Lange galt das Mittelalter als eine Zeit, die durch eindeutige soziale Zugehörigkeiten bestimmt war. Das soziale Sein von Personen war in dieser Perspektive primär durch die Zuordnung zu bestimmten Kollektiven und Gruppen geprägt. Inwiefern und auf welche Weise sich Akteur*innen mittelalterlicher Gesellschaften simultan in mehreren Kategorien verorteten und welche Reibungen, Irritationen oder Normenkonflikte diese Formen von Mehrfachzugehörigkeit erzeugten, ist hingegen in der neueren Forschung in den Blick geraten. Das Seminar behandelt die spezifischen Formen und Bedingungen multipler Zugehörigkeiten im Mittelalter, die sowohl kulturelle Großkonzepte, wie Religion, Ethnizität oder Geschlecht, als auch die sozialen Meso- und Mikroeinheiten, wie Stadtkommunen und Städtebünde, Dörfer und Gemeinden, Gilden, Zünfte und Bruderschaften, Orden, Ritterorden, Adelsgesellschaften, Vereine oder Universitäten involvieren. In diesem Kontext führt die Lehrveranstaltung ebenfalls in das verwandte (aber nicht deckungsgleiche) Thema der Intersektionalität ein, das in der jüngeren Mittelalterforschung verstärkte Aufmerksamkeit erhalten hat. Intersektionale Analysen, die häufig auf spezifische Diskriminierungsformen abzielen, die sich aus der Überlappung verschiedener Differenzkategorien ergeben, beruhen auf Theoriekonzepten, die im Seminar anhand einschlägiger Texte vorgestellt werden.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2025