Forschungsbericht 1999-2000 | |
Freiherr-vom-Stein-Institut, Wissenschaftliche Forschungsstelle des Landkreistages Nordrhein-Westfalen an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Von-Vincke-Straße 10 48143 Münster Tel. (0251) 41 85 7 - 0 Fax: (0251) 41 85 7 - 20 e-mail: martell@uni-muenster.de WWW: http://www.uni-muenster.de/Jura.fsi/ Geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. Janbernd Oebbecke | |
Forschungsschwerpunkte 1999 - 2000
Fachbereich 03 - Rechtswissenschaftliche Fakultät Freiherr-vom-Stein-Institut, Wissenschaftliche Forschungsstelle des Landkreistages Nordrhein-Westfalen an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Umweltrecht | ||||
Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht -
Ein wesentlicher Gegenstand der aktuellen Diskussion im öffentlichen Recht ist
die Suche nach sogenannten neuen Steuerungsformen. In diesem Zusammenhang
wurde und wird die gesellschaftliche Selbstregulierung in den Blick genommen. Die
Habilitationsschrift insgesamt die dritte, die am
Freiherr-vom-Stein-Institut entstanden ist leistet einen Beitrag zur
Analyse der Möglichkeiten und Grenzen gesellschaftlicher Selbstregulierung in
Bereichen, die herkömmlicherweise durch das öffentliche Recht geregelt
werden. Untersuchungsgegenstand ist dabei nicht die vom Staat zufällig
vorgefundene, sondern die vom Staat bewußt initiierte und induzierte
gesellschaftliche Selbstregulierung zur Erfüllung seiner Aufgaben und zur
Erreichung von Gemeinwohlzielen im Referenzgebiet des Umweltrechts.
Im ersten der in vier Teile gegliederten Untersuchung gibt die Verfasserin zunächst
einen Überblick über gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Recht,
wobei der Schwerpunkt auf gesellschaftlichen Selbstregulierungssystemen im
öffentlichen Recht liegt. Im einzelnen werden unter anderem etablierte
Selbstregulierungssysteme wie etwa die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, die
Presse-Selbstkontrolle und die Selbstkontrolle der Werbewirtschaft, aber auch relativ neue
Selbstregulierungssysteme wie die Selbstkontrolle in Form der Ethikkommission, die
Selbstregulierung für das Internet und im Rahmen von Verfahrensprivatisierungen
vorgestellt. Anschließend wird der Begriff der gesellschaftlichen Selbstregulierung im
Hinblick auf das Untersuchungsziel bestimmt. Als zentrale Merkmale der gesellschaftlichen
Selbstregulierung werden die Freiwilligkeit im Sinne eines rechtlichen Handlungsspielraums
und die Regelungs- und/oder Vollzugssubstitution herausgefiltert. Es folgt eine
Erörterung des Stellenwerts gesellschaftlicher Selbstregulierung im System der
Handlungsformen im Verwaltungsrecht und als neue Steuerungsform im Recht. Strukturelle
Schwächen des Rechts die insbesondere von der sozialwissenschaftlichen
Systemtheorie thematisiert werden gekoppelt mit einem Implementationsdefizit
haben die Steuerungsform Recht in eine Krise geführt. Untersucht wird, ob die staatliche
Induzierung gesellschaftlicher Selbstregulierung eine demgegenüber
vorzugswürdige neue Steuerungsform darstellt und wie sie sich zur Steuerungsform
Recht verhält. Schließlich wird der rechtliche Stellenwert eines Prinzips der
Förderung gesellschaftlicher Selbstregulierung als Komponente grundrechtlicher
Abwehrfunktion, die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Prämisse
gesellschaftlicher Selbstregulierung von den Begriffen der Selbstverwaltung, der Privatisierung
und der Deregulierung erörtert.
Der zweite Teil der Untersuchung enthält eine kurze Darstellung der historischen
Entwicklung von Selbstregulierungssystemen im Umweltrecht anhand der Beispiele der
Dampfkessel-Überwachungs-Vereine und der Wassergenossenschaften. Außerdem
wird eine eigene Typologie der Selbstregulierungssysteme im Referenzgebiet des
Umweltrechts anhand der im ersten Teil herausgefilterten Begriffsmerkmale gesellschaftlicher
Selbstregulierung entwickelt, wobei auch die von der Unabhängigen
Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch zu den jeweiligen Typen
vorgeschlagene Fortentwicklung des Umweltrechts berücksichtigt wird.
