In diesem Seminar werden die beiden großen ‚Familien‘ der politischen Theorie und Ideengeschichte vorgestellt: die republikanische Tradition des politischen Denkens einerseits und das liberale Paradigma andererseits.
Ein besonderer Schwerpunkt wird dabei auf den unterschiedlichen Antworten liegen, die beide Traditionen auf die Frage geben, wie politische Gemeinwesen dauerhaft stabil und funktionsfähig bleiben können. Denn hier lassen sich die beiden Paradigmen besonders deutlich voneinander abgrenzen. Etwas zugespitzt formuliert: Während der Republikanismus eher auf das tugendhafte Verhalten und Engagement der Bürger:innen setzt, die sich aktiv am politischen Leben beteiligen und im Zweifelsfall ihre Eigeninteressen dem Gemeinwohl unterordnen, setzt das liberale Denken den Akzent genau umgekehrt: Hier hat die Freiheit des Individuums, seine Interessen zu verfolgen, Vorrang vor der Gemeinschaft. Die Stabilität der politischen Ordnung wird im Liberalismus weniger von den sittlichen Dispositionen der Bürger:innen erhofft als vielmehr in einem staatlichen Institutionengefüge gesehen, das die „Spielregeln“ festlegt.
In der ersten Hälfte des Seminars werden anhand der Lektüre exemplarischer ideengeschichtlicher Texte die Grundpositionen der beiden Denktraditionen (Welt- und Menschenbild, Demokratieverständnis, politische Ordnungsvorstellung) erarbeitet. Wir lesen hierfür bspw. Texte von Aristoteles, Machiavelli, Montesquieu, Rousseau, Smith, Kant und Berlin.
In der zweiten Hälfte des Semesters werden wir dann einen Blick auf die Debatten des 20. und 21. Jahrhunderts werfen: Die Aktualisierung der Debatte durch den Streit zwischen Liberalismus und Kommunitarismus in den 1980er Jahren (z.B. Rawls, Taylor) wird hier ebenso Thema sein wie das neorömische „Republican Revival“ der 2000er Jahre (z.B. durch Pettit). Nicht zuletzt vor dem Hintergrund deliberativer Demokratietheorien, die den Anspruch erheben, beide Paradigmen miteinander zu vermitteln, und postmoderner Theorien, die gewissermaßen jenseits der Dichotomie angesiedelt sind, wird nicht zuletzt auch die Frage nach dem Nutzen und Nachteil der Aufrechterhaltung der Unterscheidung selbst gestellt.
Teilnahmevoraussetzungen:
Vorkenntnisse bzgl. der hier genannten Autor:innen sind ausdrücklich nicht erforderlich. Erste allgemeine Vorkenntnisse in politischer Theorie sind hilfreich, aber ebenfalls keine formale Voraussetzung. Auch Theorieanfänger:innen sind herzlich willkommen! Unabdingbare Voraussetzung ist jedoch die Bereitschaft zur intensiven und regelmäßigen Lektüre komplexer theoretischer Texte (und ein Mindestmaß an Ausdauer diesbezüglich).
Zur Einführung empfohlen:
Kapitel 5: „Republikanismus und Liberalismus“, in: Münkler, Herfried/Straßenberger, Grit (2020): Politische Theorie und Ideengeschichte. Eine Einführung. München: C.H. Beck
- Lehrende/r: Tobias Albrecht