Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Forschungsbericht 2001-2002
 
Psychologisches Institut I -
Psychologische Diagnostik und
Klinische Psychologie

Fliednerstr. 21
48149 Münster
Geschäftsführende Direktorin: Prof. Dr. de Jong-Meyer
 
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Forschungsschwerpunkte 2001 - 2002

Fachbereich 07 - Psychologie und Sportwissenschaft
Psychologisches Institut I - Psychologische Diagnostik und Klinische Psychologie
Arbeitsbereich Prof. Dr. R. de Jong-Meyer


Die Erfassung von Selbstregulationsprozessen und ihre Beeinflussbarkeit

Die DFG bewilligte am 12.10.2001 ein Graduiertenkolleg an der Universität Osnabrück, bei der die eigene Arbeitseinheit als “externer“ Partner beteiligt ist. Unter dem Rahmenthema “Integrative Kompetenzen und Wohlbefinden: Somatische, psychische, soziale und kulturelle Determinanten“ werden von einer interdisziplinären Gruppe (siehe Beteiligte Wissenschaftler) 12 Promotionsvorhaben betreut, in denen es mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung um intrapsychische und interpsychische selbstregulative Kompetenzen geht.

Integrative Kompetenzen bei intrapsychischen Konflikten werden in der eigenen Arbeitseinheit gemäß früherer Arbeitsschwerpunkte eingegrenzt auf spezifizierbare Selbstregulationsprozesse, die Abwägen und Entscheiden, Planung, (flexible) Umsetzung und postaktionale Bewertung von zielorientierten Handlungen insbesondere bei psychischen Störungen fördern oder hemmen. In Störungsmodellen negativen Affekts (vor allem Depression, Generalisierte Angst) werden Phänomene wie Grübeln, Rumination und dysfunktionale Selbstaufmerksamkeit als die Selbstregulation hemmende Faktoren postuliert. Selbstaufmerksamkeit ist die auf eigene Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen fokussierte Aufmerksamkeit. Sie ermöglicht eine kognitive Repräsentation des internalen Zustandes einer Person und kognitive Umstrukturierungsmöglichkeiten, ist insofern also adaptiv. Bei unterschiedlichen Störungsbildern, insbesondere bei depressiven Störungen sind jedoch maladaptive Auswirkungen exzessiv-negativer Selbstaufmerksamkeit/Rumination beschrieben worden. Höping und de Jong-Meyer (1999) versuchten, die in Bezug auf Adaptivität teilweise widersprüchlichen Befunde in ein Prozessmodell zu integrieren, dass bei depressionsvulnerablen Personen eine Tendenz zur Vermeidung bzw. zum frühzeitigen Abbruch von Selbstaufmerksamkeit postuliert, welche in ein Selbstregulationsdefizit mündet. Anwachsende unerledigte Probleme, paradoxe Effekte der Gedankenunterdrückung und das Ausbleiben von Habituationseffekten bewirken dann einen Anstieg kognitiver Intrusionen. Das exzessive negativ-selbstfokussierte Grübeln Depressiver wird als Zusammenbruch dieses dysfunktionalen Bewältigungsstils verstanden. Empirische Untersuchungen zeigen, dass depressive Personen während einer depressiven Episode tatsächlich nicht in der Lage sind, den Input negativer Reize ausreichend zu hemmen. Sie scheinen aber trotzdem eine generelle Tendenz zu haben, zur Abwendung von Verschlechterungen der Stimmung vermehrt Vermeidungsstrategien einzusetzen, welche jedoch unter mentaler Belastung nicht aufrechterhalten werden können (vgl auch Forschungsbereich B1). Im Dissertationsprojekt von Reichenberg wird untersucht, welche Effekte induzierte ruminative Selbstaufmerksamkeit versus Ablenkung auf den Selbstzugang, auf die Aufmerksamkeits-Allokation und auf Alienation (sensu Kuhl und Beckmann, 1994, mangelnde Diskrimination selbst- versus fremdgesetzter Ziele) hat.

