Forschungsbericht 1997-98   
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Direktorin: Prof. Dr. A. Lamprecht-Dinnesen

 
 
 
[Pfeile blau] Forschungsschwerpunkte 1997 - 1998
Fachbereich 05 - Medizinische Fakultät
Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie
Forschungsschwerpunkt "Innenohrforschung"
 


Die Temperaturabhängigkeit transitorisch evozierter otoakustischer Emissionen (TEOAE)

Durch eine akustische Stimulierung der Cochlea werden in den äußeren Haarzellen (OHC) aktive mechanische Prozesse ausgelöst. Erst nach der aktiven Schallverstärkung durch die OHC kann in den inneren Haarzellen die eigentliche Transduktion, die Umwandlung akustischer in elektrische Energie erfolgen. Als Epiphänomen dieses aktiven Vorganges entstehen die otoakustischen Emissionen (OAE), die als Schallphänomene in den Gehörgang abgestrahlt und dort mit Hilfe empfindlicher Mikrophone aufgezeichnet werden können.

Über einen sensorineuralen Regelkreis unter Einschluß des afferenten und efferenten auditorischen Systems und der oberen Olive stehen die äußeren Haarzellen unter deren zentraler Kontrolle. Eine Verbindung zwischen Olive und Cochlea, das olivocochleäre Bündel (OCB), zieht gekreuzt und ungekreuzt vorwiegend zu den äußeren Haarzellen und steuert die aktive Mikromechanik der Cochlea.

Einflüsse der Körpertemperatur auf den neurophysiologischen Stoffwechsel sind bekannt. In Hypothermie nehmen die Membranruhepotentiale, Amplituden und Nervenleitgeschwindigkeiten ab, die Dauer der Aktionspotentiale steigt an. Dabei sind synaptische Fortleitungen stärker beeinflußt als rein axonale Vorgänge. Mit abnehmender Körpertemperatur sinkt das endocochleäre Potential, die elektromechanische Transduktion wird vermindert.

Wir untersuchten das Verhalten der durch einen Clickreiz hervorgerufenen transitorisch evozierten otoakustischen Emissionen (TEOAE) bei abnehmender und anschließend wieder auf den Normwert ansteigender Körpertemperatur bei 30 Patienten, die sich in moderater bis tiefer Hypothermie einem thoraxchirurgischen Eingriff unterziehen mußten.

In einem Tierexperiment konnte bei 22 Meerschweinchen die Funktion des OCB in Abhängigkeit von der Körpertemperatur überprüft werden.

Sowohl beim Menschen als auch im Tierexperiment sind Veränderungen der TEOAE festzustellen. Die Amplitude und Reproduzierbarkeit der TEOAE werden mit abnehmender Körpertemperatur geringer und verschwinden schließlich unterhalb der Nachweisgrenze. Dabei handelt es sich um einen reversiblen Vorgang, denn die OAE kehren mit ansteigender Temperatur wieder zurück und erreichen nahezu den Ausgangswert.

Bei den Patienten ließen sich unterhalb von 33,4°C (vesikal gemessen) resp. 30,2°C (nasopharyngeal gemessen) keine TEOAE mehr nachweisen. Nach dem Beginn der Erwärmung konnten die Emissionen bereits bei 28,8°C resp. 27,5°C erneut gemessen werden. Im Tierversuch finden sich die Emissionen bei einer rektal gemessenen Körpertemperatur von < 27,7°C resp. 28,7°C (orale Temperaturmessung) nicht mehr. Mit der Erwärmung auf 31,2°C resp. 30,4°C können die Emissionen wieder sicher bestimmt werden.

In einer frequenzspezifischen Analyse wurden die Temperatureckwerte für das

1,6/2 kHz-Band und das 4 kHz-Band ermittelt. In den Frequenzbändern sind die Emissionen beim Menschen im mittleren Frequenzbereich unterhalb von 33,4°C (vesikal) bzw. 30,4°C (nasopharyngeal) nicht mehr meßbar, im 4 kHz-Band unterhalb von 33,6°C bzw. 31,1°C. Anders verhält es sich in der Phase der Erwärmung, denn im 1,6/2 kHz-Band können die TEOAE schon bei 28,2°C (vesikal) bzw. 27,6°C (nasopharyngeal) nachgewiesen werden. Zur Ermittlung der hochfrequenten Emissionen sind um mehr als 2°C höhere Körpertemperaturen erforderlich. Bei der Untersuchung der Meerschweinchen benötigen die Emissionen des 4 kHz-Bandes sogar in beiden Hypothermiephasen eine höhere Körpertemperatur: Während im

2 kHz-Band die Emissionen erst unterhalb von 28,4°C (rektal) resp. 29,5°C (oral) abklingen, ist dieses für das 4 kHz-Band bereits bei 30,6°C (rektal) resp. 31,6°C (oral) der Fall. In der Aufwärmphase sind die Emissionen im 2 kHz-Band bei 29,4°C zurück, die Temperaturdifferenz zur Ermittlung der OAE im 4 kHz-Band liegt bei mehr als 2°C.

