Mesonenproduktion nahe der Erzeugungsschwellen
Die Produktion von Mesonen und Mesonenpaaren in elementaren Proton-Proton-, Proton-Neutron- sowie in Proton-Deuteron-Stößen steht im Mittelpunkt der
Forschungsaktivitäten dieser Arbeitsgruppe. Motiviert werden derartige Messungen durch die Tatsache, dass die relevanten Produktionsmechanismen und deren
relative Stärke weitestgehend unverstanden sind, obwohl die Mesonen, die Gegenstand der Untersuchungen sind, schon seit längerem bekannt sind.
Darüber hinaus wird die Struktur einiger dieser "bekannten" Mesonen auch heute noch kontrovers diskutiert, so dass Studien zu deren Produktion einen wichtigen
Beitrag zur Beantwortung vieler offener Fragen liefern können. Von besonderem Interesse sind dabei Untersuchungen nahe der Erzeugungsschwellen der Mesonen,
da aufgrund der geringen Relativimpulse der Ejektile deren Endzustandswechselwirkungen besonders ausgeprägt sind und somit effizient untersucht werden
können. Ein weiterer wichtiger Aspekt dieser Messungen ist die Möglichkeit, Produktionsmechanismen detailliert untersuchen zu können, da, bedingt
durch die geringen Impulse der auslaufenden Teilchen im Schwerpunktsystem, höhere Partialwellen stark unterdrückt sind und somit sehr saubere
kinematische Bedingungen vorliegen. Die beschriebenen Studien stellen hinsichtlich der experimentellen Durchführung eine große Herausforderung dar. Da
die Produktionswahrscheinlichkeiten nahe der Produktionsschwellen stark energieabhängig sind und direkt an der Schwelle verschwinden, werden sowohl an die
Qualität des Beschleunigerstrahls als auch des verwendeten Targets höchste Anforderungen gestellt, um Präzisionsdaten zu erhalten. Am
Forschungszentrum Jülich wurde für derartige Experimente das Protonensynchrotron COSY aufgebaut, welches Protonen auf Impulse bis etwa 3.7 GeV/c
beschleunigen kann. Die Güte des Beschleunigers äußert sich unter anderem in der hohen Impulsschärfe des beschleunigten Protonenstrahls,
welche durch den Einsatz einer stochastischen Strahlkühlung erreicht wird. Die Experimente COSY-11 und ANKE, an denen unsere Arbeitsgruppe aktiv beteiligt ist,
stellen zwei Installationen am internen COSY-Protonenstrahl dar, welche für die Durchführung der zuvor beschriebenen Experimente optimiert sind. Die in
beiden Experimenten verwendeten Clusterstrahltargets wurden im Institut für Kernphysik der Universität Münster speziell für den Einsatz in
derartigen Experimenten entwickelt und optimiert. Bei derartigen Targets wird ausgenutzt, dass Gase wie z. B. Wasserstoff oder Deuterium Cluster bilden können,
wenn sie unter hohem Druck (etwa 17 bar) und niedrigen Arbeitstemperaturen (etwa 30 K) durch enge Laval-Düsen mit Durchmessern von etwa 16 μm
strömen. Separiert man diese Clusterstrahlen vom umgebenden Gasstrahl, erhält man einen idealen Targetstrahl, der sich geradlinig in einer Vakuumkammer
unter Beibehaltung von UHV-Bedingungen ausbreiten kann. Sowohl das Design als auch die Betriebsparameter dieser Targetinstallationen wie Grösse der
verwendeten Düsen, Gasdruck und Düsentemperatur stützen sich auf Ergebnisse, die in Münster in umfangreichen Studien an einem
Test-Clusterstrahltarget gewonnen wurden. Darüber hinaus werden weitere detaillierte Untersuchungen zur Optimierung von Clusterstrahltargets
durchgeführt, mit dem Ziel, Clusterquellen mit maximalen Targetstrahldichten für zukünftige Beschleunigerexperimente zu entwickeln.
Schwerpunkt der Untersuchungen unserer Arbeitgruppe im Rahmen des COSY-11 Experiments stellen Messungen zur Produktion von η- und η'-Mesonen dar. In elementaren
Proton-Proton-Streuexperimenten konnten bei verschiedenen Überschußenergien totale und differentielle Wirkungsquerschnitte bestimmte werden, die die
Lücke zwischen bisher verfügbaren Datensätzen bei sehr niedrigen bzw. bei hohen Anregungsenergien schließen. Mit Hilfe dieser Daten konnte
die Beobachtung gefestigt werden, dass der ppη'-Endzustand im Energiebereich von der Erzeugungsschwelle bis hinauf zu einer Überschußenergie von
etwa 150 MeV wesentlich von der Nukleon-Nukleon-Endzustandswechselwirkung dominant bestimmt wird, während Effekte der η'-Proton-Wechselwirkung
unterhalb der Nachweisgrenze liegen. Dieses Ergebnis weicht damit deutlich von entsprechenden Messungen zur η-Mesonenproduktion im pp-Stoß ab, wo eine
starke Meson-Nukleon-Wechselwirkung beobachtet wird. Um detaillierte Informationen über diese Wechselwirkung zwischen η-Mesonen und Kernmaterie zu
erhalten, wurden Messungen zur Produktion von μ-Mesonen in Proton-Deuteron-Stößen durchgeführt, welche derzeitig analysiert werden und
quantitative Rückschlüsse auf die Stärke der Wechselwirkung zulassen.
Im Rahmen des Experiments ANKE an COSY lag ein Schwerpunkt der Arbeitsgruppe in der Durchführung von Experimenten zur η-Mesonenproduktion in
Proton-Neutron-Streuexperimenten. Als Neutronentarget diente dabei ein Deuteronentarget in Form eines Deuterium-Clusterstrahls, wobei Reaktionen selektiert wurden,
bei denen das Proton des Deuterons nur als Zuschauer ("Spectator") agierte und somit die quasifreie pn-Streuung untersucht werden kann. Darüber hinaus wurden in
Ergänzung der Studien an COSY-11 nun auch Messungen an ANKE zur η-Mesonenproduktion in Proton-Deuteron-Stößen vorbereitet. Diese
Messungen wurden im Frühjahr 2005 durchgeführt und werden aktuell analysiert.
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