Antisemitismus funktioniert projektiv und als Welterklärung in unversöhnten Verhältnissen: Er sagt etwas über das antisemitische Subjekt und seine Welt aus. Darin ist Antisemitismus auch Folge der Weise, in der in der nichtjüdischen Welt das Judentum bzw. „das Jüdische“ imaginiert, aufgegriffen und abgelehnt wurde. Gerade dort, wo – wie im christlichen Bereich – das Eigene in Abgrenzung vom „Jüdischen“ bestimmt und zusätzlich eine neue, definitive Wahrheit in Abgrenzung vom Judentum behauptet wurde, nimmt das (projektiv verarbeitete) „Jüdische“ leicht die Funktion einer Negativfolie an und stellt gleichzeitig so etwas wie ein schlechtes Gewissen dieser Kultur dar. Es ist dabei auffällig, dass die Funktionsweise antijüdischer Denkmotive aus religiösem Kontext sich in philosophischen oder politischen Diskursen ohne religiösen Bezug wiederfinden lässt.

Die Vorlesung möchte, nachdem Mittel erarbeitet wurden, um einen reflektierten Begriff von Antisemitismus zu gewinnen, christlich-theologische Kategorien und das Denken einiger moderner und zeitgenössischer Philosophen auf die Anfälligkeit für antisemitische Denkmuster untersuchen. Im Ausgang wird die Frage gestellt, ob und unter welchen Bedingungen eine antisemitische Regression im Denken vermieden werden kann. Die Vorlesung hat ideengeschichtlichen und systematischen Charakter.

Kurs im HIS-LSF

Semester: ST 2025