Experimentelle und Klinische Hämostaseologie
Der Thrombozyt als Steuerzelle der Hämostase
In den letzten Jahren hat in der Hämostaseologie ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Das noch in den
Lehrbüchern verbreitete klassische Kaskadenmodell der
Hämostase wurde abgelöst durch einen zell-orientierten Mechanismus der Hämostase, in dessen
Zentrum Thrombozyten, Monozyten und Endothel stehen.
Dieses neue Grundverständnis liefert zahlreiche Ansatzpunkte für eine Verbesserung von Therapie und
Diagnostik in diesem Bereich.
Bei inflammatorischen, wie akuten thrombotisch arteriellen Gefäßerkrankungen, sind Interaktionen
zwischen Thrombozyten und geschädigtem Endothel,
bzw. extrazellulärer Matrix, von entscheidender Bedeutung. Bisher wurde der von Willebrand Faktor (vWF) als
einzigartiges, adhäsives Substrat beschrieben, das
eine Thrombusbildung unter hohem Scherstress, wie er z. B. in arteriosklerotisch verengten Gefäßen
auftritt, ermöglicht. In der Experimentellen und
Klinischen Hämostaseologie der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operativen
Intensivmedizin konnte Thrombospondin-1 (TSP-1) als
alternatives, thrombozytäres Adhäsionssubstrat bei hohen Scherkräften identifiziert werden. Das
Glykoprotein Ib wurde als primärer TSP-1-Rezeptor
auf gescherten Plättchen identifiziert. Diese neue GPIb-TSP-1-Adhäsionsachse bildet einen neuen
therapeutischen Ansatzpunkt für
Gefäßkrankheiten, deren Pathophysiologie nicht nur durch Thrombozyten-Endothel Interaktionen, sondern
auch durch Leukozyten-Endothel Interaktionen
charaktierisiert sind.
Für diese Forschungsergebnisse wurde Frau
Prof. Dr. Beate E. Kehrel mit dem Alexander Schmidt Preis 2004 der Gesellschaft für Thrombose- und
Hämostaseforschung ausgezeichnet.
Für die
Diagnostik von Thrombozytopathien wurde eine breite Palette an Methoden entwickelt, welche die
Differentialdiagnostik erleichtern und Untersuchungen auch bei
Säuglingen und/oder unter Thrombozytopenie erlauben. Daher dient die Arbeitsgruppe seit vielen Jahren als
Referenzzentrum für die Diagnostik dieser
Erkrankungen. Zusammen mit der Kinderklinik wurden für diese neuen Methoden Normalwerte für Kinder
unterschiedlichen Alters ermittelt und auf dem Meeting
des "Scientific and Standardisation Commitees" der Internationalen Thrombose- und
Hämostasegesellschaft (ISTH) vorgestellt.
Das intensive Studium von funktionsgestörten Thrombozyten führte zur Aufklärung verschiedener,
bis dahin noch unbekannter Mechanismen. Diese werden
zur Zeit weiter untersucht und es wird geprüft, ob sich daraus neue Ansatzpunkte zur Diagnostik und/oder
Behandlung von Blutungsneigungen bzw. Thrombosen
herleiten lassen.
Das neue Verständnis der Hämostase macht klar, daß eine Diagnostik notwendig ist, bei der die
Thrombozyten des Patienten stärker als bisher
berücksichtigt werden. Ein Test zur Messung der Bildung von Thrombin auf der Thrombozytenoberfläche
wurde entwickelt. Zur Zeit wird daran gearbeitet, diese
Testmethode weiter zu standardisieren, zu vereinfachen und die Testdauer zu kürzen, sprich den Test
routine-tauglich zu machen.
In einem vom IZKF geförderten
Projekt "Modulation der Affinität und/oder Avidität von Integrinen durch CD47 und u-PAR in vitro
und in tierexperimentellen Modellen inflammatorischer
Erkrankungen" konnte gezeigt werden, daß die Oberflächen-assoziierte Proteindisulfidisomerase
(PDI) als Affinitätsmodulator des Integrins aIIbb3
dient. Die Modulation der Affinität von Integrinen für ihre Liganden stellt eine Schlüsselrolle
für Zell-Zell und Zell-Matrix Interaktionen dar.
Affinitätsveränderungen, die zur Integrinaktivierung und somit zur Ligandenbindung führen, sind
durch Konformationsänderungen innerhalb der
Integrin-Domänen geprägt, die mit spezifischen, redoxabhängigen Bindungsumlagerungen begleitet
sind. In unseren Integrin-Funktionsuntersuchungen
diente das plättchenspezifische und sehr gut untersuchte Integrin aIIbb3 als Modellsystem. In
Aggregationsexperimenten konnte mit Hilfe von Membran-impermeablen
Thiol-Blockern und spezifischen Inhibitoren der PDI gezeigt werden, dass durch PDI-bedingter Umlagerung freier
Cysteinreste auf der Thrombozytenoberfläche die
irreversible stabile Bindung des aIIbb3-Liganden Fibrinogen an aktivierten Thrombozyten ermöglicht wird. Diese
Ergebnisse verdeutlichen eine wichtige Beteiligung der
enzymatisch/PDI katalysierten Disulfid-Umlagerungen an der Affinitätsregulierung von Integrinen auf der
Zelloberfäche. Zur Zeit wird die Bedeutung der PDI
für Transmigrationsprozesse der Leukozyten und T-Lymphozyten untersucht.
Beteiligte Wissenschaftler:
Kooperationen außerhalb des UKM:
Publikationen:
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