Experimentelle Nephrologie
Rolle der kleinen, leucinreichen Proteoglycane: Decorin und Biglycan, bei renaler Inflammation und
Fibrose
Zentrales Anliegen unserer wissenschaftlichen Vorhaben ist die Untersuchung der kleinen, leucinreichen
Proteoglycane (Small Leucine-rich Proteoglycan: SLRP), denen man bislang als Komponenten der
extrazellulären Matrix primär Funktionen bei der Assemblierung und Organisation verschiedener
Matrixbetandteile zugedacht hat. Wir postulieren hingegen, dass SLRPs durch Bindung von Zytokinen und
Wachstumsfaktoren sowie durch eigenständiges Signaling zentrale zellbiologische Funktionen, wie
Proliferation, Differenzierung und Apoptose sowie Zellmigration/Infiltration und Neoangiogenese beeinflussen
können.
1. Einfluss von Decorin und Biglycan auf die renale Fibrose Die
beiden Proteoglycane Decorin und Biglycan sind zur Bindung aller TGF-ß-Isoformen befähigt und
beeinflussen dabei in zum Teil noch kontrovers diskutierter Weise die Zytokin-Aktivität. Hinsichtlich der
Expression und Immunolokalisation von Decorin und Biglycan in der normalen Niere (Maus, Ratte, Mensch) fand
sich ein zellspezifisches Expressionsmuster, was dafür spricht, dass jedem dieser Proteoglycane
unterschiedliche physiologische und pathophysiologische Aufgaben zukommen. Durch Untersuchungen zum
Turnover der SLRPs in der normalen Niere konnten wir nachweisen, dass die beiden Proteoglycane
sowohl via Rezeptor-vermittelter Endozytose als auch durch Filtration über die glomeruläre
Basalmembran aus dem Mesangium eliminiert werden. Befunde bei den og. experimentellen Modellen
fibrosierender Nierenerkrankungen wie auch bei menschlichen Glomerulonephritiden und diabetischer Nephropathie
lassen vermuten, dass die antifbrotische Wirkung von Decorin nicht durch eine direkte Inaktivierung von
TGF-ß1, sondern eher indirekt durch Elimination von TGF-ß1 in Form von
Decorin-TGF-ß-Komplexen via Urin und Blutstrom oder durch Sequestrierung des Zytokins in der
mesangialen Matrix durch an Collagen-I gebundenes Decorin zustande kommt.
In einem Modell einer durch Ureterligatur erzeugten interstitiellen Nephritis bei Decorin-defizienten Mäusen
konnten wir nachweisen, dass die renoprotektive Wirkung von Decorin zusätzlich auch durch
TGF-ß-unabhängige Mechanismen vermittelt ist. Bemerkenswerterweise kommt es bei den
ureterligierten Decorin-defizienten Mäusen nicht zu einer permanenten Hydronephrose (wie es bei WT
Mäusen der Fall ist), sondern es entwickelt sich eine Schrumpfniere auf dem Boden einer weitaus schwereren
tubulären Schädigung. Dies war durch Abnahme von p27 KIP1, Überexpression der
Initiator-Caspase-8 und Effektor-Caspase-3 sowie einer hieraus resultierenden erhöhten Apoptoserate
bedingt. In späteren Stadien war TGF-ß1 überexprimiert, und es fand sich eine erhöhte
Synthese von Biglycan und eine deutlich ausgeprägtere interstitielle Infiltration von Makrophagen.
Zusätzlich war die Expression der a1-Kette für Typ-I-Collagen in den atrophischen Decorin-defizienten
Nieren erhöht, der Collagengehalt jedoch erniedrigt. Diese Befunde lassen vermuten, dass Decorin neben der
Modulation von TGF-ß-Aktivität auch eine biologisch wichtige Bedeutung bei der Regulation von
Apoptose, renaler Inflammation und Fibrogenese zukommt.
2. Nitric Oxide (NO) reguliert Biglycan in Mesangialzellen
In
Zusammenarbeit mit Prof. J. Pfeilschifter (Pharmazentrum, Universität Frankfurt) haben wir
überaschenderweise gefunden, dass die Genexpression von Biglycan sowohl in vitro wie auch in vivo in
Mesangialzellen durch NO reguliert wird. Dabei hat Biglycan: i) antiapoptotische Wirkungen, die auf einer
Stimulation der Effector-Caspase-3 beruhen ii) antiproliferative Effekte bei PDGF-BB-stimulierter Proliferation von
Mesangialzellen und iii) antiadhesive Wirkungen auf Mesangialzellen, die durch Bindung von Biglycan an
Typ-I-Kollagen und Fibronectin (nativ, heparinbindente C- oder N-Terminale Domäne und zellbindente
Domäne) entstehen.
