Forschungsbericht 1999-2000   
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Direktor: Prof. Dr. G. Althoff, P. Johanek, F. Kämpfer, H. Keller, U. Pfister, B. Stollberg-Rilinger, H. U. Thamer

 
 
 
[Pfeile  gelb] Forschungsschwerpunkte 1999 - 2000
Fachbereich 08 - Geschichte / Philosophie
Historisches Seminar
Neuere und Neueste Geschichte
 


Bilder von Krieg und Nation.
Zur Konstituierung von nationaler Identität durch Kriegsdarstellungen
(Deutschland 1864-1913)

Die beiden Begriffe "Krieg" und "Nation" im Obertitel des Projekts stellen bereits die wichtigsten Forschungskontexte her: zum einen die moderne Militärgeschichte, die sich zur Sozial-, Kultur- und Mentalitätengeschichte geöffnet hat, zum anderen die Nationalismusforschung, die sich zuletzt vor allem mit der "Erfindung" von Nationen im Medium gesellschaftlicher Kommunikationsprozesse befaßt hat. Diese beiden Ansätze werden nicht nur miteinander verbunden - welchen Anteil haben Kriegsdarstellung und Kriegsdeutung an der Konstruktion von Nationen? -, sondern auch noch mit einem dritten Forschungsstrang verknüpft, der Bürgertumsforschung, die das Thema Krieg und Militarismus bisher noch wenig beachtet hat. Die Bürgertumsforschung wird insofern einbezogen, als der Kommunikationsprozeß, der, wie soeben beschrieben, bei der Schaffung nationaler Identität eine konstitutive Rolle spielt, auf die soziale Trägergruppe des Bildungsbürgertums bezogen wird. Im Ergebnis läßt sich für 1864 und 1866 eine kontroverse Kriegsdeutung rekonstruieren, die sich 1870/71 homogenisierte, um dann fast unverändert die Jahrzehnte des Kaiserreichs zu überdauern. Alle Brüche in der politischen Kultur zwischen 1871 und 1914 gingen am öffentlich inszenierten Bild des deutsch-französischen Krieges praktisch spurlos vorüber. Die homogene Deutungskultur des deutsch-französischen Krieges, die sich insofern konstatieren läßt, zerfällt in zwei große Themenkomplexe. Das erste Hauptthema bildet die Frage der Heeresverfassung, der Form der Kriegführung. Hier spiegeln sich alle Konflikte, die es seit der Französischen Revolution um stehende Heere und Milizen, fürstliche Befehlsgewalt und Nationalbewaffnung geben hatte. 1870/71 stellt sich bei den deutschen Gebildeten eine klare Option für die staatliche Lenkung der Kriegführung heraus, unter der Voraussetzung freilich, daß die Streitkräfte über die allgemeine Wehrpflicht zur Gesellschaft hin geöffnet sind. Dem Volkskrieg wird eine klare Absage erklärt. Er wird auf der politischen Ebene mit Republik und Demokratie identifiziert, während man im preußisch-deutschen Modell eine gelungene Synthese und Führung und Partizipation zu erkennen vermeint. Die erfolgreiche Kriegführung soll die Leistungsfähigkeit eines politischen Systems verbürgen, das ebenfalls von einem Kompromiß zwischen alten und neuen Eliten getragen wird. Das zweite Hauptthema ist das Verhältnis von Krieg und Nationswerdung, von Armee und Nationalidentität. Die Geburt der Nation aus dem Krieg erleichtert den Merkmalstransfer von der Armee auf die Nationalidentität. Die bürgerliche Öffentlichkeit nutzt diesen Mechanismus, um durch eine ausgesprochen bürgerliche Zeichnung des Heeres auch den Anteil des eigenen Lagers am neuen Nationalstaat zu unterstreichen. Die deutschen Soldaten werden zu Erwerbs- und Familienmenschen stilisiert, die auch während des Feldzuges konsequent in den sozialen Rollen verbleiben, die sie im Frieden innehatten - alles Landsknechthafte bleibt ihnen fremd. Eine solche Armee ist wirklich der Agent des Nationalinteresses, sie ist praktisch mit der Nation identisch, auch wenn es nach wie vor die alte Militäraristokratie ist, der man ihre Führung anvertraut. Diese Delegierung ist jedoch nicht mehr durch Tradition und Privileg begründet, sondern wird aufgrund von fachlichem Können vorgenommen. Nationales Engagement und professionelle Führung gehen eine Synthese ein, die das besondere Leistungsvermögen der deutschen Streitkräfte begründet.

Projektbegleitende Aktivitäten:
Präsentation der Teilausstellung "Bilder von Krieg und Nation" im Rahmen der Ausstellung "Vergangenes bewahren - Zukunft sichern: Building upon Heritage" der Universität Münster in der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen bei der Europäischen Union in Brüssel (24.6.-10.7.1998).

Drittmittelgeber:

Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Schwerpunktprogramms "Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft im Europa der Neuzeit - Ansätze zu einer neuen 'Geistesgeschichte'"

Beteiligte Wissenschaftler:

Prof. Dr. Hans-Ulrich Thamer (Leiter), PD Dr. Frank Becker

Veröffentlichungen:

Becker, F.: Die Anfänge der deutschen Kriegsfotografie in der Ära der Reichseinigungs kriege (1864-1871), in: Thilo Eisermann u.a. (Hgg.), Propaganda. Von der Macht des Wortes zur Macht der Bilder, Hamburg: Verlag Ingrid Kämpfer 1998, S.69-102.

Becker, F.: Bilder von Krieg und Nation. Der Frankreichfeldzug von 1870/71 in der deutschen Graphik und Malerei, in: Jahrbuch für Historische Bildungsforschung, Bd.5 (1999), S.133-166.

Becker, F.: Bilder von Krieg und Nation. Die Einigungskriege in der bürgerlichen Öffentlichkeit Deutschlands 1864-1913, München: R. Oldenbourg Verlag 2001 (=Ordnungs systeme. Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit, hg. von Dietrich Beyrau, Anselm Doe ring-Manteuffel und Lutz Raphael; 7).

Becker, F.: "Getrennt marschieren, vereint schlagen". Königgrätz, 3. Juli 1866, in: Stig Förster u.a. (Hgg.), Schlachten der Weltgeschichte, München: Verlag C.H. Beck 2001 [im Druck].

 
 
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Hans-Joachim Peter
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Datum: 2001-10-17