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Die Black-Scholes -Differentialgleichung

Wir verwenden nun den Itô-Kalkül zur Herleitung der Black-Scholes-Formel. Diese Herleitung findet sich beispielsweise in [11,16,17,2,12,13].

Nehmen wir log-normalverteilte Aktienkurse an bei einer risikolosen Verzinsung $r$, so bedeuted dies

\begin{displaymath}
dx = r x  dt + \sigma x   dz
.
\end{displaymath} (55)

Damit ergibt sich
\begin{displaymath}
dx^2
=
\sigma r x^2   dx  dt
+ \sigma^2 x^2 dz^2
+ r^2 x^2 dt^2
\approx
\sigma^2 x^2  dt
.
\end{displaymath} (56)

Berechnen wir nun das Differential des logarithmischen Aktienkurses $f[x]$ = $\ln x$. Mit Hilfe von Itô's Lemma (50) finden wir für
\begin{displaymath}
A[x,t] = r x,
\qquad
B[x,t] = \sigma x
,
\end{displaymath} (57)

sowie mit
\begin{displaymath}
\frac{\partial f}{\partial x} =
\frac{1}{x},
\qquad
\frac{\...
... =
-\frac{1}{x^2},
\qquad
\frac{\partial f}{\partial t} = 0
,
\end{displaymath} (58)

daß
$\displaystyle d\ln x(x,t)$ $\textstyle =$ $\displaystyle \left(
r x \frac{\partial f}{\partial x}
+
\frac{1}{2} \sigma^2 x...
...ial^2 f}{\partial x^2}
\right) dt
+
\sigma x
\frac{\partial f}{\partial x}  dz$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle \left(
r
- \frac{1}{2} \sigma^2
\right) dt
+
\sigma dz
.$ (59)

Also ist $d\ln x$ normalverteilt mit Varianz $\sigma^2 dt$ und Mittelwert $\left(r x- \frac{1}{2} \sigma^2\right) dt$. Daher ist die Summenvariable $\ln x$ ebenfalls normalverteilt mit Varianz $\sigma^2 t$ und Mittelwert $\left(r x- \frac{1}{2} \sigma^2\right) t$. Wir hatten bereits gesehen, daß eine direkte Berechnung diese Resultats ohne benutzung von Itô's Lemma sehr viel schwieriger vonstatten ging.

As nächstes betrachten wir eine von $x$ und evtl. auch von $t$ abhängige Zufallsvariable $C(x,t)$. Solch eine Zufallsvariable wird nun im Folgenden den Preis eines beliebigen Derivats darstellen. Wir werden speziell den Fall später detaillierter diskutieren in dem $C$ den Preis einer Call-Option represäntiert.

Grundlegend für den Zugang von Black-Scholes ist die Moglichkeit durch Halten des Underlyings des Derivats ein risikoloses Portfolio zu konstruieren. Dazu betrachten wir ein Portfolio bestehend aus einer Option und von $-\phi$ Anteilen des Underlyings,

\begin{displaymath}
W = C - \phi x
.
\end{displaymath} (60)

Analog ist $-W$ das Portfolio des Verkäufers der Option (Schreiber, Halter der Short-Position). Der Preis $-C$ entspricht der Verpflichtung, die der Schreiber der Option eingegangen ist. Durch Kauf der gleichen Option, also zum Preis von $C$, kann sich der Schreiber von dieser Verpflichtung wieder freistellen. Die Variable $\phi$ beschreibt aus dieser Sicht den Underlyinganteil (z.B. Aktien), den der Schreiber hält, z.B. zum Zwecke des Absicherns der möglichen aus dem Optiongeschäft entstehenden Verluste (hedgen). Wir haben nun eine Kette von Zufallsvariablen definiert,
\begin{displaymath}
(z,t)
\rightarrow x(z,t)
\rightarrow C(x,t)
\rightarrow W(C,t)
.
\end{displaymath} (61)

Um zur Black-Scholes-Formel zu gelangen, müssen wir nun das stochastische Differential $dC$ bestimmen. Dies geschieht mit Hilfe von Itô's Lemma (50). Zusätzlich müssen wir die Forderung nach Arbitragefreiheit einbeziehen. Diese wird durch eine Bedingung an $dW$ formuliert. So gelangen wir zu einer stochastischen Differentialgleichung für den Preis $C$. Als deren Lösung werden wir schließlich die Black-Scholes-Formel finden.

Nehmen an, daß während des Zeitschrittes nicht gehandelt wird, also daß $d\phi$ = $0$, so gilt

\begin{displaymath}
dW(x)
= dC(x) - \phi   dx
= dC(x) - \phi   \left(r x dt +\sigma x dz\right)
.
\end{displaymath} (62)

Durch Anwendung von Itô's Lemma (50) erhalten wir nun für den Preis $C$ eines beliebigen Derivats,
$\displaystyle d C(x,t)$ $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{\partial C}{\partial x}
\frac{\partial x}{\partial t}
  dt...
...frac{\partial x}{\partial z}\right)^2
dz^2
+ \frac{\partial C}{\partial t}  dt$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle B[x,t] \frac{\partial C}{\partial x}  dz
+\left(
A[x,t] \frac{\p...
...t] \frac{\partial^2 C}{\partial x^2}
+ \frac{\partial C}{\partial t}
\right) dt$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle \sigma x \frac{\partial C}{\partial x}  dz
+\left(
r x \frac{\pa...
... \frac{\partial^2 C}{\partial x^2}
+ \frac{\partial C}{\partial t}
\right) dt
.$ (63)

