Spätestens mit der Ausdifferenzierung eines Rechtssystems und der damit verbundenen Autonomisierung juristischer Normen in der Moderne fällt der Literatur die Funktion einer ‚moralischen Sanierung der bürgerlichen Gesellschaft‘ (Luhmann) zu. So etabliert sich – insbesondere mit Friedrich Schillers Verbrecher aus Infamie – um 1800 die literarische Gattung der Verbrechens- und Kriminalliteratur, die die moralische Dimension von Verbrechen, Tatmotivation und Recht(sprechung) auslotet und kommentiert. Neben einem kursorischen Überblick über die Entwicklung von Fallgeschichten zur Kriminalliteratur fokussiert das Seminar die Entwicklungen der Verbrechensliteratur um 1800 und (nach) 1900. Vor allem die medizinisch-psychiatrischen sowie psychologischen Diskurse in der Frühen Moderne und der Weimarer Republik führen zu einer Komplexitätssteigerung hinsichtlich der Be- und Verurteilung von Verbrecher*innen und Taten.
Seitenblicke auf andere Medien wie das Kriminalhörspiel (z. B. die Auditor-Reihe, 1929/30) oder den Film der Weimarer Republik (etwa M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER, 1931, R: Fritz Lang) sind angedacht.
- Lehrende/r: Jill Thielsen