Im dritten und ausführlichsten Teil konzentriert sich die Untersuchung auf die staatlich
induzierten Selbstverpflichtungen der Wirtschaft als ausgewählten Typus
gesellschaftlicher Selbstregulierung im Umweltrecht, wobei der Schwerpunkt auf einer
ausführlichen Analyse der verfassungsrechtlichen, einfachrechtlichen und
europarechtlichen Vorgaben für staatlich induzierte Selbstverpflichtungen liegt. Der
Erörterung der rechtlichen Voraussetzungen und Grenzen vorgelagert ist eine
Darstellung des Stellenwertes von Selbstverpflichtungen und Umweltvereinbarungen in der
deutschen und europäischen Umweltpolitik sowie eine tatsächliche
Bestandsaufnahme der Selbstverpflichtungen. Ausführlich beschrieben und im weiteren
Verlauf der Untersuchung immer wieder beispielhaft herangezogen werden die Altauto- und die
Klimaschutzselbstverpflichtung. Der Schwerpunkt der verfassungsrechtlichen Analyse liegt auf
den Vorgaben des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips, den aus den Grundrechten
resultierenden staatlichen Schutzpflichten sowie auf der sogenannten Eingriffsproblematik. Die
staatliche Induzierung von Selbstverpflichtungen dürfte bei hinreichendem
Handlungsspielraum der sich selbst Verpflichtenden wegen der Mitwirkung der Betroffenen
keinen Eingriff in die vertragsnahen Grundrechte der Art. 12 und 14 GG
(Stichwort: Grundrechtsverzicht) darstellen. Eine andere Bewertung ist aber bei den in ihren
Grundrechten individualisierbar Betroffenen, aber nicht an der Selbstverpflichtung beteiligten
Dritten geboten. Einen Schwerpunkt der einfachrechtlichen und der europarechtlichen
Vorgaben staatlich induzierter Selbstverpflichtungen stellt das nationale bzw. das
europäische Kartellrecht dar. Das nationale Kartellrecht bot bisher nur begrenzte
Möglichkeiten für Umweltschutzkartelle in Form von Selbstverpflichtungen. Der
mit der sechsten Kartellrechtsnovelle eingeführte § 7 GWB schafft
größere Möglichkeiten als bisher, Umweltschutzbelangen im Wettbewerb
zumindest im Rahmen der Kreislaufwirtschaft Rechnung zu tragen.
Auf mitgliedstaatlich induzierte nationale Selbstverpflichtungen als hoheitlich veranlaßte
Wettbewerbsbeschränkungen sind die Art. 81 und 82 EGV anzuwenden. Sie
können aber nach ihrer Anmeldung bei der Kommission gemäß
Art. 81 Abs. 3 EGV von dieser freigestellt werden, wobei die
hierfür bestehenden Voraussetzungen nicht nur ökonomisch-quantitativ, sondern
unter Berücksichtigung der Querschnittsklausel des Art. 6
EGV auch ökologisch-qualitativ zu verstehen sind. Auch aus den
Grundfreiheiten, speziell der Warenverkehrsfreiheit der Art. 28 ff. EGV,
ergeben sich Grenzen für mitgliedstaatlich induzierte nationale Selbstverpflichtungen.
Eine Untersuchung europäischer Richtlinien durch die in aller Regel unverbindlichen
deutschen Selbstverpflichtungen dürfte auf europäischer Ebene auf
Schwierigkeiten stoßen. Bisher kommt allenfalls eine Umsetzung von
Richtlinienbestimmungen, die keine Rechte oder Pflichten Dritter begründen, durch
privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verträge in Betracht. Der dritte Teil
endet mit einem Blick auf die Vereinbarkeit staatlich induzierter Selbstverpflichtungen mit den
Regeln der World Trade Organisation.
Der vierte Teil der Arbeit enthält eine thesenförmige Zusammenfassung der
Ergebnisse der Untersuchung.
Beteiligte Wissenschaftler:
Veröffentlichungen: |
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Hans-Joachim Peter