Im Laufe des 15. und stärker noch des 16. Jahrhunderts war die Konzeption komplexer malerischer Raumausstattungen in der italienischen Kunst häufig mit der Erfindung aufwendiger scheinarchitektonischer Gliederungssysteme verbunden, die dazu dienten, mehrschichtige Dekorationsprogramme zu strukturieren und somit überhaupt zu ermöglichen, aber auch, das betrachtende Individuum auf immer neue und raffiniertere Weise in die Bildsysteme einzubeziehen bzw. ihm einen ambivalenten Status zuzuweisen. Diese fingierten Architekturen der Rahmung und Öffnung sind ihrerseits auch insofern äußerst spannend und konzeptuell vielschichtig, als sie zum einen auf eine zunehmend differenzierte disziplinäre Logik, zum zweiten auf die spezifischen Erfordernissen der Bildprogramme und schließlich auf die jeweiligen Situationen und Konstellationen der Betrachtung bezogen sind und auf je eigene Weise miteinander verschränken. Das Seminar wird diese Aspekte anhand ausgewählter Beispiele, zu denen Spitzenwerke wie Masaccios Trinität in Florenz, Mantegnas Camera picta in Mantua, Michelangelos Sixtinische Decke in Rom oder Giulio Romanos Fresken im Palazzo del Te in Mantua zählen, analysieren und dabei den unverzichtbaren Beitrag scheinarchitektonischer Systeme in der Anlage der großen Wandmalerei-Komplexe der italienischen Renaissance differenziert herausarbeiten.
- Lehrende/r: Jens Niebaum