Forschungsbericht 1999-2000   
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Fachbereich 03 - Rechtswissenschaftliche Fakultät
Freiherr-vom-Stein-Institut, Wissenschaftliche Forschungsstelle des Landkreistages Nordrhein-Westfalen an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
Sparkassenrecht
 


Kapitalbeteiligungsgesellschaften der Sparkassen

Für die kommunalen Sparkassen erlangt der Beteiligungserwerb an mittelständischen Unternehmen zum Zwecke der Beteiligungsfinanzierung immer größere Bedeutung. Zur Finanzierung unternehmerischen Wachstums bestehen die Alternativen der Innen- und der Außenfinanzierung. Die wichtigste Quelle der Innenfinanzierung stellt die Finanzierung aus einbehaltenen Gewinnen dar. Schnell wachsende Unternehmen haben jedoch häufig einen Kapitalbedarf, der die Möglichkeiten der Innenfinanzierung übersteigt, so daß von außen neue finanzielle Mittel zugeführt werden müssen. Dies kann durch Kapitalerhöhung (Eigenfinanzierung) oder durch Kreditaufnahme (Fremdfinanzierung) erfolgen. Kapitalsuchende Unternehmen können ihren Kapitalbedarf zwar in weitem Umfang über eine Kreditaufnahme decken. Das Finanzierungsinstrument der Fremdfinanzierung stößt aber dann an seine Grenzen, wenn der Verschuldungsgrad eine Höhe erreicht, in der das unternehmerische Risiko vom Unternehmer praktisch voll auf den Fremdkapitalgeber abgewälzt wird. Eine ausreichende Eigenkapitalausstattung ist überhaupt erst die Voraussetzung dafür, Kredite aufnehmen zu können. Seit Beginn der Bilanzauswertung durch die Deutsche Bundesbank im Jahre 1965 ist die Entwicklung zu beobachten, daß die Eigenkapitalausstattung der deutschen Unternehmen, vor allem mittelständischer Betriebe, die den überwiegenden Anteil an der Wirtschaft stellen, beständig absinkt. Lag der Anteil der Eigenmittel an der Bilanzsumme im Jahr 1965 noch bei rund 30 %, so belief er sich im Jahr 1997 auf knapp 18 %. Als eine Möglichkeit zur Lösung dieses Problems wurden seit den sechziger Jahren nach dem Vorbild der USA auch in Deutschland Kapitalbeteiligungsgesellschaften gegründet. Diese erwerben Beteiligungen an Unternehmen, welche die Grenzen des Wachstums aus eigener Kraft erreicht haben und denen aufgrund ihrer Rechtsform oder Größe der Zugang zum organisierten Kapitalmarkt verschlossen ist.

Für die kommunalen Sparkassen gelten hinsichtlich des Beteiligungserwerbs besondere Bedingungen. Dies hängt mit Organisation und gesetzlicher Aufgabenstellung der kommunalen Sparkassen zusammen. Bei ihnen handelt es sich um Anstalten des öffentlichen Rechts, die trotz ihrer rechtlichen Verselbständigung Teil der Verwaltung sind. Kraft Gesetzes obliegt den Sparkassen die Aufgabe der geld- und kreditwirtschaftlichen Versorgung der Bevölkerung, der (mittelständischen) Wirtschaft und des Gewährträgers (sogenannter öffentlicher Auftrag). Die Geschäftstätigkeit der Sparkassen muß der Erfüllung des öffentlichen Auftrages dienen, keine geschäftliche Betätigung darf außerhalb dieses Zwecks liegen. Die Vornahme von Beteiligungsfinanzierungen ist mit dem öffentlichen Auftrag der Sparkassen zu vereinbaren, weil sie der geld- und kreditwirtschaftlichen Versorgung der mittelständischen Wirtschaft dient. Die Aufgabe der Sparkassen liegt unter anderem in der Bereitstellung von Kapital zur Stärkung der örtlichen Wirtschaft. Die Beteiligungsfinanzierung ist als eine Fortsetzung des Kreditgeschäfts mit anderen Mitteln zu verstehen.

Zur Begrenzung des Risikos für den Gewährträger und zur Sicherstellung der jederzeitigen Aufgabenerfüllung unterliegen die Sparkassen geschäftlichen Beschränkungen. In der Praxis der Gesetzgebung der Länder erfolgt die Beschränkung des Beteiligungserwerbs durch zwei grundsätzlich unterschiedliche Regelungsmodelle. In Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz sind die Voraussetzungen des Beteiligungserwerbs in der Sparkassenverordnung bzw. im Sparkassengesetz abschließend geregelt. In den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen ist der Beteiligungserwerb nur mit einer Ausnahmegenehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde möglich, sofern bestimmte normierte Tatbestände nicht vorliegen oder Bagatellgrenzen überschritten werden. Keine Regelungen bestehen in Hamburg und Berlin.

Die Möglichkeit des Beteiligungserwerbs kommunaler Sparkassen in Nordrhein-Westfalen ist in der Sparkassenverordnung NW geregelt. Inhaltlich ist innerhalb des § 7 SpkVO NW eine strikte Zweiteilung vorzunehmen. Von Absatz 2 sind alle Beteiligungen an solchen Unternehmen erfaßt, die Aufgaben wahrnehmen, welche ebensogut von der Sparkasse selbst zur Erfüllung des öffentlichen Auftrags erledigt werden könnten. Demgegenüber erfassen die Absätze 3 bis 6 alle übrigen Beteiligungen, sie sind nur unter den allgemeinen einschränkenden Voraussetzungen des Absatzes 3 zulässig. Alle Fälle, in denen die Sparkassen anstelle des Erwerbs einer Beteiligung theoretisch auch einen Kredit geben könnten, sind von § 7 Absatz 3 SpkVO NW erfaßt.