Damit ergibt sich
\begin{displaymath}
dW
=
\sigma x
\!\!\!\!
\underbrace{
\left(
\frac{\partial C...
...\partial x^2}
+ \frac{\partial C}{\partial t}
\;\Bigg)   dt
.
\end{displaymath} (64)

Interessanterweise sieht man bereits hier, daß bei der Wahl von
\begin{displaymath}
\phi
=
\frac{\partial C}{\partial x}
\end{displaymath} (65)

der Zufallsterm $dz$ eliminiert wird (und an dieser Stelle auch vorläufig die Variable $r$ herausfällt). Wir bezeichnen diese Wahl im Folgenden als ``optimales Hedging'', da dadurch der Zufallseinfluß , und damit das Risiko, vollständig eliminiert wird. Wir erhalten damit,
\begin{displaymath}
dW
=
\left(
\frac{1}{2} \sigma^2 x^2 \frac{\partial^2 C}{\partial x^2}
+ \frac{\partial C}{\partial t}
\right) dt
.
\end{displaymath} (66)

Um weiterhin die Variable $W$ zu eliminieren, brauchen wir eine zweite Bedingung. Diese folgt aus der Forderung nach Arbitragefreiheit. In der Tat haben wir bereits diskutiert, daß Arbitragegewinne möglich sind bei Abweichungen einer (durch Wahl der optimalen Hedginstrategie) deterministischen Wertentwicklung des Portfolios $W$ von einer sich durch durch Verzinsung des Vermögens ergebenden risikolosen Anlage. Eine risikolose Verzinsung entspricht einem Differential [siehe Gl. (56)],
\begin{displaymath}
dW = r W  dt
.
\end{displaymath} (67)

Setzen wir nun also (67) und (68) gleich, erhalten wir
\begin{displaymath}
rW dt
=
\left(
\frac{1}{2} \sigma^2 x^2 \frac{\partial^2 C}{\partial x^2}
+ \frac{\partial C}{\partial t}
\right) dt
.
\end{displaymath} (68)

Kürzen von $ dt$ liefert,
\begin{displaymath}
0
=
\frac{1}{2} \sigma^2 x^2 \frac{\partial^2 C}{\partial x^2}
+ \frac{\partial C}{\partial t}
- rW
,
\end{displaymath} (69)

und Einsetzen der Definition von $W$,
\begin{displaymath}
0
=
\frac{1}{2} \sigma^2 x^2 \frac{\partial^2 C}{\partial x^2}
+ \frac{\partial C}{\partial t}
- r\left( C- \phi x \right)
.
\end{displaymath} (70)

Nach $W$ wird nun $\phi$ eliminiert durch Einsetzen der optimalen Hedgingstrategie (66),
\begin{displaymath}
\frac{\partial C}{\partial t}
=
-\frac{1}{2} \sigma^2 x^2 \f...
... C}{\partial x^2}
- r x \frac{\partial C}{\partial x}
+ r C
.
\end{displaymath} (71)

Dies ist die gesuchte Differentialgleichung von Black-Scholes.

Diese Gleichung folgt also aus:

1.
Der Anwendung von Itô's Lemma (50), unter Annahme eines log-normal verteilten Aktienkurses (56),
2.
dem Verwenden einer optimalen Hedgingstrategie (66),
3.
sowie der Annahme der Arbitragefreiheit, entsprechend Gl. (68).
Insbesondere ist es bemerkenswert, daß bisher keinerlei Annahmen über die Art des Derivats, d.h. der Funktion $C$, gemacht wurden. Die Black-Scholes Differentialgleichung kann also verwendet werden um den Preis beliebiger Derivate zu berechnen (unter den notwendigen idealisierten Bedingungen, wie fehlende Transaktionskosten, sowie der Möglichkeit eines kontinuierlichen Handels von beliebigen Underlyinganteilen inklusive Shortselling). Die verschiedenen Derivate (z.B Call/Put-Optionen) werden alleine durch die Randbedingungen unterschieden.

Technisch gesehen, handelt es sich bei der Black-Scholes-Differentialgleichung um eine Gleichung von der Art einer Diffusionsgleichung. Die klassiche Diffusionsgleichung

\begin{displaymath}
\frac{\partial u}{\partial t}
=
\frac{\partial^2 u}{\partial x^2}
,
\end{displaymath} (72)

enthält als Ableitungsterm in $x$ nur eine zweite Ableitung. Zudem unterscheidet sich das Vorzeichen dieses Terms von dem der Black-Scholes-Differentialgleichung. Dies mag auf den ersten Blick problematisch erscheinen, da Anfangswertprobleme für solch eine Diffusionsgleichung mit ``falschem'' Vorzeichen keine stabile Lösung haben. In der Tat entspricht ein Anfangswertproblem für solch eine Gleichung mit zusätzlichem Minuszeichen nach der Substitution $t\rightarrow -t$ einer rückwärts zu lösenden Diffusionsgleichung, also dem Problem bei gegeben Endzustand den entsprechenden Anfangszustand zu suchen. Da die Diffusionsgleichung Unebenheiten der Anfangsverteilung glättet, werden bei umgekehrter Zeitentwicklung kleinste Störungen verstärkt. Die entsprechenden Lösungen sind also nicht stabil gegenüber kleinsten Änderungen der Anfangsverteilung. Wie wir jetzt sehen werden, ist jedoch bei klassischen Anwendungen der Black-Scholes-Differentialgleichung nicht der Anfangs- sondern der Endwert von $C$ vorgegeben. Dadurch kann Gl. (72) durch geeignete Substitutionen in ein Anfangswertproblem einer gewöhnlichen Diffusionsgleichung überführt werden. Dessen Lösungen sind stabil.


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Joerg_Lemm 2000-02-25