Was zeichnet gute Demokrat:innen aus? Welche Einstellungen müssen sie haben und müssen sie bestimmte Werte vertreten? Wie müssen Bürger:innen „verfasst sein“ und was müssen sie können?
Fragen wie diese waren in der modernen politischen Theorie eigentlich zunehmend in den Hintergrund geraten. In der Ideengeschichte des Faches, vor allem in der republikanischen Tradition, galt es zwar lange als selbstverständlich, dass Demokratien nur stabil sein können, wenn bestimmte Bürgertugenden vorhanden sind und ein bestimmtes Ethos geteilt wird. Die moderne (liberale) politische Theorie hat zu starke Anforderungen an das Individuum jedoch zunehmend als Zumutung empfunden, durch die die Bürger:innen „moralisch überfordert“ (Habermas) würden. Vor dem Hintergrund der aktuell diagnostizierten Krisen der Demokratie ist jedoch ein Revival dieser eher „individualistischen“ Perspektive zu beobachten. So fordern Autor:innen wieder allerorts aktivere, gemeinwohlorientierte, tolerantere oder gebildetere Bürger:innen.
Das Seminar möchte dieses Revival zum Anlass nehmen, um einmal systematisch danach zu fragen, welche individuellen Anforderungen moderne, pluralistische Demokratien denn an ihre Bürger stellen können oder gar müssen. Braucht es Engagement und Gemeinwohlorientierung? Oder dürfen sich Bürger:innen in modernen Demokratien auch mal zurückhalten? Ein besonderer Schwerpunkt des Seminars wird die Frage sein, welche Dispositionen und Fähigkeiten es braucht, um die in zeitgenössischen Gesellschaften unvermeidliche Pluralität auszuhalten und die sich daraus ergebenden Konflikte auszutragen.
- Lehrende/r: Tobias Albrecht