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Rechtlich verbindliche EU-Vorschriften spielen mittlerweile in vielen Politikfeldern eine wichtige Rolle. Allerdings hat die Forschung zur Implementation von EU-Gesetzen gezeigt, dass es vielfältige Probleme bei der Implementation von EU-Recht in den Mitgliedstaaten gibt. Die Mitgliedstaaten genießen hierbei große Autonomie, und diese nutzen sie auch, um Vorgaben der EU mit deutlicher Verspätung umzusetzen, in ihrem Sinne umzuinterpretieren oder durch laxe Kontrollen in ihren praktischen Auswirkungen zu beschränken.
Die EU-Kommission als „Hüterin der Verträge“ hat zwar an sich die Aufgabe, für die Einhaltung von EU-Recht zu sorgen, und sie hat grundsätzlich auch das Instrumentarium, um Mitgliedstaaten, die gegen EU-Recht verstoßen, per Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Achtung von EU-Vorschriften zu bewegen. Allerdings liegt die Hauptzuständigkeit für die Implementation von EU-Recht bei den Mitgliedstaaten. Für eine umfassende Überwachung des europaweiten Implementationsgeschehens und eine konsequente Ahndung aller festgestellter Verstöße fehlt es der Kommission an Ressourcen. Ihre zunehmend politisierte Rolle in der EU-Politikgestaltung hat außerdem dazu geführt, dass sie ihre Aufgabe der hierarchischen Rechtsdurchsetzung mitunter hintanstellt, um nationale Regierungen, deren Zustimmung für die Verabschiedung neuer EU-Gesetze nötig ist, nicht zu verprellen. Allerdings hat die Kommission in den vergangenen Jahrzehnten ein vielfältiges Instrumentarium zur Unterstützung der Rechtsdurchsetzung im EU-Mehrebenensystem etabliert. Beispiele dafür sind das „EU Pilot“-Verfahren, die „Better Regulation“-Agenda, europäische Verwaltungsnetzwerke und Agenturen oder die Ermächtigung nationaler Aufsichtsbehörden und NGOs.
Ziel dieses Seminars ist es, dieses Instrumentarium und seine Funktionsweise näher zu beleuchten. Dabei unterscheiden wir drei unterschiedliche Arenen: die vertikale, die horizontale und die nationale Arena. Zusätzlich beleuchten wir die Effektivität der Instrumente aus drei unterschiedlichen theoretischen Blickwinkeln der Implementationsforschung: Management-basierte, konstruktivistische und rationalistische Ansätze.
Parallel zur Diskussion von Forschungstexten werden Gruppen gebildet, die jeweils für die Erforschung eines Teilaspekts des EU-Rechtsdurchsetzungsinstrumentariums zuständig sind. Zum Abschluss des Seminars präsentieren die Gruppen ihre Ergebnisse und schreiben einen gemeinsamen Forschungsbericht, der schließlich benotet wird.
Leistungsnachweis
Voraussetzungen für den Leistungsnachweis sind die aktive Beteiligung im Seminar, die Absolvierung der Studienleistungen (Mitarbeit an einer der Forschungsgruppen, Teilnahme an der Präsentation der Ergebnisse durch die Gruppe) sowie die erfolgreiche Erbringung der Prüfungsleistung (Erstellung eines Forschungsberichts über die durchgeführten studentischen Projekte).
Einführende Literatur
Andersen, Stine, 2012: The Enforcement of EU Law. Oxford: Oxford University Press.
Kelemen, R. Daniel/Tommaso Pavone, 2023: Where Have the Guardians Gone? Law Enforcement and the Politics of Supranational Forbearance in the European Union. World Politics 75(4): 779-825.
- Lehrende/r: Oliver Treib