Verkehrswissenschaft
Luftverkehr
Ein großer Schwerpunkt der Institutsarbeit lag in den Jahren 2003 und 2004 im Bereich des
Luftverkehres, in dem 4 Forschungsprojekte bearbeitet wurden. Drei dieser Projekte wurden im
Berichtszeitraum abgeschlossen, das vierte läuft bis in das Jahr 2005. Das Institut betrachtete in
diesen Studien nicht nur aktuelle Probleme des eigentlichen Lufttransportmarktes, durchgeführt von den
Luftfahrtgesellschaften, sondern legte einen besonderen Fokus auf die Infrastrukturebene, also Flughäfen
und Flugsicherung.
Effizienzprobleme und Überkapazitäten in der europäischen Airline Industrie
Zwar haben im Bewusstsein einer breiten
Öffentlichkeit die Ereignisse des 11. September 2001 die Luftfahrt weltweit in eine schwere
Krise gestürzt, bei genauerem Hinsehen zeigt sich allerdings ein anderes Bild. Danach hat der
11. September die Krise nicht verursacht, sondern - wenn auch
dramatisch - verschärft. Der Luftverkehr leidet nämlich nicht nur unter einer hohen
Konjunktureagibilität, die zyklische Gewinn- und Verlustentwicklungen bei den Airlines hervorruft,
sondern bereits seit längerem unter einer deutlich unterdurchschnittlichen Renditeentwicklung und
erheblichen Effizienzproble men. Das gilt insbesondere für die europäischen Unternehmen, die
gegenüber ihren nordamerikanischen und australasiatischen Konkurrenten erhebliche Kosten- und
Produktivitätsnachteile aufweisen.Als eines der zentralen Probleme, die immer wieder auch von den
Betroffenen ange führt werden, gelten hohe Überkapazitäten, die bei den europäischen
Airlines besonders ausgeprägt zu sein scheinen. Ein systematischer empirischer Nachweis für die
letzten 15-20 Jahre, also die Phase der Deregulierung, liegt jedoch nicht vor, und die vorhandenen
Schätzungen aus früheren Zeiträumen sind mit erheblichen methodischen Mängeln
behaftet. Ebenso fehlt eine genauere Analyse der Auswirkungen von Überkapazitäten in einer
Branche, die durch spezifische Kostenstrukturen wie economies of density und economies of scale
gekennzeichnet sind. Das Projekt versucht diese empirisch-analytische Lücke zu schließen,
d.h. geeignete Indikatoren zu entwickeln, mit deren Hilfe sich das Vorhandensein von
Überkapazitäten und ihrer Auswirkungen im Luftverkehr ökonometrischen Tests unterziehen
lässt. Im weiteren sind dann die Ursachen für Überkapa zitäten wie staatliche Eingriffe,
oligolpolistische Preisstrategien, Inflexibilitäten usw. zu identifizieren und Vorschläge
für den Abbau vorhandener Kapazitätsüberschüsse zu entwickeln. Die
Privatisierung der DFS Deutsche Flugsicherung
Der Luftverkehr gehört
zu den am stärksten expandierenden Branchen weltweit. Allerdings werden seine
Wachstumsmöglichkeiten zunehmend durch Kapazitätsengpässe auf den Flughäfen
und im Luftraum begrenzt. Das Ergebnis ist einzel- und gesamtwirtschaftlich ineffizient, was sich u.a. in
massiven Einbußen für die Airlines und ihre Kunden in Form von Verspätungen,
Mehraufwendungen und Geschäftseinbußen durch Kundenabwanderungen äußert.
Besonders betroffen von dieser Entwicklung ist der europäi sche Luftraum, der zu den core
areas zählt und mittlerweile täglich von ca. 25.000 Flugzeugen genutzt wird. Die
hier geschätzten engpassbedingten Verluste belaufen sich auf gegenwärtig etwa
5 Mrd. Euro pro Jahr und dürften dramatisch steigen, wenn die in den kommenden
12-15 Jahren erwartete Verdoppelung des Luftverkehrs eintritt, ohne dass es zu nachhaltigen
Veränderungen der institutionellen Rahmenbedingungen im Bereich der Luftraumbewirtschaftung
kommt.Für die Notwendigkeit solcher Veränderungen spricht die gegenwärtige Organisation
der Flugsicherung. Im europäischen Luftraum werden die ATM-Dienste im Wesentlichen von nationalen
Gebietsmonopolisten erbracht, so in Deutschland von der DFS, einem 1993 formell privatisierten, materiell aber
gleichwohl staatlichem Monopol. Genau diese Organisationsform weist aber nach allen vorliegenden
theoretischen und empirischen Erkenntnissen in anderen Bereichen, in denen ähnliche strukturelle
Koordinationsmängel vorliegen, erhebliche Anreizdefizite auf, die zu organisationsinternen X-Ineffizienzen
und für die Volkswirtschaft zu Einbußen an statischer und dynamischer Effizienz führen, die
sich auch anhand verschiedener Indikatoren nachweisen lassen. Aus wirtschaftspolitischer Sicht,
d.h. einer Perspektive, die letztlich das Wohl aller Beteiligten im Auge hat, bietet sich unter solchen
Umständen eine Privatisierung der Flugsicherung an, die über eine rein formelle Privatisierung
deutlich hinausgeht. Wie die jüngeren Erfahrungen mit der Telekommunikation und der
Energieversorgung - also ebenfalls stark expandierenden Branchen mit traditionell öffentlicher
Bindung - zeigen, lassen sich durch eine materielle Privatisierung in Verbindung mit Wettbewerb bzw.
