Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Informationsmanagement (Prof. Dr. Jörg Becker)
eGovernment
Studie und Preisverleihung "Virtuelles Rathaus Münsterland 2004"
Wer rund um die Uhr online Waren bestellt oder seine Banktransaktionen erledigt,
erwartet auch von seiner Verwaltung, dass Anträge unabhängig vom eigentlichen Verwaltungsvorgang jederzeit und überall gestellt und Dienstleistungen
generell schneller und unkomplizierter in Anspruch genommen werden können. Electronic Government im Sinne einer Vereinfachung von Informations-,
Kommunikations- und Transaktions-prozessen zur Erbringung einer Verwaltungsdienstleistung durch den Einsatz von Informations- und Kommunikations-technologien greift
diesen Trend auf. Die Umsetzung in Form von virtuellen Rathäusern wird immer mehr von der Vision von Verwaltungsmanagern zur Realität im
Verwaltungsalltag.
Der
aktuelle Entwicklungsstand Virtueller Rathäuser ist jedoch immer noch sehr heterogen und reicht von Vorreitern mit durchdachten Konzepten und ausgereiften
elektronischen Bürgerdiensten bis hin zu Nachzüglern mit hohem Entwicklungspotenzial. Dieses Phänomen lässt sich nicht nur bundesweit, sondern
auch innerhalb einzelner Regionen wie z. B. dem Münsterland beobachten.
Um hier den Best-Practice
zu identifizieren und zur Realisierung von Verbesserungspotenzialen nutzbar zu machen, haben wir am Institut für Wirtschaftsinformatik Anfang 2004 eine Studie zu
Status-quo und Entwicklungsperspektiven Virtueller Rathäuser im Münsterland durchgeführt. Zur Erhebung des Status-quo wurde einerseits durch
Fragebögen eine Selbsteinschätzung der Kommunalverwaltungen zum Thema Virtuelles Rathaus und eGovernment erfasst. Andererseits wurde der momentane
Entwicklungsstand der Virtuellen Rathäuser aus Bürgerperspektive durch eine unabhängige Analyse festgehalten. Darauf aufbauend wurden sowohl
Best-Practice als auch Entwicklungsperspektiven identifiziert. Bewertet wurde neben dem allgemeinen Erscheinungsbild einer kommunalen Webseite vor allem die
Qualität der bereitgestellten Bürgerdienste in den Dimensionen Strukturiertheit, Entwicklungsgrad, Navigation und Bürgerfreundlichkeit.Wir haben mit der
Studie die Bedeutung des Wettbewerbsfaktors "Virtuelles Rathaus" unterstrichen und in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Dadurch
haben wir auf der einen Seite eine Verstärkung des kommunalen Wettbewerbs um die besten Bürgerdienste erreicht, denn bekanntlich belebt Konkurrenz das
Geschäft. Auf der anderen Seite wurde ebenfalls eine Verstärkung der interkommunalen Kooperation erreicht. Es wurden Energien freigesetzt, die dazu beitragen,
die Qualität der Bürgerdienste im gesamten Münsterland zu erhöhen und damit die bereits gute Position der Region Münsterland als Ganzes im
Europa der Regionen weiter auszubauen.
Transferprojekt - Regio@KomM
Die prozessorientierte Analyse und Optimierung von Verwaltungsabläufen ist eine zentrale Voraussetzung für die
erfolgreiche organisatorische und technische Umgestaltung der Kommunalverwaltung im Zuge des E-Government. Nur auf Basis strukturierter Abläufe ist die
Ausschöpfung der Nutzenpotenziale von Informations- und Kommunikationstechnologien möglich, um elektronische Bürgerdienste anzubieten.
Eine integrierte, Organisationseinheiten übergreifende Prozesssicht erlaubt die konsequente Ausrichtung des Verwaltungshandelns auf den Bürger/Kunden,
welche im Rahmen jeglicher Bestrebungen zur Verwaltungsmodernisierung unerlässlich ist. Die hohe Anzahl und Komplexität der in Kommunalverwaltungen
vorhandenen Prozesse erschwert jedoch die Identifikation sinnvoller Handlungsfelder für Prozessverbesserungen. Daher sind eine systematische Vorbereitung und ein
methodisches Vorgehen bei der Priorisierung und Auswahl möglicher E-Government-Projekte zwingend erforderlich. Am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und
Informationsmangement der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster wurde eine solche Methode konzipiert und im Projekt Regio@KomM eingesetzt.
Anschließend wurden die ausgewählten Prozesse einer detaillierten Prozessanalyse, -modellierung und -verbesserung unterzogen.
