Molekulare Psychiatrie
Neuroplastizität
In der Entstehung psychotischer Erkrankungen (Schizophrenien, affektive Psychosen) spielen neben genetischen Faktoren auch Umweltfaktoren eine wichtige Rolle. So
finden sich Hinweise darauf, dass im Gehirn Betroffener subtile chronisch entzündliche Vorgänge ablaufen, die sowohl funktionelle wie morphologische
Veränderungen verursachen können. Es wird angenommen, dass den entzündlichen Vorgängen akute Infektionen, die Aktivierung eines slow
virus und/oder Autoimmunreaktionen zugrunde liegen könnten. Dies führt zu einer Aktivierung der Mikroglia und Ausschüttung von
proinflammatorischen Zytokinen. Die Entzündungsreaktion ist jedoch derart, dass es nicht zu massiven Zelluntergängen kommt mit der Folge einer
gliösen Narbenbildung. Vermutlich werden stattdessen Apoptosemechanismen in Gang gesetzt, die zu einer Rarifizierung von Dendriten und Synapsen und zu einer
Schrumpfung der Neurone führen.
Im Zentrum des Interesses steht die Funktionsweise
des astrozytären Proteins S100B. S100B fördert konzentrationsabhängig neurodegenerative oder -regenerative Mechanismen. Mikromolare in vitro
Konzentrationen fördern die Differenzierung von Neuronen und Astroglia, beschleunigen Alterungsprozesse und degenerative Mechanismen. Nanomolare
Konzentrationen hingegen unterstützen die Proliferation von Neuronen und damit die Ausbildung von Dendriten und Synapsen.
In primären hippocampalen Zellen der Ratte konnten wir zeigen, dass S100B in Konzentrationen zwischen 0,02 ng/ml und 200 ng/ml einen neuroprotektiven Effekt
entfaltet. Dieser Effekt wird nur wirksam, wenn IκBα degradiert wird. Außerdem wurde deutlich, dass S100B NF-κB auf einem vom
RAGE-Rezeptor unabhängigen Weg induziert.
Die Ergebnisse fanden Eingang in klinische Studien mit an einer schizophrenen oder affektiven Psychose erkrankten Patienten. Es konnte gezeigt werden, dass
insbesondere schizophrene Patienten mit führender Negativsymptomatik (kognitive Störungen, Affektverflachung, sozialer Rückzug) eine
erhöhte Konzentration dieses gehirnspezifischen Proteins S100B in Liquor und Serum aufweisen. Unter standardisierten Therapiebedingungen zeigten Patienten mit
erhöhten S100B-Konzentrationen einen verzögerten Therapieverlauf.
In der Gruppe der depressiven Störungen
fand sich eine S100B-Erhöhung lediglich bei melancholisch (endomorph) Depressiven, während Patienten mit nicht-melancholischen Depressionsformen
normale S100B-Werte aufwiesen. Dabei stellte S100B klinisch einen maßgeblichen Faktor in Bezug auf die Therapieresponse der melancholisch Depressiven dar.
Patienten mit erhöhten S100B-Konzentrationen zeigten im Therapieverlauf eine Normalisierung der in der Akutphase pathologischen ERP-Muster, während
bei Patienten mit normalen S100B-Konzentrationen die pathologischen ERP-Muster auch in psychopathologischer Remission fortbestanden.
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