„Neben Liebe ist der Zorn vermutlich die Emotion, über die sowohl in der Literaturgeschichte als auch in der historischen Emotionsforschung („history of emotions“) am meisten nachgedacht wurde. Seneca’s De ira, Laktanz’s gleichnamige Schrift, Gregors von Nazianz Gegen den Zorn, Michel de Montaigne’s De la colère und Johann Weyers De ira morbo sind nur einige Beispiele für die Darstellung und theoretische Erschließung dieses heftigen Affekts. Zorn ist immer wieder als besonders geeignetes Beispiel und als wichtiger Prüffall für übergeordnete Emotionstheorien herangezogen worden. Zugleich ist es Zorn, der in unzähligen Werken die emotionale Triebfeder des Handelns einzelner Figuren bildet. Das hängt auch damit zusammen, dass Zorn schon in den ältesten Definitionen stets eng mit dem Willen zur Rache für ein (vermeintlich) erduldetes Unrecht verknüpft wurde.
Anhand eines breiten chronologischen Zugriffs (ca. 1.-16. Jh. n. Chr.) stellt die Vorlesung diachron wichtige Theoriekonzepte des Zorns, literarische Darstellungen und Kodierungen dieser Emotion und seine Rolle in übergeordneten Emotionstheorien vorrangig anhand der lateinischen Literatur ein. Zugleich führt sie in die Grundlagen des Forschungsfeldes der historischen Emotionsforschung („history of emotions“) ein. Textbeispiele umfassen z.B. philosophische und religiöse Literatur sowie Dramen. Alle Texte werden auch in Übersetzung zur Verfügung gestellt, sodass Interessentinnen und Interessenten aller Fachbereich willkommen sind, die sich exemplarisch in die „history of emotions“ einarbeiten möchten.“
- Lehrende/r: Lukas Reddemann