafür da sein.

Danke für das Gespräch!

Weitere Informationen zu Münster gegen Pegida:

Zurzeit abgeschlossen, aber falls wieder Spenden benötigt werden: Crowdfunding im Internet.
Hier finden Sie die Facebook-Seite von Münster gegen Pegida.
Freitag, 16.1.2015: Brainstorming für die nächste Demonstration in der Zukunftswerkstatt in der Schulstraße.