Die Aktivierung des OCB, hervorgerufen durch eine kontralaterale Beschallung, beeinflußt die Amplituden der TEOAE in der Abkühlphase bis 32°C (rektal) resp. 33°C (oral). Unterhalb dieser Körpertemperaturen kehren sich die Einflüsse um, die Amplituden nehmen also bei kontralateraler Beschallung zu. Bei der anschließenden Erwärmung bleiben die Einflüsse der kontralateralen Beschallung bis 35°C (oral) umgekehrt. Wird die rektale Temperaturmessung zugrunde gelegt, wird das Ursprungsmuster auch nach Erreichen der normalen Körpertemperatur nicht wieder erreicht.

Zahlreiche Faktoren können sich auf die TEOAE auswirken. Dazu gehören die während der Anästhesie und Hypothermie auftretenden Veränderungen des Mittelohrdruckes, die verschiedenen Anästhesieverfahren, Blut- und Hirndruckänderungen, Alter und Geschlecht der Versuchsgruppen. Diese Einflüsse wurden gewertet und berücksichtigt.

Zur Ermittlung der aktuellen Körpertemperatur wurden in beiden Versuchen jeweils ein Meßpunkt nahe der Cochlea und nahe des Körperkerns gewählt. Bei rascher Temperaturänderung ist aber von einer gewissen Zeitverzögerung zwischen gemessener und tatsächlich am Erfolgsorgan existierender Temperatur auszugehen. Die Temperaturwerte sind daher als Näherungen anzusehen, zumal sich bereits innerhalb des Gehirns die Temperaturänderung unterschiedlich auswirken kann. Trotzdem zeigen sich die beschriebenen Veränderungen der TEOAE in ihrer Ausprägung unabhängig vom Ort der Temperaturmessung und von der Art der Temperaturveränderung (Perfusionshypothermie bei den Patienten, Oberflächenhypothermie im Tierexperiment).

Ein wesentlicher, die OAE in diesem Versuch beeinflussender Faktor scheint die verminderte Energiezufuhr durch das in Hypothermie geringere endocochleäre Potential zu sein. Durch eine zusätzliche, in Hypothermie reduzierte Biosynthese, Freisetzung und Aufnahme von Neurotransmittern läßt sich das Verhalten der OAE im Tierexperiment mit durch die kontralaterale Beschallung aktiviertem OCB erklären.

Drittmittelgeber:

Geers-Stiftung, AZ S 030/01.004/97

Beteiligte Wissenschaftler:

Priv.-Doz. Dr. Eberhard Seifert, Prof. Dr. Antoinette Lamprecht-Dinnesen, Dr. Boulos Asfour (Klinik und Poliklinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie), Dr. Heinrich Rotering (Klinik und Poliklinik für Thorax- ,Herz- und Gefäßchirurgie), Prof. Dr. Hans H. Scheld (Klinik und Poliklinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie), Katrin van de Flierdt, Katrin Brand

Veröffentlichungen:

Seifert, E., Lamprecht-Dinnesen, A., Asfour, B., Rotering, H., Bone, H.G., Scheld, H.H.: The influence of body temperature on transient evoked otoacoustic emissions. British Journal of Audiology 32, 1998: 387-398

Seifert, E., Lamprecht-Dinnesen, A., Asfour, B., Rotering, H., Scheld, H.: Das Verhalten otoakustischer Emissionen bei verminderter Körpertemperatur. In: Aktuelle phoniatrisch-pädaudiologische Aspekte (Bd. 4), Hrsg. Gross, M., Eysholdt, U., Verlag Abt. Phoniatrie Göttingen, 1997, 157-159

Seifert, E., Lamprecht-Dinnesen, A., Asfour, B., Rotering, H, Scheld, H. H.: Die Temperaturabhängigkeit verschiedener Frequenzbereiche transitorisch evozierter otoakustischer Emissionen. In: Aktuelle phoniatrisch-pädaudiologische Aspekte (Bd. 5) Hrsg. Gross, M., Median Verlag, Heidelberg, 1998, 267-271

 
 
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Hans-Joachim Peter
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Datum: 1999-09-08