Um das Jahr 1683 formuliert Leibniz programmatisch eine folgenschwere Idee: "Wir könnten [...] in kurzer Zeit einen großen Schatz von Wahrheiten erschließen, wenn wir bei schriftlich niedergelegten Disputationen die Methode des Disputierens genau befolgen und die Ergebnisse einer Disputation in schriftlicher Form vorlegen würden [...]." Dabei müsste man sich, so Leibnizens Idee, v. a. an einer so rigorosen Wissenschaft wie der Mathematik orientieren: Man müsste sich auf eine gemeinsame Sprache (d. h. auf ein endliches Alphabet von Zeichen und auf syntaktische Regeln zur Bildung wohlgeformter Zeichenketten) und auf logische Übergangsregeln (d. h. Regeln zur Substitution wohlgeformter Zeichenketten) einigen. Dann ließe sich auf dasjenige, was wir über die Welt schon wissen, insofern es sich in unserer gemeisamen Sprache formulieren lässt, ein calculus ratiocinator anwenden, dessen Lehrsätze bei allen redlichen Denkerinnen und Denker Anerkennung finden müssten.

Anerkennung gefunden hat jedenfalls ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert Leibnizens Idee, auch wenn man darüber streiten kann, inwieweit es ihm selbst gelungen ist, einen überzeugenden /calculus ratiocinator/ vorzuschlagen. Boole und Frege machten, jeder auf seine eigene Weise, im großen Stil ernst mit dem Programm. Whitehead und Russell gelang schließlich, einen (scheinbar) widerspruchsfreien Kalkül der Arithmetik zu entwickeln, auch wenn das Projekt des Nachweises dieser Kalküleigenschaft zunächst noch einige Schwierigkeiten machte und durch die Unvollständigkeitssätze Gödels eine allgemeine Beschränkung in seinen Ansprüchen hinnehmen musste. Und heute sind Kalküle, neben der Modelltheorie, Werkzeug und Gegenstand einer angesehenen philosophischen Diziplin: der formalen Logik.

Im Arbeitskreis wollen wir uns zunächst mit Begriffen der tradtionellen Logik - Begriff, Gegenteil, Implikation etc. - auseinandersetzen und dann prüfen, in welchem Verhältnis einerseits die seit Tarski entwickelte Modelltheorie und andererseits die moderne Kalkülforschung (Logistik) zum althergebrachten Projekt einer philosophischen Logik stehen. In einer zweiten Phase sollen die Teilnehmenden mit dem in der ersten Phase zurechtgelegten Rüstzeug an philosophischen Problemen einer formalen Ontologie arbeiten, insbesondere an Schwierigkeiten der Relation Teil/Ganzes (Mereologie).

Semester: WT 2025/26
ePortfolio: No