Zu den Debatten um gesellschaftlichen Reformbedarf im kolonialen Ägypten gehörte auch die Infragestellung traditioneller Geschlechterrollen. Kritisiert wurde insbesondere der mangelnde Zugang von Frauen zu Bildung, die Verschleierung und Geschlechtersegregation, die Polygamie sowie die rechtliche Schlechterstellung von Frauen in Ehe und Scheidung. Viele Reformer sahen in der ‘Befreiung der Frau‘ eine wichtige Voraussetzung um die selbstempfundene Rückschrittlichkeit der eigenen Gesellschaft zu überwinden und so gleichberechtigt neben den europäischen Mächten bestehen zu können. Die ‘Frauenfrage‘ wird so zu einem wichtigen Bestandteil des nationalistisch-antikolonialistischen Diskurses – ein Diskurs freilich, in dem in erster Linie Männer ihre Ansichten darüber artikulieren, welche Rolle Frauen in der Gesellschaft einnehmen sollen.
Zu den wichtigsten Zeitgenossen, die ‛feministische’ Texte hinterlassen haben, gehören Rifa’a Rafi‘ at-Tahtawi (1801-73), der ein früher Verfechter der Frauenbildung war, Qasim Amin (1863-1908), der vielen als der „Vater des arabischen Feminismus“ gilt, sowie die ägyptische Publizistin Malak Hifni Nasif (1886-1918). In der Übung werden wir ausgewählte Textabschnitte aus diesen Werken lesen.
Als vorbereitende und begleitende Lektüre wird empfohlen: Ahmed, Leila: Women and Gender in Islam. Historical Roots of a Modern Debate, New Haven [u.a.] 1992 (dort die Kapitel 7 bis 9).
- Lehrende/r: Norbert Oberauer