Forschungsbericht 1999-2000   
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Fachbereich 03 - Rechtswissenschaftliche Fakultät
Freiherr-vom-Stein-Institut, Wissenschaftliche Forschungsstelle des Landkreistages Nordrhein-Westfalen an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
Umweltrecht
 


Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht -
unter besonderer Berücksichtigung der Selbstverpflichtungen

Ein wesentlicher Gegenstand der aktuellen Diskussion im öffentlichen Recht ist die Suche nach sogenannten neuen Steuerungsformen. In diesem Zusammenhang wurde und wird die gesellschaftliche Selbstregulierung in den Blick genommen. Die Habilitationsschrift ­ insgesamt die dritte, die am Freiherr-vom-Stein-Institut entstanden ist ­ leistet einen Beitrag zur Analyse der Möglichkeiten und Grenzen gesellschaftlicher Selbstregulierung in Bereichen, die herkömmlicherweise durch das öffentliche Recht geregelt werden. Untersuchungsgegenstand ist dabei nicht die vom Staat zufällig vorgefundene, sondern die vom Staat bewußt initiierte und induzierte gesellschaftliche Selbstregulierung zur Erfüllung seiner Aufgaben und zur Erreichung von Gemeinwohlzielen im Referenzgebiet des Umweltrechts.

Im ersten der in vier Teile gegliederten Untersuchung gibt die Verfasserin zunächst einen Überblick über gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Recht, wobei der Schwerpunkt auf gesellschaftlichen Selbstregulierungssystemen im öffentlichen Recht liegt. Im einzelnen werden unter anderem etablierte Selbstregulierungssysteme wie etwa die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, die Presse-Selbstkontrolle und die Selbstkontrolle der Werbewirtschaft, aber auch relativ neue Selbstregulierungssysteme wie die Selbstkontrolle in Form der Ethikkommission, die Selbstregulierung für das Internet und im Rahmen von Verfahrensprivatisierungen vorgestellt. Anschließend wird der Begriff der gesellschaftlichen Selbstregulierung im Hinblick auf das Untersuchungsziel bestimmt. Als zentrale Merkmale der gesellschaftlichen Selbstregulierung werden die Freiwilligkeit im Sinne eines rechtlichen Handlungsspielraums und die Regelungs- und/oder Vollzugssubstitution herausgefiltert. Es folgt eine Erörterung des Stellenwerts gesellschaftlicher Selbstregulierung im System der Handlungsformen im Verwaltungsrecht und als neue Steuerungsform im Recht. Strukturelle Schwächen des Rechts ­ die insbesondere von der sozialwissenschaftlichen Systemtheorie thematisiert werden ­ gekoppelt mit einem Implementationsdefizit haben die Steuerungsform Recht in eine Krise geführt. Untersucht wird, ob die staatliche Induzierung gesellschaftlicher Selbstregulierung eine demgegenüber vorzugswürdige neue Steuerungsform darstellt und wie sie sich zur Steuerungsform Recht verhält. Schließlich wird der rechtliche Stellenwert eines Prinzips der Förderung gesellschaftlicher Selbstregulierung als Komponente grundrechtlicher Abwehrfunktion, die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Prämisse gesellschaftlicher Selbstregulierung von den Begriffen der Selbstverwaltung, der Privatisierung und der Deregulierung erörtert.

Der zweite Teil der Untersuchung enthält eine kurze Darstellung der historischen Entwicklung von Selbstregulierungssystemen im Umweltrecht anhand der Beispiele der Dampfkessel-Überwachungs-Vereine und der Wassergenossenschaften. Außerdem wird eine eigene Typologie der Selbstregulierungssysteme im Referenzgebiet des Umweltrechts anhand der im ersten Teil herausgefilterten Begriffsmerkmale gesellschaftlicher Selbstregulierung entwickelt, wobei auch die von der Unabhängigen Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch zu den jeweiligen Typen vorgeschlagene Fortentwicklung des Umweltrechts berücksichtigt wird.

