Cisplatin-Ototoxizität
Molekulargenetische Untersuchungen zur Cisplatin-Ototoxizität
Das Zytostatikum Cisplatin wird im Kindesalter bei Osteosarkomen, Hirntumoren, Neuroblastomen und
Keimzelltumoren mit großem Erfolg eingesetzt. Aufgrund der hohen Überlebensrate der Kinder sind
therapiebedingte irreversible Nebenwirkungen wie die Ototoxizität besonders zu berücksichtigen.
Angaben zur Inzidenz der Ototoxizität im Kindesalter bewegen sich zwischen 48 und
100 Prozent. In einer eigenen Studie bei 74 Patienten zwischen 3 und 40 Jahren
ermittelten wir bei 51 Prozent eine Hörstörung über 20 dB im Frequenzbereich
von 4 bis 8 KHz. Bei 2 KHz fanden wir nur bei einem Patienten einen Hörverlust.
Entsprechend dieser Studie sind eine Gesamtdosis > 240mg/m2 und ein Alter
< 12 Jahren besonders gefährdend. Ein Drittel der betroffenen Kinder wird
hörgerätepflichtig. Trotz der bekannten Dosisabhängigkeit der Cisplatin-Ototoxizität
und definierter Risikofaktoren zeigt sich in klinischen Studien und in Tierversuchen eine bisher nicht
geklärte interindividuell unterschiedliche Toleranz, die in einer eigenen retrospektiven Studie
bestätigt werden konnte. Ziel des laufenden Projektes ist es, mögliche genetische Faktoren zu
identifizieren, die im Zusammenhang mit der individuellen Cisplatin-Toleranz eine Rolle spielen. Ihr Nachweis
könnte zu durchgreifenden Therapiemodifikationen im Sinne einer Dosisanpassung an das individuelle
Risiko führen. Zunächst wurde eine klinische Datenbasis erarbeitet. Im Zeitraum von 1988 bis 1998
wurden gemeinsam von der Abteilung für Pädiatrische Onkologie/Hämatologie und der Klinik
und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie 104 Kinder und Jugendliche betreut, die
wegen eines malignen Tumorleidens mit dem Zytostatikum Cisplatin behandelt wurden. Es wurden zwei
Kollektive mit jeweils 10 Musterpatienten definiert: die Gruppe H mit geringer Cisplatin-Toleranz
(frühzeitiger und massiver Hörverlust) und die Gruppe N mit hoher Cisplatin-Toleranz
(Normalgehör trotz hoher Cisplatin-Gesamtdosis). Vergleichende molekulargenetische Untersuchungen
des mitochondrialen Genoms gaben keine Hinweise auf eine kausale Beteiligung der mtDNA an der
Cisplatinwirkung im Gegensatz zu ihrer bekannten Bedeutung für die Aminoglykosid-Ototoxizität.
Die Zuordnung der Patienten zu den Haplogruppen nach Torroni 1997 ergab Hinweise auf eine
mögliche Prädisposition, da es in der Gruppe H eine Überrepräsentation des
Haplotyps J gab, der in anderen Untersuchungen ebenfalls mit mitochondrial bedingten Erkrankungen
assoziiert wurde. Im Vergleich einiger kerncodierter Gene, bei denen ein Zusammenhang mit der Cisplatinwirkung
plausibel war, konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Patientengruppen gefunden
werden. Cisplatin induziert die p53-abhängige Apoptose. Zwischen den Gruppen N und H
fand sich ein statistisch signifikanter Unterschied bzgl. des Polymorphismus im Codon 72, der zu einem
Arginin/Prolin-Austausch führt.
Die Schädigungen einer Zelle durch Sauerstoffradikale und reaktive Sauerstoffverbindungen spielen
bei der cytotoxischen Wirkung des Cisplatins eine zentrale Rolle. Zum jetzigen Zeitpunkt konzentrieren sich die
Untersuchungen daher auf funktionelle Polymorphismen in den Genen der Glutathion-S-Transferasen und
verschiedener Antioxidations-Enzyme. Dabei wurden Allele identifiziert, deren Häufigkeit zwischen den
Gruppen signifikant verschieden ist, und die damit als potentielle Risikofaktoren anzusehen sind. Weitere
vergleichende molekulargenetische Untersuchungen bzgl. DNA- Antioxidationsenzymen sind geplant.
Als Basis zur weiteren Planung experimenteller Studien untersuchten wir bei 19 Patienten im Alter
zwischen 5 und 45 Jahren die Inzidenz von Hörstörungen nach Carboplatin-Therapie.
In keinem Fall trat eine sprachrelevante Hörstörung >20 dB auf.
Kooperation mit der Studienleitung Late Effects
Surveillance System (LESS), Klinik mit Poliklinik für Kinder und Jugendliche der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Beteiligte Wissenschaftler:
Veröffentlichungen:
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