Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Forschungsbericht 2001-2002
 
Klinik und Poliklinik für Neurologie

Albert Schweitzer Strasse 33
48149 Münster
Direktor: Prof. Dr. med. E. B. Ringelstein
 
Tel. (0251) 83-48016
Fax: (0251) 83-48181
e-mail: r.reilmann@uni-muenster.de
www: http://neurologie.uni-muenster.de/
[Startseite (Rektorat)] [Inhaltsverzeichnis] [vorherige Seite] [nächste Seite]
     

[Pfeile  braun]

Forschungsschwerpunkte 2001 - 2002

Fachbereich 05 - Medizinische Fakultät
Klinik und Poliklinik für Neurologie
Neuroimaging


Evolution menschlicher Sprache aus einem gestischen Kommunikationssystem

Eine Hypothese zur Sprachentwicklung besagt, dass sich die heutige menschliche Sprache aus einem gestischen Kommunikationssystem entwickelt hat. Dies wird unterstützt von Studien, die zeigen konnten, dass die Beobachtung motorischer Gesten zu einer Aktivierung von Sprachregionen des Gehirns führt (sog. Spiegelneurone). Möglicherweise verlief die Entwicklung von Sprache über verschiedene Stadien, beginnend mit einem Spiegelsystem für das Greifen über ein manuelles und vokales Gestensystem bis hin zur heutigen Sprache. In diesem Forschungsprojekt untersuchten wir die enge Verknüpfung von Sprachproduktion und -perzeption mit motorischen Gehirnarealen. Schwerpunkt ist die Beeinflussung der Erregbarkeit des Handmotorkortex durch Sprachfunktionen, die mittels transkranieller Magnetstimulation (TMS) bestimmt wurde. Dabei fanden wir heraus, dass linguistische Funktionen, wie das Hören oder Lesen von Sprache, zu einer Aktivierung des Handmotorkortex führten, während dies bei nichtlinguistischer akustischer oder visueller Verarbeitung nicht der Fall war. Das Ausmass der motorischen Aktivierung sowie die Verarbeitung in beiden Hemisphären war vergleichbar (Flöel et al., 2003). In einer weiteren Untersuchung beschäftigten wir uns mit der Fragestellung, ob auch einzelne Merkmale von Sprache, wie Semantik, Grammatik oder Prosodie, ausreichen, das motorische System zu prä-aktivieren. Dabei variierten wir systematisch auditorische Stimuli und haben analog zu unserer vorherigen Studie die motorische kortikale Erregbarkeit mittels TMS bestimmt. Die akustischen Stimuli bestanden aus a) Sätzen, die alle drei vorhergenannten linguistischen Merkmale beinhalteten, b) varierten prosodischen Kontouren ohne semantische und syntaktische Information (parallelisiert für die prosodische Kontour und die Länge mit den normalen Sätze), c) flache prosodische Kontouren mit minimaler Tonhöhenvariation (parallelisiert für die Länge mit den normalen Sätzen), d) bitonale Töne (Oktaven, parallelisiert für die Länge mit den normalen Sätzen) und e) einer Ruhebedingung. Sowohl die Perzeption von variablen prosodischen Kontouren als auch von normalen Sätzen führte dabei zu einer bilateralen Aktivierung der Handmotorkortices. Es ergab sich für den Motorkortex der sprachdominanten, linken Hemisphäre kein Unterschied im Ausmass der Aktivierung zwischen Sätzen und prosodischen Kontouren, während im Motorkortex der nicht sprachdominanten, rechten Hemisphäre die Aktivierung nach der Perzeption von prosodischen Kontouren stärker war als nach normalen Sätzen. Ferner korrelierte die Tonhöhenvariabilität von normalen Sätzen selektiv mit der Größe der Amplituden der motorisch evozierten Potentiale (MEP) nach Stimulation des rechten Motorkortex (Rogalewski et al., 2003). Zusätzlich sahen wir in Pilotdaten eines funktionellen Magnetresonanzexperimentes (fMRT) diese Aktivierung des Motorkortex während der Verarbeitung von Sätzen und prosodischen Kontouren. Wir waren somit in der Lage, unsere vorherigen Ergebnisse eines eng verbundenen neuronalen Systems für manuelle und linguistische Gesten zu replizieren. Eine neuartige Erkenntnis war allerdings, dass bereits der prosodische Aspekt von Sprache das Aktions-Perzeptions-System aktivieren kann. Die Ergebnisse bekräftigen die Vermutung, dass Sprache sich nicht als separates Modul, sondern vielmehr innerhalb eines allgemeinen Aktions-Perzeptions-Netzwerkes zur Kodierung und Dekodierung von gestischen Informationen entwickelt hat.

Projektdauer:

2001-2002

Drittmittelgeber:

Nachwuchsgruppe Knecht (Nachwuchsgruppe des Landes NRW)

Beteiligte Wissenschaftler:

Prof. Dr. med. S. Knecht, Dr. med. A. Flöel, Dr. med. A. Rogalewski, Dr. Dipl.-Psych. C. Breitenstein, Dr. med. T. Ellger

Veröffentlichungen:

Breitenstein, C., A. Floel, B. Dräger, and S. Knecht. Lateralisation may be a side issue for understanding language development. Behav Brain Sci (Invited Commentary), in press.

Floel, A., T. Ellger, C. Breitenstein, and Knecht S. Language perception activates the hand motor cortex: implications for motor theories of speech perception. Europ J Neurosci , in press.

Rogalewski, A., A. Floel, C. Breitenstein, and S. Knecht. From mouth to hand: Prosody in spoken language activates the hand motor system. Submitted for publication.

 
 

Hans-Joachim Peter
EMail: vdv12@uni-muenster.de
HTML-Einrichtung: Izabela Klak 4
Datum: 2003-07-21 ---- 2003-08-27