Im dritten und ausführlichsten Teil konzentriert sich die Untersuchung auf die staatlich induzierten Selbstverpflichtungen der Wirtschaft als ausgewählten Typus gesellschaftlicher Selbstregulierung im Umweltrecht, wobei der Schwerpunkt auf einer ausführlichen Analyse der verfassungsrechtlichen, einfachrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben für staatlich induzierte Selbstverpflichtungen liegt. Der Erörterung der rechtlichen Voraussetzungen und Grenzen vorgelagert ist eine Darstellung des Stellenwertes von Selbstverpflichtungen und Umweltvereinbarungen in der deutschen und europäischen Umweltpolitik sowie eine tatsächliche Bestandsaufnahme der Selbstverpflichtungen. Ausführlich beschrieben und im weiteren Verlauf der Untersuchung immer wieder beispielhaft herangezogen werden die Altauto- und die Klimaschutzselbstverpflichtung. Der Schwerpunkt der verfassungsrechtlichen Analyse liegt auf den Vorgaben des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips, den aus den Grundrechten resultierenden staatlichen Schutzpflichten sowie auf der sogenannten Eingriffsproblematik. Die staatliche Induzierung von Selbstverpflichtungen dürfte bei hinreichendem Handlungsspielraum der sich selbst Verpflichtenden wegen der Mitwirkung der Betroffenen keinen Eingriff in die vertragsnahen Grundrechte der Art. 12 und 14 GG (Stichwort: Grundrechtsverzicht) darstellen. Eine andere Bewertung ist aber bei den in ihren Grundrechten individualisierbar Betroffenen, aber nicht an der Selbstverpflichtung beteiligten Dritten geboten. Einen Schwerpunkt der einfachrechtlichen und der europarechtlichen Vorgaben staatlich induzierter Selbstverpflichtungen stellt das nationale bzw. das europäische Kartellrecht dar. Das nationale Kartellrecht bot bisher nur begrenzte Möglichkeiten für Umweltschutzkartelle in Form von Selbstverpflichtungen. Der mit der sechsten Kartellrechtsnovelle eingeführte § 7 GWB schafft größere Möglichkeiten als bisher, Umweltschutzbelangen im Wettbewerb ­  zumindest im Rahmen der Kreislaufwirtschaft ­ Rechnung zu tragen. Auf mitgliedstaatlich induzierte nationale Selbstverpflichtungen als hoheitlich veranlaßte Wettbewerbsbeschränkungen sind die Art. 81 und 82 EGV anzuwenden. Sie können aber nach ihrer Anmeldung bei der Kommission gemäß Art. 81 Abs. 3 EGV von dieser freigestellt werden, wobei die hierfür bestehenden Voraussetzungen nicht nur ökonomisch-quantitativ, sondern ­ unter Berücksichtigung der Querschnittsklausel des Art. 6 EGV ­ auch ökologisch-qualitativ zu verstehen sind. Auch aus den Grundfreiheiten, speziell der Warenverkehrsfreiheit der Art. 28 ff. EGV, ergeben sich Grenzen für mitgliedstaatlich induzierte nationale Selbstverpflichtungen. Eine Untersuchung europäischer Richtlinien durch die in aller Regel unverbindlichen deutschen Selbstverpflichtungen dürfte auf europäischer Ebene auf Schwierigkeiten stoßen. Bisher kommt allenfalls eine Umsetzung von Richtlinienbestimmungen, die keine Rechte oder Pflichten Dritter begründen, durch privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verträge in Betracht. Der dritte Teil endet mit einem Blick auf die Vereinbarkeit staatlich induzierter Selbstverpflichtungen mit den Regeln der World Trade Organisation.

Der vierte Teil der Arbeit enthält eine thesenförmige Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung.

Beteiligte Wissenschaftler:

Privatdozentin Dr. Angela Faber, Prof. Dr. Werner Hoppe (Leiter)

Veröffentlichungen:

Faber, A.: Selbstregulierung und Kooperation bei der Bauleitplanung (Vorhaben- und Erschließungsplan § 12 BauGB), in: Wilfried Erbguth/Janbernd Oebbecke/Hans-Werner Rengeling/Martin Schulte (Hrsg.), Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000, S. 425 ff.

 
 
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Hans-Joachim Peter
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Datum: 2001-06-25