Gastroenterologie
Mechanismen der Proliferation und Metastasierung von Pankreas Adenokarzinomen
Die Invasion und Metastasierung von Tumorzellen erfordert die Auflösung von Zell-Zell-Kontakten und
die Inaktivierung und Internalisierung von Adhäsionsproteinen. In epithelialen Geweben bestehen diese
überwiegend aus E-Cadherin und Proteinen der Catenin-Familie an Adherens Junctions. E-Cadherin
verbindet Zellen über Ca2+-abhängige, homophile Bindungen. Intrazellulär verankern - und
-Catenin den Komplex am Actin-Zytoskelett. Juxtamembran bindet p120-Catenin an E-Cadherin. Die Funktion
von p120-Catenin ist nicht bekannt, neuere Daten zeigen, dass es nicht unmittelbar an der Zelladhäsion,
sondern eher an der Regulation des Komplexes durch Tyrosin-Kinasen beteiligt ist. Nach Internalisierung
können sowohl -Catenin als auch 120-Catenin über die Bindung an Transkriptionsfaktoren und
Translokation in den Zellkern proliferativ wirken. In zahlreichen gastrointestinalen Tumoren ist die Expression
des Cadherin-Catenin-Komplexes durch Mutation oder DNA-Methylierung dereguliert, und in Einzelfällen
konnten Mutationen im E-Cadherin-Gen als ursächlich für das Entstehen des Tumors belegt
werden. Trotz der häufigen Inaktivierung des Cadherin-Catenin-Komplexes in metastasierenden Tumoren
findet sich jedoch im überwiegenden Teil der Metastasen eine normale Expression des
Zell-Adhäsions-Komplexes. Die endogene Aktivität des Cadherin-Catenin-Komplexes wird durch
Tyrosin-Phoshorylierung von E-Cadherin und der Catenine reguliert. Eine Induktion der
Tyrosin-Phosphorylierung durch spezifische Protein-Tyrosin-Phosphatase (PTP) Inhibitoren oder
Wachstumsfaktoren führt zur Inaktivierung des Komplexes und zur Auflösung von
Zell-Zell-Kontakten. Wegen der basalen Aktivität der Tyrosin-Kinasen ist auch eine konstitutive
Aktivität von PTPs erforderlich, um den Cadherin-Catenin-Komplex in seinem aktiven, das heißt
unphosphorylierten Zustand zu halten. Welche Rolle spezifische PTPs bei der Regulation des
Gewebeverbandes von malignen Tumoren oder - bei Störung der Regulation - bei der Metastasierung
dieser Tumoren haben, ist bisher unbekannt. Das Verständnis der Regulation des
Cadherin-Catenin-Komplexes eröffnet neue Ansätze der Kontrolle der Metastasierung nach
Auflösung von Zell-Zell-Kontakten und der Tumorproliferation, verursacht durch Translokation von
Cateninen. Unter den Mechanismen der Tumorentstehung und Invasion haben wir zunächst PTP
identifiziert, die an der Regulation Wachstumsfaktor-abhängiger Rezeptor-Tyrosin-Kinasen in der
Proliferation von Zellinien beteiligt sind. Nach der Etablierung spezifischer Antisense Oligonukleotide konnten
wir nachweisen, dass SH2-Domänen enthaltende zytosolische PTPs neben der regulatorischen auch eine
aktive Rolle bei der Signalweiterleitung von Rezeptor-Tyrosin-Kinasen spielen. Im Tiermodell konnten wir
zeigen, dass eine supramaximale Stimulation mit Cholezystokinin die Adherens Junctions im Pankreas
dissoziiert. In diesem kontrollierten Prozess wird der Cadherin-Catenin-Komplex aufgelöst und seine
Bestandteile internalisiert. Nach 48 Stunden liegen die Zell-Zell-Kontakte wieder vollständig intakt vor. In
diesem Modell der Assoziation und Dissoziation von Zell-Zell-Kontakten konnten wir im laufenden Projekt
erstmalig in einem endogenen in vivo System PTPs identifizieren, die an der Regulation des
Cadherin-Catenin-Komplexes beteiligt sind. Die membranständige PTP assoziiert an den aktiven
Cadherin-Catenin-Komplex. Die zytosolische PTP SHP-1 dagegen bindet nur an internalisierte und
Tyrosin-phosphorylierte Proteine des Komplexes, wenn Adherens Junctions aufgelöst sind. Diese
Ergebnisse zeigen, dass PTP den Cadherin-Catenin-Komplex im Pankreas konstitutiv in seinem aktiven,
unphosphorylierten Zustand hält, während PTP SHP-1 durch Dephosphorylierung der
internalisierten Zell-Adhäsionsproteine an der Wiederherstellung der Zell-Zell-Kontakte beteiligt ist. In
diesem in vivo Prozess identifizierten wir eine kurze (105 kD) Form des E-Cadherins. Bei diesem Fragment
handelt es sich um eine proteolytische Modifikation, die sich sowohl in ihrer intrazellulären
Prozessierung, als auch in ihrer Expression an Adherens Junctions vom Wildtyp unterscheidet. Nach
Aufreinigung ergab die Peptidsequenzierung dieser E-Cadherin Variante, dass die identifizierte Schnittstelle der
Sequenz entspricht, die von PMN-Elastase erkannt wird. Diese Protease wird von infiltrierenden Neutrophilen