Das Projekt Regio@KomM steht für "Realisierung von Electronic Government in Organisationen der Kommunalverwaltungen im Münsterland".
Bei der Namensgebung lassen sich ein räumlicher und ein inhaltlicher Bezug zum Projekt herstellen. Der räumliche Bezug ist der zum Münsterland
als Projektumfeld. Das Münsterland als Region hat insgesamt 1,5 Millionen Einwohner, die sich auf die Kreisstadt Münster als regionales Zentrum sowie 66
weitere Stadt- und Gemeindeverwaltungen in insgesamt 4 Kreisen verteilen.
Die Bezirksregierung Münster als für
das Münsterland zuständige höhere Verwaltungsinstanz schlägt strategische Rahmenbedingungen und Richtlinien vor, an den sich die
zugehörigen Verwaltungen orientieren sollten. Ein im Jahre 2000 entwickeltes Strategiepapier der Bezirksregierung "Münsterlandprogramm 2000+"
bildet den Hintergrund und gleichzeitig den inhaltlichen Bezug zum Projekt Regio@KomM. Der bundesweit zu verzeichnende Trend zur Umgestaltung und
Modernisierung von Verwaltungen durch den verstärkten Einsatz von Informationstechnik wurde in diesem Papier aufgegriffen und durch die Festlegung eines
Handlungsfeldes "Informations- und Kommunikationstechnologien, Multimedia" als strategische Handlungsmaxime verankert. Ein langfristiges Ziel besteht darin,
ein sog. Münsterlandportal aufzubauen, ein internetbasiertes Portal für die Region, über welches neben Angeboten von Unternehmen und
Tourismusverbänden insbesondere Verwaltungsdienstleistungen in elektronischer Form angeboten werden sollen. Gleichzeitig sollen bereits existierende Bestrebungen
im Münsterland im Bereich der Verwaltungsmodernisierung durch eGovernment aufeinander abgestimmt und auf das o. g. Ziel ausgerichtet werden. Im Jahr 2003 wurde
diese Projektidee in Gestalt des Projektes Regio@KomM in die Tat umgesetzt. Mit der Bezirksregierung als Schirmherr fanden sich sechs Kommunalverwaltungen (zwei
Kreisverwaltungen und vier Stadt- und Gemeindeverwaltungen), ein kommunales Rechenzentrum sowie die Universität Münster, um die Aufgabe
"Realisierung von Electronic Government" zu bearbeiten.
Mit Bezug auf das Münsterlandprogramm 2000+ besteht das konkrete Ziel darin, elektronische Bürgerdienste zu realisieren, die einen Mehrwert für die
Verwaltungen, Unternehmen und Bürger schaffen und langfristig in ein Münsterlandportal eingebaut werden können.
Die in vielen bisher existierenden Projekten zum
Thema eGovernment vorherrschende technikgetriebene Vorgehensweise (z. B. gemeinschaftliche Softwareauswahl von Verwaltungen in Form von kommunalen
Anwendergemeinschaften) wurde auf Anregung der Universität zugunsten einer inhaltlich-konzeptionellen Auseinandersetzung mit dem Thema zurückgestellt.
Dem Grundsatz "Organisation vor Technik" folgend wurden in Hinblick auf das Projektziel folgende Fragestellungen formuliert und
gelöst.
- Welche Geschäftsprozesse kommen zur Realisierung von elektronischen Bürgerdiensten in Frage?
- Wie werden die Prozesse
momentan in den verschiedenen Verwaltungen im Münsterland bearbeitet?
- Wie können Idealprozesse bzw. Referenzprozesse aussehen, an denen sich alle
Verwaltungen des Münsterlandes orientieren können?
Aktuelles
Transferprojekt - Portal@KomM - Potentziale von Portalservern als IT-Komponente in Verwaltungen
Mit Hilfe von Content-Management-Systemen sind mittlerweile viele
Verwaltungen in der Lage, Informations- und Kommunikationsangebote über ihre Internetseiten bereitzustellen. Um den nächsten Schritt zu gehen und
Verwaltungsprozesse für das Internet transaktionsfähig zu machen, sind weitere Architekturkomponenten nötig, die die Verbindung zwischen
Präsentationsschicht und Fachverfahren herstellen. Die Portalservertechnologie ist eine viel versprechende Möglichkeit, dies zu realisieren. Um die praktische
Nutzbarkeit dieser Technologie für die Anforderungen der öffentlichen Verwaltung zu evaluieren, wurde das Projekt Portal@KomM initiiert, welches die logische
Konsequenz der Ergebnisse von Regio@Komm darstellt und die Arbeit inhaltlich weiterführt.