Nachdem in der aktuellen Fassung der Sparkassenverordnung Kapitalbeteiligungsgesellschaften nicht mehr ausdrücklich erwähnt sind, ist es eine Frage der Auslegung, ob sie einen Anwendungsfall des Absatzes 2 oder 3 darstellen. Nach § 7 Absatz 2 SpkVO NW darf sich die Sparkasse zum Zwecke der Durchführung von Hilfstätigkeiten, Vermittlungsgeschäften, Grundstückserschließungen und zur technischen Abwicklung ihres Rechnungswesens an Unternehmen und Einrichtungen beteiligen. Beteiligungen an Kapitalbeteiligungsgesellschaften sind als Hilfstätigkeiten i.S.d. Absatzes 2 anzusehen. Vom reinen Wortlaut der Norm betrachtet liegt dies nicht nahe, schließlich hat die Beteiligungsfinanzierung keine Hilfsfunktion für die Kreditvergabe, sondern eine eigenständige Bedeutung. Konsequenz einer Einordnung in Absatz 3 wäre allerdings, daß die Beteiligungsfinanzierung nur unter den dort genannten eingeschränkten Voraussetzungen (Renditeorientierung, Verbot des Tochterunternehmens und Begrenzung des Beteiligungserwerbs auf 12,5 % des haftenden Eigenkapitals der Sparkasse) zulässig wäre. Dies würde u.a. bedeuten, daß die Sparkasse eine Kapitalbeteiligungsgesellschaft nicht als Tochterunternehmen in eigener Regie betreiben dürfte, was mit den praktischen Bedürfnissen kaum vereinbar wäre.

Für die Durchführung von Beteiligungsfinanzierungen ist § 7 Absatz 3 SpkVO NW allerdings insofern von Bedeutung, als er den Beteiligungserwerb der sparkasseneigenen Kapitalbeteiligungsgesellschaft an gewerblichen Unternehmen (indirekter Beteiligungserwerb der Sparkasse) erfaßt.

Hinsichtlich der regionalen Beschränkungen kann ein sparkasseneigenes Unternehmen keine weitergehenden Rechte besitzen als die Sparkasse selbst. Andernfalls könnten die Schutzvorschriften des Sparkassenrechts ausgehebelt werden. Dementsprechend legt § 3 Absatz 4 Satz 1 SpkVO NW fest, daß Sparkassen sich an Unternehmen und Einrichtungen nur dann beteiligen dürfen, wenn deren Sitz im Satzungsgebiet gelegen ist.

Für die anderen Bundesländer, in denen das jeweilige Sparkassenrecht die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für den Beteiligungserwerb vorsieht, lassen sich wegen der Gleichheit der Grundstrukturen des kommunalen Sparkassenwesens in Deutschland einheitliche Genehmigungskriterien für die Aufsichtsbehörden aufstellen. Dies sind:

  1. die Vereinbarkeit des Beteiligungszwecks mit dem öffentlichen Auftrag,
  2. das Verbot der Übernahme unternehmerischer Verantwortung in fremden Branchen,
  3. die Einhaltung des Regionalprinzips,
  4. die Nichtbeeinträchtigung des Verbundprinzips,
  5. die Wahl einer haftungsbeschränkenden Rechtsform,
  6. die Verfolgung eines wirtschaftlich schlüssigen Konzeptes,
  7. das Verbot der Umgehung sparkassenrechtlicher Regelungen und Grundsätze,
  8. die Schaffung eines leistungsfähigen Risikomanagements,
  9. die Beschlußfassung durch den Verwaltungsrat (außer im Saarland, nur eingeschränkt in Bremen).
Wenn alle genannten Voraussetzungen erfüllt sind, ist den kommunalen Sparkassen das Betreiben der Beteiligungsfinanzierung möglich. Bei der Entscheidung über die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen steht den Aufsichtsbehörden kein Ermessensspielraum zu. Der Betrieb einer Sparkasse ist ein Element der sowohl bundes- als auch landesverfassungsrechtlich verankerten kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. Über die Träger der Selbstverwaltung findet nur eine reine Rechtsaufsicht statt.

Neben den sparkassenrechtlichen Regelungen müssen die Sparkassen auch die allgemeinen Vorschriften des Kreditwesengesetzes über den Beteiligungserwerb beachten. Dies sind insbesondere die Erwerbsobergrenzen des § 12 KWG und die Anzeigepflichten des § 24 KWG.

Beteiligte Wissenschaftler:

Dr. Raphael Lohmiller, Prof. Dr. Dirk Ehlers (Leiter)

Veröffentlichungen:

Lohmiller, R.: Perspektiven der kommunalen Sparkassen (Tagungsbericht), in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2000, S. 747 ff.

Lohmiller, R.: Beteiligungsfinanzierung kommunaler Sparkassen durch Kapitalbeteiligungsgesellschaften, in: Wertpapier-Mitteilungen (WM) 2000, S. 2473

 
 
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Hans-Joachim Peter
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Datum: 2001-06-25 ---- 2001-07-16