sezerniert und spielt bei entzündlichen Prozessen eine wichtige Rolle. Wir konnten zeigen, dass die
Infusion eines spezifischen PMN-Elastase-Inhibitors die Prozessierung von E-Cadherin in vivo blockiert, und
die mit der Infiltration von Leukozyten verbundene Auflösung von Zell-Zell-Kontakten gehemmt wird. In
Zellkulturexperimenten mit rekombinanter PMN-Elastase fanden wir, dass diese Elastase nicht aber
Pankreas-Elastase E-Cadherin spaltet, und dass diese Prozessierung zu einer Internalisierung des Fragmentes
führt. Das internalisierte E-Cadherin wird in der Folge ubiquitinyliert und degradiert. Die Bedeutung von
p120-Catenin für die Progression von Pankreastumoren wurde durch die Untersuchung von 32
Tumorproben nach Kausch-Whipple-Resektion unterstrichen. Das Tumorgewebe und Gewebe von 10
gesunden Organspendern als Kontrolle wurde nach p120-Catenin Expression im Northern Blot und nach der
p120-Catenin Lokalisation durch Immunhistochemie analysiert. Die Korrelation der gefundenen experimentellen
Daten mit klinisch pathologischen Parametern zeigte eine signifikante Übereinstimmung von
p120-Catenin Expression und Lokalisation und der mittleren Überlebensrate. In den untersuchten
Tumorproben war p120-Catenin gegenüber dem Kontrollgewebe deutlich stärker exprimiert. Im
überwiegenden Teil der Tumorproben fand sich p120-Catenin entweder teilweise oder vollständig
im Zytosol lokalisiert. Der Grad der zytosolischen Lokalisation korrelierte mit dem Grad der Dedifferenzierung
aber nicht mit dem Tumorstaging. Patienten mit überwiegend membranständiger p120-Catenin
Lokalisation hatten eine mittlere Überlebenszeit von 24 Monaten, mit überwiegend
zytosolischer Lokalisation eine mittlere Überlebenszeit von 9 Monaten. Die Funktion von
p120-Catenin in der Proliferation von Pankreas-Tumorzellen wurde durch spezifische Inhibition von
p120-Catenin in PaTu 8988 T Zellen untersucht. Wir haben p120-Catenin spezifische siRNAs entwickelt, die
innerhalb von 24 h die Expression von p120-Catenin unterdrücken. Die Unterdrückung de
p120-Catenin Expression reduzierte die Proliferation der Pankreas-Tumorzellen um mehr als 50 %,
gemessen am BrdU-Einbau. Damit war erstmals eine Funktion von p120-Catenin in der Proliferation von Zellen
bewiesen. P120-Catenin scheint in der Progression von Pankreastumoren eine entscheidende Funktion
auszuüben, und könnte daher ein geeigneter prognostischer Marker sein. Zur Etablierung eines
Zellkulturmodels wurden die Proteine des Cadherin/Catenin-Komplexes und die Tyrosin-Phosphatasen PTP und
SHP-1 in Pankreas-Tumorzellinien nach Expression und Lokalisation charakterisiert. Dabei fanden wir 2
genetisch identische Tumorzellinien, die sich in der Expression von E-Cadherin und von SHP-1 unterscheiden.
Die Zellinien PaTu8988S und PaTu8988T wurden aus der gleichen Metastase eines Pankreas-Tumors isoliert.
PaTu8988S exprimiert E-Cadherin und SHP-1 und wächst in großen Insel-artigen
Zellverbänden. PaTu 8988T exprimiert weder E-Cadherin noch SHP-1. Diese Zellinie wächst
ungeordnet als Einzelzellen, die keine Adherens Junctions ausbilden. Diese Unterschiede bei identischem
genetischem Background machen diese Zellinien zu einem idealen System, um die Funktion des
Cadherin/Catenin-Komplexes und der assoziierten Protein-Tyrosin-Phosphatasen in der Progression und
Metastasierung eines Pankreastumors zu untersuchen. Dazu wurde E-Cadherin retroviral in die Zellen
transfiziert, die infizierten Zellinien kloniert und jeweils 3 Klone charakterisiert. In zellbiologischen Tests wurden
Proliferation, Tumorigenität und Metastasierungsfähigkeit gemessen. Die Auswirkung der
Reexpression von E-Cadherin auf die Genexpression der klonalen Zellinien wurde durch Analyse der
transkribierten RNA auf DNA-Arrays untersucht. Schließlich wurde die Morphologie der Zellinien durch
Atomic-Force-Microscopy und Raster-Elektronen-Mikroskopie dargestellt. Die vorläufige Auswertung
der Ergebnisse zeigt einen Umbau des Zytoskeletts durch E-Cadherin Reexpression in PaTu8988T Zellinien.
Gleichzeitig bilden diese Zellen Adherens Junctions aus und können in in vitro Wounding Assays den
Zellverband nicht mehr verlassen. Die Expression von 2130 für das Pankreas-Karzinom relevanten Genen
ist zwischen den Ausgangszellinien in 198 Fällen verändert, und zwischen PaTu8988T mock und
PaTu8988T E-Cadherin in 67 Fällen, darunter verschiedene PTP.
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