Menschen werden von Anthropolog*innen, Literaturwissenschaftler*innen und Evolutionstheoretiker*innen als „storytelling apes“ bezeichnet, also als diejenigen Tiere, die Geschichten erzählen. Menschen, so das Argument, sind biologisch zum Erzählen programmiert, Storytelling ist eine evolutionäre Anpassung, die uns hilft, komplexe soziale Probleme zu verarbeiten, Empathie zu entwickeln und uns in gesellschaftliche Normen einzufügen. Denker*innen wie Donna Haraway, Anna Tsing oder Vinciane Despret schlagen jedoch vor, dass auch andere Arten auf ihre Weise Geschichten erzählen. Tatsächlich gewinnt in einer Zeit ökologischer Krisen und globaler Vernetzung das Erzählen mit und über andere Lebensformen auch in den Künsten zunehmend an Bedeutung. Multispecies Storytelling beschäftigt sich mit der Frage, wie narrative Praktiken nicht-menschliche Perspektiven und Stimmen integrieren und neue Formen des Zusammenlebens denkbar machen können. Die Veranstaltung beleuchtet interdisziplinäre Ansätze aus Kunst, Literatur, Philosophie und Wissenschaft, die den Menschen nicht länger als isoliertes Subjekt betrachten, sondern als Teil eines komplexen Netzes aus Beziehungen. Ziel der Veranstaltung ist es, neue experimentelle Formen der Kommunikation mit den Mitbewohner*innen des Planeten (wie Tiere, Pflanzen, Pilze, Bakterien) kennenzulernen sowie künstlerisch-forschende Praktiken, die unsere Fähigkeit zur Empathie und zum gegenseitigen Verständnis erweitern. Anhand aktueller Kunstwerke, die sich um Ästhetiken des Miteinanders bemühen, diskutieren wir Möglichkeiten und Herausforderungen nicht-anthropozentrischer Narration und künstlerische Strategien des Erzählens.

Einführende Literatur:

Ida Bencke/Jørgen Bruhn: Multispecies Storytelling in Intermedial Practices. Punctum 2022. /// Vinciane Despret: Was würden Tiere sagen, würden wir die richtigen Fragen stellen. Unrast Verlag 2019. /// Eben Kirksey: The Multispecies Salon. Duke University Press 2014. /// Donna Haraway: Staying with the Trouble: Making Kin in the Chthulucene. Duke University Press 2016.

Semester: WiSe 2025/26