Die „Entdeckung“ und „Eroberung“ Amerikas durch europäische Mächte im 15. und 16. Jahrhundert markiert einen tiefgreifenden historischen Einschnitt. Die sogenannten Chroniken der „Neuen Welt“ – Augenzeugenberichte, Briefe, Relationen und historiografische Werke – dokumentieren die Ankunft, das Staunen, die Gewalt und den kulturellen Schock der frühen Kolonialzeit vor allem aus europäischer Perspektive. Im Zentrum des Seminars stehen Texte von Konquistadoren, Missionaren und kolonialen Chronisten wie Hernán Cortés, Bernal Díaz del Castillo, Bartolomé de las Casas und Inca Garcilaso de la Vega. Ergänzt wird dieser Blick durch indigene Stimmen wie Felipe Guamán Poma de Ayala, dessen Nueva corónica y buen gobierno Bild und Text vereint und eine eindringliche Kritik an der kolonialen Herrschaft formuliert. Wir analysieren, wie diese Autoren die „Neue Welt“ beschreiben, welche Narrative sie über die indigene Bevölkerung entwickeln und welche rhetorischen Strategien sie verfolgen – sei es zur Legitimation von Gewalt, zur Verteidigung indigener Rechte oder zur Selbstdarstellung. Neben der kritischen Lektüre der Texte widmen wir uns auch ihrer Rolle bei der ideologischen und kulturellen Formierung kolonialer Diskurse. Dabei beziehen wir sowohl die historischen Bedingungen als auch die Rezeption und Umdeutungen dieser Chroniken bis in die Gegenwart mit ein. Damit verbindet das Seminar literaturwissenschaftliche und kulturhistorische Zugänge und lädt dazu ein, die komplexe Wechselwirkung zwischen Text, Macht und Geschichte aus einer postkolonialen Perspektive zu reflektieren.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2025/26
ePortfolio: Nein