Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Forschungsbericht 2001-2002
 
Institut für Arterioskleroseforschung
an der Universität Münster

Domagkstraße 3
48149 Münster
Geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. med. Gerd Assmann
 
Tel. (0251) 83-47 222
Fax: (0251) 83-47 225
e-mail: assmann@uni-muenster.de
www: http://ear001.uni-muenster.de/index.html
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Forschungsschwerpunkte 2001 - 2002

Fachbereich 05 - Medizinische Fakultät
Institut für Arteriokleroseforschung an der Universität Münster
Epidemiologie


Die "Prospective Cardiovascular Münster (PROCAM) Studie"

Wichtigstes Ziel der Prospektiven Cardiovaskulären Münster (PROCAM) Studie ist die Verbesserung der Prädiktion und der Prävention der koronaren Herzkrankheit (KHK) und des Schlaganfalls sowie die Umsetzung der erzielten Ergebnisse in die ärztliche Praxis. Im Berichtszeitraum wurde ein "neuer" PROCAM Algorithmus zur Berechnung des Herzinfarktrisikos veröffentlicht, basierend auf einer Analyse bei 35-65 jährigen Männern mit 10-jährigem Nachbeobachtungsintervall mittels eines Cox Proportional Hazards Modells. Daraus wurde ein einfaches Punktesystem abgeleitet, das es erlaubt, ohne weitere Hilfsmittel das Risiko, innerhalb der nächsten 10 Jahre einen Herzinfarkt zu erleiden, zu berechnen. Gegenüber dem Cox Proportional Hazards Modell ging nur wenig Trennschärfe verloren (Fläche unter der ROC-Kurve 82,4% gegen 82,9%). Mit Hilfe dieses PROCAM Scores gelang es, eine Untergruppe von 7,5% der asymptomatischen 35-65 Jährigen mit einem über 20-prozentigen 10-Jahres-Herzinfarktrisiko zu identifizieren.

Bei 95 männlichen Teilnehmern der PROCAM Studie, deren berechnetes koronares Risiko im 5. Quintil lag, wurden mittels MS-CT-Angiographie verkalkte und nicht verkalkte Wandveränderungen, die möglicherweise instabile Plaques repräsentieren, an den Koronararterien untersucht. Die Daten zeigen, dass Personen mit hohem Koronarrisiko, berechnet mit dem PROCAM Algorithmus aus den klassischen Risikofaktoren, bereits zu einem erheblichen Anteil subklinische atherosklerotische Läsionen aufweisen. Diese Ergebnisse veranlassen uns, von dem "prä-symptomischen Hochrisiko-Patienten mit subklinischer Arteriosklerose" zu sprechen. Die vorliegenden Daten stellen den praktischen Nutzen der Begriffe Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention in Frage, da das Herzinfarktrisiko von zunächst beschwerdefreien Hochrisiko-Personen nicht selten höher ist als bei Patienten mit bestehender koronarer Herzkrankheit, so dass besser eine "risikoabhängigen Prävention" eingeführt werden sollte.

Die Ergebnisse der PROCAM Studie beeinflussten in erheblichem Masse das Handbuch zur Prävention koronarer Herzerkrankungen (Pocket Guide to Prevention of Coronary Heart Disease). Dieses Dokument, das in Kooperation des International Task Force for Prevention of Coronary Heart Disease mit der International Atherosclerosis Society erstellt wurde, vereinigt zum ersten Mal europäische und amerikanische Empfehlungen zur Verhütung der koronaren Herzkrankheit und des Herzinfarkts. Neben einer klaren Beschreibung der wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre bietet das Handbuch eine Vielzahl praktischer Handlungsempfehlungen für Arzt und Patient zur Verringerung des Herzinfarktrisikos. Eine der Besonderheiten des Handbuches ist die Vorstellung mehrerer Methoden zur Herzinfarktrisikoberechnung, deren Übertragbarkeit auf andere Länder und Regionen jedoch ein Problem darstellt. So führte die Anwendung der Framingham Risikoformel bei Teilnehmern an der PROCAM Studie zu einer 2,5-fachen Überschätzung des Herzinfarktrisikos. Zum ersten Mal werden in dem Handbuch "Korrektur-faktoren" angegeben, die es erlauben, die PROCAM-Risikoabschätzung für den Herzinfarkt in verschiedenen Ländern von Finnland bis Italien und von Irland bis Russland anzuwenden. Die Berechnung des Herzinfarktrisikos ist von besonderer Bedeutung, da die Cholesterin-Normalwerte für alle Menschen durch individuelle, risikoabhängige Zielwerte ersetzt werden.