Weitere Forschungsziele:
Untersuchungen,
inwieweit Biglycan auch in anderen Zelltypen durch NO reguliert wird (z.B. Makrophagen, Endothelzellen und
tubuläre Epithelzellen).
Überprüfung, welchen
Einfluss Biglycan auf Apoptose, Migration und Infiltration von Makrophagen bei inflammatorischen Prozessen hat.
3. Einfluss von Decorin auf die Neoangiogenese
Bedingt
durch die komplexen Interaktionen, die die Aufklärung der antifibrotischen Wirkungen von Decorin unter
in vivo Bedingungen erschweren, wurde der folgende Teil der Untersuchungen unter Zuhilfenahme eines
in vitro Modells durchgeführt. Als experimentelles System haben wir Endothelzellen gewählt,
die normalerweise kein Decorin exprimieren und erst durch adenovirale Transfektion mit einem Decorin-Gen in die
Lage versetzt wurden, dieses Proteoglycan zu produzieren. In Zusammenarbeit mit Frau Priv.-Doz. E.
Schönherr (Univ. of Wales, Cardiff, UK) fanden wir, dass in einem in vitro Neoangiogenese-Modell
Decorin-exprimierende Endothelzellen im Vergleich zu Kontrollzellen eine geringere Apoptoserate aufweisen, und
dass sie ferner in der Lage sind kapillarähnliche Strukturen in Kollagenmatrices auszubilden. Das Auftreten,
der von Endothelzellen ausgekleideten Hohlräume, war von einer Decorin-vermittelten Induktion und
Aktivierung von Matrix-Metalloproteinasen (MMP-1, MMP-2, MMP-14) begleitet. Die dem Decorin
zugeschriebenen anti-apoptotischen Effekte wurden sowohl über Aktivierung von p21WAF1/CIP1 und
Akt/Protein-Kinase B als auch über p27KIP1 induziert.
Durch in vivo Untersuchungen in einem Neoangiogenesemodell an der Cornea von Decorin-defizienten
Mäusen konnten wir zeigen, dass ein Mangel an Decorin zu einer Verzögerung der
Gefäßneubildung führt, die nicht bei Biglycan- oder Fibromodulin-defizienten Mäusen
beobachtet wurde. Dabei zeigen alle drei Arten von SLRP-defizienten Mäusen Veränderungen der
Architektur der Kollagenfibrillen im cornealen Stroma, die aber die Transparenz der Cornea nicht beeinflussten. In
diesem Modell erwies sich Decorin als potenter Regulator der Neoangioneogenese, während dies für
Biglycan nicht der Fall war.
Weitere Forschungsziele:
Untersuchungen
zum Signalübertragungsweg von Decorin bei Endothelzellen (z.B durch einen Endozytose-Rezeptor oder
Rezeptoren der IGF- bzw. ErbB-Familie).
Therapeutischen Beeinflussung der Gefäßneubildung durch Induktion/Repression von Decorin (in
vivo bei Decorin-defizienten bzw. -überexprimierenden Mäusen und bei Mäusen mit
Endothelzell-selektiver Decorinexpression).
4. Einfluss von Decorin, Perlecan und VEGF auf das
Wachstum von Tumorzellen
In Zusammenarbeit mit Frau Prof.
P. Lemarchand (INSERM E0016) und Prof. R.V. Iozzo (Thomas Jefferson University, Philadelphia) haben wir
festgestellt, dass durch eine adenovirale Tranfektion mit Decorin das Wachstum von Tumorzellen in vitro und in
vivo bei nackten Mäusen erheblich reduziert werden kann. Diese Effekte wurden durch Rezeptoren der
ErbB-Familie und durch p21 vermittelt und betrafen vor allem Proliferation und Apoptose der Tumorzellen. In
Kollaboration mit Prof. J. Couchman (Imperial College, London, UK) arbeiten wir derzeit mit Perlecan- und
VEGF-antisense-Konstrukten bei epidermalen Carcinomen an nackten Ratten, mit dem Ziel durch Inhibition der
Perlecan bzw. VEGF-Synthese Tumorwachstum in vivo zu unterdrücken.
Weitere Forschungsziele:
Identifizierung
derjenigen Signalübertragungswege, die für die von Decorin vermittelten Effekt an Tumorzellen
verantwortlich sind.
Beurteilung des Einflusses von Decorin
auf Endothelzellen und deren Verhalten bei Tumor-bedingter Neoangiogenese.
Drittmittelgeber:
Beteiligte Wissenschaftler:
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