Sportpsychologie (Prof. Dr. B. Strauß)
Psychische Bedingungskonstellation des Unfallgeschehens im Sportunterricht
Schüler und Schülerinnen verletzten sich in scheinbar unauffälligen Situationen immer wieder im Sportunterricht. Dies passiert vornehmlich in den
Ballsportarten, wenn leichte Aufgaben in Spielsituationen erprobt werden. Es sind gute und motivierte SchülerInnen. In den Eigenaussagen und den
Einschätzungen der LehrerInnen lassen sich die Unfälle mit einem Fehlverhalten der SchülerInnen erklären (z. B. Unkonzentriertheit). Bislang
hat sich die Unfallforschung primär mit den äußeren Rahmenbedingungen befasst. Es fehlt aber eine differenzierte Analyse der psychischen
Bedingungskonstellationen des Unfallgeschehens. Dies beinhaltet zum einen den direkten Vergleich mit SchülerInnen, die sich nicht verletzten und den
Verhaltensweisen direkt vor dem Unfallgeschehen. Ausgangspunkt dieser Studie sind die Annahmen, dass ursächlich für den Unfall eine unrealistische
Selbsteinschätzung, ein niedriges Kohärenzgefühl und das Bedürfnis nach Risikoerleben ist. Dies geht einher mit einem geringen
Sicherheitsverhalten der SchülerInnen. Es sind danach die selbstbewussten, über ein niedriges Kohärenzgefühl verfügenden,
risikosuchenden SchülerInnen, die zudem ein geringes Ausmaß an Sicherheitsverhalten zeigen, die potentiell unfallgefährdet sind. Erstmalig
wird daher ein längsschnittliches Design bei eine großen Stichprobe unter Zuhilfenahme von videotechnisch aufbereiteten Unterrichtssequenzen eingesetzt. Es
werden 2500 Schülerinnen der 7. und 8. Klasse an Hauptschulen und Gymnasien in einem Zeitraum von zwei Jahren monatlich untersucht. Es werden Unfälle
und Beinahe-Unfälle in die Datenerhebung miteinbezogen. Dabei versteht man unter Beinahe-Unfällen, Ereignisse, die nicht zu Verletzungen geführt
haben. Zum einen besteht die Möglichkeit eines direkten Vergleichs von UnfallschülerInnen, SchülerInnen die beinahe einen Unfall gehabt hätten
und jenen ohne Unfall sowohl direkt vor als auch nach dem Unfallgeschehen. Es können Veränderungen im psychologischen Profil (Selbstkonzept,
Risikoerleben usw.) identifiziert werden. Anhand der Videos können zum anderen erstmalig Unterschiede in den Verhaltenseinschätzungen der
SchülerInnen untersucht werden.
Für die Unfallprävention hat
dies den großen Vorteil, dass nicht nur auf äußere Rahmenbedingungen geachtet wird, sondern das erstmalig auch interne Prozesse analysiert werden.
Prozesse die auf der Verhaltensebene sichtbar werden. Somit können in Zusammenarbeit mit den LehrerInnen Interventionsmaßnahmen abgeleitet werden, die
direkt bei den SchülerInnen ansetzen.