Alexander Pfänder (1870-1941) ist heute vielen Philosoph:innen unbekannt. Dies hat mehrere Gründe. Entschei­dend dürfte sein, dass sich sein Werk auf der Grenze zwischen der phänomenologisch orientierten Psy­chologie und der philosophischen Phänomenologie bewegt. Diese eigentümliche Zwischenstellung war für Pfänder und für andere Vertreter der so genannten Münchener Schule der Phänomenologie (seinen Lehrer Theodor Lipps sowie für Johannes Daubert und Adolf Reinach) bezeichnend. In der philosophischen Phä­no­me­nologie wurden sie zwar zunächst rezipiert, konnten aber nicht denselben Einfluss entwickeln wie Edmund Husserl, Max Scheler und – später – Martin Heidegger. Ihre Forschungen schienen aus philosophischer Pers­pek­tive zu sehr an psychologischen Phänomenen orientiert. In der Psychologie verhielt es sich genau um­ge­kehrt: Seit 1890 entwickelte sich die Psychologie, die im 19. Jahrhundert noch als Teildisziplin der Philosophie galt, zunehmend zu einer eigenständigen, empirischen und experimentell forschenden Wissenschaft.

Dennoch ist Pfänders Phänomenologie des Wollens von 1900 auch heute von großem philosophischen Inter­esse. Er macht darin bereits auf Phänomene aufmerksam, die erst ein halbes Jahrhundert später in der ana­ly­ti­schen Handlungstheorie vertieft behandelt worden sind. Gemeinsam mit Adolf Reinach (1913) entwickelte er bereits Grundsätze einer Theorie der Sprechakte, die erst nach Erscheinen des bahnbrechenden Werks von John Austin (1962) in der Philosophie Beachtung gefunden haben (Kuhmann 1988).

In dem Seminar werden wir im Ausgang von Pfänders Originaltext diesen grundlegenden hand­lungs­theo­re­ti­schen Themen nachspüren. Alle Lektüretexte werden zu Beginn des Seminars von Learnweb zur Verfügung ge­stellt. Pfänders Phänomenologie des Wollens steht in der Bibliothek des Philosophikums zur Ver­fü­gung.

Kurs im HIS-LSF

Semester: ST 2025