Einerseits sollen in den Verwaltungen
Hamm und Münster insgesamt ca. 4 Geschäftsprozesse modelliert und anschließend von der T-Com bzw. T-Systems auf deren Portalserver als
Transaktionsdienst implementiert werden.Parallel dazu sollen im Rahmen einer Begleitforschung der Umsetzungsprozess analysiert und dokumentiert werden, so dass zu
Abschluss des Projekts sowohl die Sinnhaftigkeit der Portalservertechnologie an sich als auch die Eignung des konkret eingesetzten Produktes für den angestrebten
Zweck bewertet werden kann.
O.S.I.R.I.S.
- Wirtschaftsinformatiker der Universität Münster entwickeln neues Informationssystem für Virtuelle Rathäuser
Im Rahmen des E-Government
sollen dem Bürger Verwaltungsdienstleistungen durch moderne Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) auf elektronischem Wege einfacher zugänglich
gemacht werden. Neben der prozessorientierten Analyse und Optimierung von Verwaltungsabläufen wird dieses Vorhaben auf kommunaler Ebene durch das so genannte
Virtuelle Rathaus ermöglicht. Im Virtuellen Rathaus bietet die Verwaltung den Bürgern über elektronische Medien die Möglichkeit, jederzeit und
überall ihre Informations-, Kommunikations- und Transaktionsdienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Gemeinde-, Stadt- und
Kreisverwaltungen sollten ihr Dienstleistungsangebot transparent und jederzeit zugänglich der Öffentlichkeit präsentieren um Bürgern die
Vorbereitung des Verwaltungsbesuchs zu erleichtern. Auf den Internetseiten der großen Kommunalverwaltungen lässt sich dieser Trend bereits beobachten. Die
Vielseitigkeit der sich bereits im Einsatz befindlichen Lösungen sowie fehlende Standardisierungen erschweren jedoch eine Orientierung seitens der Verwaltungen und
der Hersteller bei der Entwicklung und dem Aufbau von Virtuellen Rathäusern. Des Weiteren sind in vielen kleinen und mittelgroßen Verwaltungen oft wenig oder
überhaupt keine personellen und finanziellen Ressourcen zur Einführung Virtueller Rathäuser vorhanden.
Diesem Problem haben sich 12 Studentinnen und Studenten der Wirtschaftsinformatik in einem halbjährigen Forschungsprojekt unter der Leitung von Prof. Dr. Jörg Becker angenommen.Gemeinsam mit der Citeq, dem kommunalem Rechenzentrum der Stadt Münster, wurde als erster Schritt eine Anforderungsanalyse in Bezug auf das
Virtuelle Rathaus durchgeführt. Um eine hohe Qualität und Funktionalität sowohl für den Bürger als Nutzer eines solchen Produktes, als auch
für die Verwaltung als Betreiber und Nutzer gewährleisten zu können, ist im Rahmen dieses Projektes ein umfassender, herstellerunabhängiger
Katalog mit Anforderungen an ein Virtuelles Rathaus erstellt worden. Die öffentlich zugänglichen Ergebnisse sollen sowohl Herstellern bei der Entwicklung als
auch Verwaltungen bei der Auswahl von Virtuellen Rathäusern als Orientierungshilfe dienen.
Um die Aussagen zu belegen und den Verwaltungen sofort umsetzbare praktische Hilfestellung zu geben wurde im weiteren Projektverlauf auf Basis der Anforderungen ein Prototyp
für ein Virtuelles Rathaus mit dem Titel "O.S.I.R.I.S." entwickelt. O.S.I.R.I.S. baut auf dem Open-Source basierten Content Management-System
"Typo3" auf und wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Kreis Warendorf und dem kommunalen Rechenzentrum citeq implementiert. Der Praxiseinsatz in weiten
Teilen des Münsterlandes ist bereits über die Citeq realisiert. Die von der Universität entwickelte Software inklusive technischer Dokumentation, Handbuch
und Entwicklungsanleitung wurde als Forschungstransferleistung an die citeq übergeben. Die citeq leistet bereits für mehr als 15 Verwaltungen in den Kreisen
Warendorf und Coesfeld das Hosting und die technische Weiterentwicklung und stellt die Infrastruktur, um auch weitere Verwaltungen anzubinden.