einer wettbewerbsorientierten Regulierung erhebliche Effizienzgewinne bei den Anbietern und
Wohlfahrtsgewinne für ihre Kunden realisieren. Vor diesem Hintergrund wurden Möglichkeiten und
Formen einer Kapitalprivatisierung der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) analysiert, im Hinblick auf
ihre juristische Durchsetzbarkeit überprüft und durch einen realisierbaren Umsetzungsplan
konkretisiert. Kooperation deutscher
Flughäfen in Europa
In der jüngsten Dekade haben sich die Strukturen der Luftverkehrsindustrie und der
Flughäfen drastisch verändert. Der Wettbewerb der Fluggesellschaften hat sich mit der 1987
eingeleiteten Liberalisierung des Luftverkehrs in der Europäischen Gemeinschaft und dem damit
verbundenen Wegfall der Kapazitätsbeschränkungen erheblich verschärft. Über
Jahrzehnte hinweg kontrollierten die Staaten bzw. die öffentliche Hand die Entwicklung der
Luftverkehrsdienste der Airlines an den Flughäfen durch bilaterale Abkommen und dominierten aufgrund
der öffentlichen Beteiligungen das Flughafenmanagement in den Gesellschafter- oder
Aufsichtsratsgremien. Mit der Verwirklichung der Dritten Stufe der Liberalisierung des
Luftverkehrs in der Europäischen Union änderte sich die Rolle der Flughäfen im gesamten
unternehmerischen Verhalten. Zeitgleich zur Liberalisierung des europäischen Luftverkehrsmarktes nahm
auch der Wettbewerb zwischen Flughäfen in seiner Quantität und in seiner Formenvielfalt deutlich
zu. Um den aktuellen Herausforderungen begegnen zu können, sind die Flughäfen zunehmend
dabei, verschiedene Kooperationsstrategien zu entwickeln. Inwieweit eine solche Strategie überhaupt
erfolgversprechend ist, welche Kooperationsformen gewählt werden und welche Probleme damit jeweils
verbunden sind und welche volkswirtschaftlichen Konsequenzen sich ergeben, wird in der Studie analysiert.
Theoretische Basis sind die Industrieökonomik und die Transaktionskostenökonomik. Die
empirische Basis liefern die Kooperationen deutscher Flughäfen.
Potenziale wettbewerblicher Selbststeuerung und
staatlicher Regulierungsbedarf von Flughäfen in Deutschland Die Verkehrsflughäfen
in Deutschland werden traditionell als wirtschaftspolitischer Ausnahmebereich betrachtet, in dem ein
funktionsfähiger Wettbewerb nicht möglich sei. Ursächlich hierfür seien insbesondere
subadditive Kostenverläufe sowie hohe Markteintrittsbarrieren. Flughäfen unterliegen daher
traditionell einer staatlichen Preisregulierung bei Entgelten für das Starten, Landen und Abstellen von
Luftfahrzeugen, sowie für die Benutzung von Fluggasteinrichtungen. Zudem sind seit dem
1. Januar 2001 größere Flughäfen verpflichtet, die Bodenverkehrsdienste
für Fremdanbieter zu öffnen und die Entgelte für den Zugang genehmigen zu lassen.Der
deutsche Flughafenmarkt zeichnet sich seit einigen Jahren durch eine hohe Dynamik aus: Bisher rein staatliche
Flughäfen werden teilprivatisiert (z.B. Hamburg, Düsseldorf), andere Flughäfen
schließen Allianzen oder beteiligen sich an Konkurrenten (z.B. Fraport, Hannover), kaum frequentierte
Landeplätze in der Nähe größerer Flughäfen werden zu Standorten für
Low-Cost Carrier (z.B. Lübeck, Hahn, Weeze) und erleben einen rasanten Zuwachs an Passagieren. In
einem Forschungsprojekt untersucht das IVM, inwieweit in diesem Marktumfeld Art und Umfang der
ökonomischen Marktmachtregulierung gerechtfertigt ist. Es wird zunächst untersucht, von welchen
Determinanten Passagiere und Fluggesellschaften als Hauptnachfrager von Flughafenleistungen die Wahl eines
Flughafens abhängig machen, welche (aktuellen und potenziellen) Substitute sowohl intra- als auch
intermodaler Art existieren und wie hoch die Verhandlungsmacht der Nachfrager ist. Es zeigt sich, dass eine
disaggregierte Analyse für jeden Flughafen notwendig ist, da eine Aggregation zu
Größenklassen zu unzulässigen Verallgemeinerungen führen würde. Die Analyse
ergibt, dass für ein Großteil der Flughäfen eine Regulierung nicht notwendig ist, da Passagiere
oder Fluggesellschaften entweder über Alternativen oder über gegengewichtige Marktmacht
verfügen. Für die verbleibenden marktmächtigen Flughäfen wird nach dem
Ausmaß der Marktmacht eine abgestufte Regulierung des Machtkerns vorgeschlagen. Für die
besonders marktmächtigen Flughäfen Hamburg, Stuttgart, München und Frankfurt ist die
Einrichtung einer anreizorientieren Price-Cap-Regulierung, die sich auf die direkt luftverkehrsbezogenen
Einnahmen beschränkt (Dual Till), bei einer gleichzeitigen Öffnungsverpflichtung der
Bodeninfrastruktur zu befürworten. Für die restlichen marktmächtigen Flughäfen ist
neben der Öffnungsverpflichtung für die Infrastruktur eine niedrigere Eingriffsintensität, z.B.
durch Trigger-Regulierung - also freier Preisverhandlung bei gleichzeitiger Androhung von staatlichen
Preiseingriffen bei monopolistischer Preissetzung der Flughafengesellschaft -, vorzusehen.
Beteiligte Wissenschaftler:
Veröffentlichungen:
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