Bezogen auf integrative Kompetenzen bei interpsychischen Konflikten soll eine Eingrenzung auf die Therapeut-Patient-Interaktion und ihren Einfluss auf Befinden und Besserung erfolgen. Ausgangspunkt war hier die Frage, wie eine funktionale Selbstregulation erlernt wird, und damit zusammenhängend, wie defizitäre selbstregulative Kompetenzen günstig beeinflusst werden können. Von den Entwicklungspsychologen des Graduiertenkollegs wurde bereits nachgewiesen, dass kontingente Reaktionen auf Selbstäußerungen für die Entwicklung selbstregulativer Fähigkeiten im Kleinkindalter wesentlich sind (Keller et al., 1999; Völker et al., 1999). Wenn ein Kind nicht lernt, dass auf Selbstäußerungen zuverlässig kontingente affektregulierende mütterliche Reaktionen folgen, wird postuliert, dass sich die Fähigkeit, selbstbezogene Motivationslagen wahrzunehmen, zu kommunizieren und zu regulieren, nur unvollkommen entwickelt. Im Dissertationsprojekt von Bausch wird untersucht, ob kontingente Reaktionen auf Selbstaussagen im therapeutischen Kontext zu einer Verbesserung der Fähigkeit von Klienten beitragen, emotionale Prozesse und Bedürfnisse wahrzunehmen. Die Untersuchung solcher spezifischer Aspekte der Interaktionsgestaltung, insbesondere von inhaltlichen und zeitlichen Kontingenzen zwischen Patienten- und Therapeutenäußerungen, erfordert eine mikroanalytische Betrachtung der sequentiellen Abfolgen einzelner Äußerungen. Die methodischen Voraussetzungen für diese Untersuchungsstrategien wurden durch die Dissertationsprojekte von Engberding und Michalak (vgl. Forschungsbericht 1999/2000) geschaffen, in denen es u.a. um den Beitrag von handlungs- bzw. lageorientiertem Aufmerksamkeitsfokus in Gesprächsbeiträgen für die Befindensverbesserung und Zielerreichung ging. In der Studie von Bausch werden Stile der Selbststeuerung und positiv kontingentes Reagieren mit Dimensionen der “emotional awareness“, der Selbstaufmerksamkeit sowie der Selbstöffnung in Beziehung gesetzt. Es wird auch untersucht, ob eine angenommene Folge der dysfunktionalen Selbstregulation, nämlich ein verschlechterter Zugang zu experientiellen Prozessen des Selbst, respektive zum Extensionsgedächtnis (Kuhl, in press), sich in Abhängigkeit von inhaltlich und zeitlich kontingenten Therapeutenäußerungen verändert.

Drittmittelgeber:

Deutsche Forschungsgemeinschaft - DFG. Gz.:GRK 772

Beteiligte Wissenschaftler:

Dipl. Psych. S. Bausch, Dipl.-Psych. M. Engberding, Dipl. Psych W. Höping, Prof. Dr. R. de Jong-Meyer (Leiterin Klinische Psychologie), Dipl. Psych. S. Reichenberg, Prof. Dr. J . Kuhl (Sprecher des Kollegs, Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung, Universität Osnabrück), Prof. G. Bierbrauer, (Sozialpsychologie, Universität Osnabrück), Prof. Dr. R. Kaschel (Klinische Neuropsychologie, Universität Osnabrück), Prof. Dr. H. Keller (Entwicklung und Kultur, Universität Osnabrück), Prof. Dr. B. Schücking (Gesundheits- und Krankheitslehre, Psychosomatik, Universität Osnabrück), Prof. Dr. Dr. H.-J. Schwanitz (Dermatologie, Universität Osnabrück)

Veröffentlichungen:

Höping, W. & de Jong-Meyer, R. (2003): Differentiating Unwanted Intrusive Thoughts from Thought Suppression: What Does the White Bear Suppression Inventory Measure? Personality and Individual Differences, 34, 1049-1055.
 
 

Hans-Joachim Peter
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Datum: 2003-10-01