Beta-Sitosterinämie, eine seltene genetische Erkrankung mit extrem hohen Werten pflanzlicher Sterine im Blut bewirkt vorzeitige Atherosklerose. Neueste epidemiologische Arbeiten lassen jedoch vermuten, dass auch moderate Erhöhungen mit einem erhöhten atherosklerotischem Risiko verbunden sind. Deshalb haben wir in einer "nested case-control" Studie jedem von 177 Teilnehmer der PROCAM Studie, die innerhalb von 10 Jahren einen Herzinfarkt erlitten, jeweils 2 gleichaltrige Kontrollen gegenübergestellt, die auch bezüglich ihres Zigarettenkonsums und dem Zeitpunkt der Untersuchung übereinstimmten. Aus den eingefrorenen Seren wurden die pflanzlichen Sterine mittels Massen-Gaschromatographie gemessen. Sitosterin war bei den Herzinfarktpatienten mit 5,03 3,44 µmol/L gegenüber 4,31 2,38 µmol/L bei den Kontrollen erhöht (p = 0,005). Das obere Quartil der Sitosterinverteilung (> 5,25 mmol/L) war mit einem 1,8-fach erhöhten Risiko verbunden (p=0,014). Hohe Sitosterinwerte bedeuteten besonders bei Personen mit erhöhten LDL-Cholesterinwerten (Verdopplung des Risikos, falls LDL-Cholesterin 4.14 mmol/L, p=0,023) beziehungsweise hohem globalen Risiko (Verdreifachung des Risikos, falls das Risiko >20% in 10 Jahren, p=0,028) ein zusätzliches Herzinfarktrisiko.

Drittmittelgeber:

Industrie

Beteiligte Wissenschaftler:

Prof. Dr. G. Assmann, PD Dr. P. Cullen, Prof. Dr. A. von Eckardstein, Dr. P.H. Epping, PD Dr. H. Funke, PD Dr. R. Junker, Dr. F. Kannenberg, Dr. H. Schulte (Projektleiter)

Veröffentlichungen:

Assmann G. Pro and Con: High-Density Lipoprotein, Triglycerides, and other Lipid Subfractions are the future of Lipid Management. Am. J. Cardiol.2001; 87: 2B-7B

Schulte H, von Eckardstein A, Cullen P, Assmann G. Übergewicht und kardiovaskuläres Risiko. Herz 2001; 26: 170-177

von Eckardstein A, Schulte H, Cullen P, Assmann G. Lipoprotein (a) further increases the risk of coronary events in men with high global cardiovascular risk. J Am Coll Cardiol. 2001; 37: 434-439

Assmann G, Cullen P, Schulte H. A simple scoring scheme for calculating the risk of acute coronary events based on the 10-year follow-up of the PROCAM study. Circulation 2002; 105:310-315

Voss R, Cullen P, Schulte H, Assmann G. Prediction of risk of coronary events in middle-aged men in the PROCAM study using neural networks. Int J Epidemiol. 2002;31:1253-62.

Hense HW, Schulte H, Löwel H, Keil U, Assmann G. Predicted and observed risk of coronary heart disease in men and women from Germany - Results from the MONICA Augsburg and the PROCAM Cohort. Eur Heart J., 2003;24:937-945

 
 

Hans-Joachim Peter
EMail: vdv12@uni-muenster.de
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Datum: 2003-09-18