Nichtlineare Systeme und Strukturbildung (Prof. Dr. H.-G. Purwins)
Musterbildung in gleich- und wechselspannungsgetriebenen Gasentladungssystemen
Gleich- und wechselspannungsgetriebene Gasentladungssysteme mit hochohmiger bzw. dielektrischer
Barriere eignen sich in idealer Weise sowohl für die Untersuchung selbstorganisierter Strukturen in
Plasmasystemen als auch für die Erforschung allgemeiner Gesetzmäßigkeiten der
Strukturbildung in der Natur. Wegen der großen technischen Bedeutung von Systemen der Plasmaphysik
ist das Verständnis der genannten Strukturen auch von erheblicher Bedeutung für die Anwendung.
Im Mittelpunkt der Arbeiten stand die experimentelle und theoretische Untersuchung planarer
gleichspannungsgetriebener Systeme mit einer Halbleiter- und einer metallischen Elektrode und
wechselspannungsgetriebener Systeme mit planparallelen dielektrischen Barrieren. Selbstorganisierte Strukturen
werden mit Hilfe schneller Kameras durch die metallische Elektrode hindurch über die Leuchtdicht
gemessen, welche im Wesentlichen lokal proportional zur Stromdichte im Entladungsraum ist. Von
besonderem experimentellen Interesse waren die in der Entladungsebene beobachteten wohl definierten
lokalisierten solitäreren Strukturen mit teilchenhaftem Verhalten, welche als dissipative Solitonen
bezeichnet werden. Diese teilchenartigen Objekte können miteinander, mit dem Rand und mit
Inhomogenitäten wechselwirken und als ganzes erzeugt und vernichtet werden. Die Wechselwirkung
dissipativer Solitonen führt auch zu Strukturen höherer Komplexität. Experimentell Beispiele
dafür sind "Moleküle", "feste" Phasen, "flüssige" Phasen, "gasförmige" Phasen,
Ketten, Netze und viel weitere Muster. Zusätzlich kann auch die Ausbildung nichtfilamentärer
Strukturen, z.B in der Form von Streifen, Hexagonen, Zielscheibenmuster und Spiralen beobachtet werden.
Höhepunkte der Arbeiten ist der erstmalige
experimentelle Nachweis folgender von uns theoretisch vorausgesagter Phänomene: Existenz des
Überganges von ruhenden dissipativen Solitonen zu laufenden Teilchen (Drift-Bifurkation) und die
Wechselwirkung dissipative Solitonen über oszillierende Ausläufer. Die Entdeckung
selbstorganisierter Voronoi-Diagramme und der experimentelle Nachweis für die Bedeutung der
Oberflächenladungen auf der hochohmigen Halbleiterschicht sind weitere wichtige Ergebnisse.
Zudem wurden erste vielversprechende
Ansätze theoretischer Art erarbeitet, um die experimentell beobachteten Strukturen mit Hilfe von
gasentladungsspezifischen Transportgleichung zu beschreiben. Eine grobe qualitative Beschreibung vieler
experimenteller Beobachtungen gelingt mit der unter "Universelles Verhalten selbstorganisierter Strukturen in
nichtlinearen dissipativen Systemen" aufgeführten nichtlinearen Reaktions-Diffusions-Gleichung. Eine
genauere Beschreibung erfordert die Anwendung gasentladungsspezifischer Modelle, z.B. vom
Drift-Diffusions-Typ. Auf diesem Hintergrund entwickeln wir systematisch Vereinfachungen in der Form von
Reaktions-Diffusions-Gleichungen. Die Resultate können mit dem Experiment direkt verglichen
werden.
Bei allen Arbeiten wird größter
Wert auf den engen Zusammenhang zwischen Experiment, Modellierung sowie mathematischer und numerische
Behandlung der Modellgleichungen gelegt.
Zusammenarbeit:
Drittmittelgeber:
Beteiligte Wissenschaftler:
Veröffentlichungen:
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