Traditionell hat sich die Philosophie als jene Disziplin verstanden, die nach Wahrheit(en) strebt. Insbesondere die Metaphysik in ihren Ausdifferenzierungen als >metaphysica specialis< oder >metaphysica generalis< zielte auf die letzten Gründe und Ursachen, die jegliches empirische und soziale Wissen fundieren. Noch die cartesianischen Meditationen sind trotz ihrer subjektivitätsbezogenen Wende von dieser philosophischen Grundidee geprägt, wenn sie sich als >Meditationen über die erste Philosophie< präsentieren. Erst mit der Wende zur Moderne und infolge des mit Kant ansetzenden neuen Kritizismus in der Philosophie ist die Frage, ob und wenn ja wie Wahrheit auch im Kontext der Ausdifferenzierung der Wissenschaften und einzelwissenschaftlichen Verfahrensweisen verstanden werden kann, zu einer primär meta-philosophischen geworden. Seit dem 19. Jahrhundert wird so nicht nur eine Diversifizierung von Wahrheitsansprüchen, sondern auch von Konzepten über Wahrheit in den unterschiedlichen philosophischen Strömungen sichtbar, die bis hin zu einer radikalen Kritik von Wahrheitsansprüchen reichen.

In diesem Seminar wollen wir jenen Konzepten und Theorien über Wahrheit nachgehen, die das Denken der modernen Philosophie prägen und sich teils konträr gegenüberstehen. Gedacht ist an die auszugsweise und vergleichende Lektüre von Schlüsseltexten aus der pragmatischen Tradition (William James bis Richard Rorty und Jürgen Habermas), der logisch-semantischen Sprachphilosophie (Alfred Tarski und Peter F. Strawson bis Wolfgang Künne), der French Theory (insb. Michel Foucault und Gilles Deleuze) sowie der ‚alten‘ Kritischen Theorie (Max Horkheimer und Theodor W. Adorno).

Den Teilnehmenden wird ab der zweiten Sitzung ein gebundener Reader für die vorbereitende und begleitende Lektüre der Schlüsseltexte zur Verfügung gestellt.

Ein Kompendium mit Grundlagentexten zur pragmatischen und sprachphilosophischen Tradition stellt der Suhrkamp-Verlag bereit:

Gunnar Skirbekk (Hg.): Wahrheitstheorien. Eine Auswahl aus den Diskussionen im 20. Jahrhundert. Frankfurt a.M. 1977

Kurs im HIS-LSF

Semester: ST 2025