O.S.I.R.I.S. bietet für die gesamte Verwaltung
eine einheitliche Präsentation, eine klare Abgrenzung der Inhalte und Verweise, die Kennzeichnung von online durchführbaren Dienstleistungen, alternative
Navigationsmöglichkeiten usw. Informationen zum Download in verschiedenen Formaten werden ebenfalls angeboten. Insgesamt werden über O.S.I.R.I.S. mehrere
hundert Dienstleistungen bereitgestellt. Durch die ständige Verfügbarkeit aller wichtigen Informationen, die aktualisiert und einfach zugreifbar geordnet im WWW
verfügbar sind, erhöht sich für den Bürger die Qualität der Dienstleistung. Die Mandantenfähigkeit erlaubt eine organisatorische
Integration von verbundenen Verwaltungen und Gemeinden in einem System. O.S.I.R.I.S. ist SAGA-konform, barrierefrei (BITV-konform), komplett mit Open Source
Produkten realisierbar und hat bereits die Schnittstellen, um OSCI-Nachrichten auszutauschen und neue Technologien wie Virtuelle Poststelle und Portalserver etc. einzubinden
bzw. um eingebunden zu werden.
Im Kreis-Warendorf und den angeschlossenen
Gemeinden ist O.S.I.R.I.S. bereits zum Quasi-Standard geworden. Mehr und mehr Verwaltungen springen auf und es ist sogar in Planung, wegen der offenen Architektur des Systems einerseits und vorhandener Strukturanalogien andererseits, O.S.I.R.I.S. jetzt in 291 Gemeinden in Brasilien (Region Santa Catharina) einzuführen. Das System ist als Basiskomponente für kommunale Internetauftritte konzipiert und kann auch in existierende Internetauftritte problemlos integriert werden.
Der Prototyp von O.S.I.R.I.S. steht als Erweiterung für Typo3 kostenlos zum Download auf der Typo3-Homepage zur Verfügung www.typo3.orf -
Extension Civserv). Die Handbücher und technischen Beschreibungen sind über die Internetseite Regio-KomM.de ebenfalls öffentlich verfügbar.
Basis - Balanced Scorecard basiertes Informationssystem
Durch das Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF) wird der Effizienzgedanke verstärkt in den Vordergrund
gerückt. Hier stehen die Anliegen der Bürger im Vordergrund der Verwaltungstätigkeit. Zur besseren Erfüllung des Gemeinwohls sind die folgenden
zentralen Fragestellungen des NKF zu beantworten:
- Wie kann Qualitätsmanagement in einer Kommunalverwaltung gewährleistet werden?
- Wie lassen sich dezentrale Steuerung und allgemeine Zielausrichtung kombinieren?
- Wie wird die Eigenverantwortung der
Verwaltungsmitarbeiter gestärkt?
Unterschiedliche Zielstellungen und Anforderungen an die Verwaltung, die aus Sicht der Bürger, der Unternehmen, der
Finanzen und der Politik formuliert werden, müssen aufeinander ausgerichtet werden. In Unternehmen ist das Konzept der Balanced Scorecard (BSC), welche die Ziele
unterschiedlicher Anspruchsgruppen in Balance bringt, weit verbreitet. Im Rahmen eines Projektseminars wurde ein Tool entwickelt, welches die Anforderungen der
Verwaltung auf das klassische Konzept der Balanced Scorecard umsetzt. Das Ergebnis ist die modulare Software BASIS://. Durch die Verbindung von Projektmanagement und
BSC wird nachhaltig eine integrierte Steuerung von Zielen und Maßnahmen (Projekten) ermöglicht. Das Konzept sowie die Software BASIS:// liefern Antworten
auf die Fragen:
- Aus welchen Perspektiven lässt sich eine Verwaltung betrachten?
- Welche Ziele sind von strategischer Bedeutung?
- Wie lässt sich die BSC mit den Ideen des Neuen Kommunalen Finanzmanagements verbinden?
- Wie lässt sich die Integration
der BSC und des operativen Geschäfts herbeiführen?
- Wie kann die Wirtschaftlichkeit sichergestellt werden?
BASIS:// integriert das Konzept der Balanced Scorecard und das Projektmanagement auf einer gemeinsamen Plattform. Über eine einheitliche
Oberfläche ist der Einstieg von der Balanced-Scorecard-Maßnahme in das Projektmanagement möglich. Beide Module sind integriert, so dass die
Navigation zwischen Projekten und Balanced Scorecard möglich ist. Fortschrittskennzahlen von Projekten erlauben eine bessere Aussage über
verfolgte Ziele, da der Einfluss der Projekte auf das Ziel oftmals erst nach Projektabschluss sichtbar wird. Der einfache Aufbau von BASIS:// ermöglicht es dem
Anwender, die komplexen konzeptionellen Zusammenhänge zwischen langfristiger Zielerreichung und täglicher Arbeit intuitiv zu erfassen.
Der Schulungs- und Einarbeitungsaufwand wird dadurch gering gehalten.
Beteiligte Wissenschaftler:
Veröffentlichungen:
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