Georg Wickram ist einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren des 16. Jahrhunderts. Mehrere seiner Werke werden noch lange nach seinem Tod immer wieder neu gedruckt und zu Zeiten der Romantik kann sein Prosaroman ‚Der Goldtfaden‘ das rege Interesse Clemens Brentanos wecken, der den Text in überarbeiteter sprachlicher Form 1809 neu herausgibt. Zugleich ist das Gesamtwerk des Autors aus dem Elsass ausgesprochen vielfältig: Neben Prosaromanen, verschiedenen Bühnenstücken und einer moralisierenden Sammlung von Kurzgeschichten gehört auch eine Übertragung von Ovids ‚Metamorphosen‘ in das Frühneuhochdeutsche zu Wickrams dichterischen Leistungen. Zugleich erweist sich der städtische Bedienstete aus bürgerlichem Hause als innovativer Gestalter literarischer Neuerungen: Sein Prosaroman ‚Von guten und bösen Nachbarn‘ ist der erste, der ein gänzlich nichtadliges Figurenpersonal ohne satirische Züge entwirft. In seinem ‚Dialog vom ungerathnen Son‘ demonstriert Wickram ein originelles Autorbewusstsein und sein ‚Rollwagenbüchlein‘ findet derartig viele Nachahmer, dass die Sammlung alltagsnaher, humorvoller Geschichten zu den gesellschaftlichen Themen seiner Zeit eine eigene literarische Textgattung begründet.

Genauso versteht es Wickram aber auch, alte höfisch-mittelalterliche Motivtraditionen aufzugreifen und in seinen Werken zu verarbeiten. Somit widersetzt sich Georg Wickram in literaturhistorischer Hinsicht dem Forschungsnarrativ von einer mehr oder weniger deutlichen Epochenschwelle im 16. Jahrhundert.

Dieses Seminar widmet sich der Auseinandersetzung mit einer Auswahl von Wickrams Texten, die Einblick in die unterschiedlichen Formen und Inhalte gibt, die deutschsprachige Literatur zu Zeiten der Reformation annehmen und behandeln kann.

Die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit frühneuhochdeutschen Texten wird vorausgesetzt. Dieses Seminar wird überwiegend an Blockterminen stattfinden. Die Teilnahme an den beiden vorbereitenden Sitzungen ist dringend erforderlich.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WT 2025/26
ePortfolio: No