„Seit Thukydides seine Geschichte schrieb, steht es für immer fest, daß jeder Anspruch auf Zivilisation in den Kot getreten wird, sobald der Todesengel in die Trompete stößt.“ (George Bernard Shaw, Vorwort zu Haus Herzenstod)
Kriege können als kollektive Wundmale begriffen werden. Wundmale, die anzeigen, wie das gesellschaftliche Zusammenleben gewaltvoll zerrissen wurde. Sie stellen zudem eine Warnung dar an nachfolgende Generationen, den Gang in die Katastrophe nicht zu wiederholen. Obwohl der Preis, den die Menschen durch Kriege zu zahlen haben, immens hoch ist (Traumata, Ressourcenverschwendung, Umwelt- und kulturelle Zerstörung), scheinen selbst (oder gerade?) ‚moderne‘ Gesellschaften nur wenig aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und (meist) ungewollt immer wieder neue Gewaltspiralen zu erzeugen. Die Kriegsgefahr scheint immer gegenwärtig. Jede Friedenszeit sei eigentlich eine Vorkriegszeit, so heißt es.
Um diese Zusammenhänge der Irrationalität begreifen zu können, ist zu beachten, dass Gesellschaften selbst in Friedenszeiten nicht gewaltlos sind. Zu sprechen sein wird darum auch über die Frage, inwieweit die Gewalt als konstitutives Element zum Funktionieren bürgerlich-kapitalistischer Gesellschaften beitragen hilft. Unter dem Eindruck eines gesellschaftlich erzeugten Drucks, das Dahinsterben von Menschen und menschlichen Glückschancen (Brückner) zu forcieren, interessieren uns vor allem diejenigen ausfindig zu machenden Faktoren, die aus dieser Alltagsnormalität der Gewalt heraus eine allumfassende Gewaltsituation des Krieges entstehen lässt.
Aus ganz unterschiedlichen Perspektiven der Soziologie, Sozialpsychologie, Philosophie, Literatur und Pädagogik wollen wir uns in diesem Seminar u. a. mit den Begriffspaaren „Aggressivität und Industriegesellschaft“ (Herbert Marcuse), „Sozialisation und strukturelle Gewalt“ (Klaus Horn), „Unmenschlichkeit als menschliche Konstante“ (Helmut Plessner) sowie „Staatsgewalt und Kapitalismus“ (Peter Brückner) beschäftigen.
Fragen zum Scheinerwerb werden in der ersten Sitzung geklärt.
- Lehrende/r: Kevin Rick Doß