Die traditionelle Erzählung über die Geschichte der Geschlechterbeziehungen stellt die Dinge so dar, als ob um 1800 herum die romantische Liebe quasi erfunden worden ist. Lassen wir mal beiseite, daß es natürlich Quatsch ist anzunehmen, daß sich die Menschen vorher nicht gern gehabt hätten. Für die Erzählung spricht, daß man sich um 1800 in einer nie da gewesenen Breite und Intensität Gedanken gemacht hat über die ‚Liebe‘ oder das, was man dafür hielt. Das schlug sich in Memoiren und Briefen nieder, aber auch in einer Fülle von Traktaten, Romanen und Bühnenstücken. Im Seminar werden wir verschiedene solcher Texte studieren. Die große Erzählung wird dadurch heruntergebrochen auf das, was die Leute konkret beschäftigt hat. Das wird nur exemplarisch funktionieren, aber schon viel schillernder und vielfältiger ausfallen als die großen Thesen. Das funktioniert aber auch nicht ohne die Bereitschaft zu intensiver Lektüre auch schwieriger Texte, ohne die Bereitschaft, größere Zusammenhänge auch mal im Selbststudium zu erarbeiten, und ohne die Bereitschaft, durch Präsenz im Seminar einen kontinuierlichen Gedankenaustausch zu ermöglichen.
- Lehrende/r: Michael Sikora