Wenn Medien der kulturellen Selbstverständigung dienen, eine Kultur mit ihrer Hilfe also „Ideologeme bestätigt und einübt, infrage stellt oder verwirft” (Gräf u.a. 2017: 31), dann stellt sich verstärkt auch die Frage nach ihrem anthropologischen Aussagegehalt: Ob im historischen oder im Fantasy-Roman, in der Popliteratur, in viralen Werbespots, Musikvideoclips, Spielfilmen oder Streaming-Serien – überall dort finden sich Entwürfe des Menschen, die einerseits unter den Voraussetzungen ihrer ontologischen Verankerung in der jeweils dargestellten Welt als fiktive Entitäten in Augenschein zu nehmen wären (vgl. Eder 2014), andererseits zugleich aber auch in einem irgendwie gearteten Verhältnis zur genannten kulturellen Selbstverständigung stehen, das es ebenso zu beachten gilt.

 

Die in den letzten Jahren zunehmend prosperierende Film- und Medienanthropologie richtet den Blick in erster Linie auf einen Bezugspunkt, bei dem Medien als Werkzeuge im Mittelpunkt des Interesses stehen, sie sich als Instrumente „vermittelnd in die reflexive Relation zwischen Mensch und Umwelt” einschalten (Ruf u.a. 2022: 146) und sie daher als „Bestandteile und Bedingungen anthropologischer (Selbst-)Bestimmungen und -vollzüge” anzusehen seien (Voss 2019: 39). Hieran knüpft etwa eine ethnografisch und politisch motivierte, insbesondere auch auf Gestik- und Ritusrepräsentationen ausgerichtete Filmanthropologie an (vgl. Sierek 2018).

 

Demgegenüber haben sich in struktural-semiotischen und narratologischen Arbeitszusammenhängen Ansätze herausgebildet, die Medienprodukte selbst als Quellen anthropologischen Wissens betrachten und den Blick auf die Frage richten, auf welche Art und Weise Medien „in einer Gesellschaft die psycho-physischen Rahmenbedingungen menschlicher Verhaltens- und Handlungsalternativen […] konstruier[en]”, und damit die „wechselseitige[] Konditionierung und semantische[] Koppelung von menschlicher ‚Natur‘ und ‚Kultur‘/‚Moral‘ einschließlich ihrer Hierarchisierungskonflikte” in ihrer jeweiligen „Konfiguration[] aus narrationsfähigen Leitsemantiken” untersuchen (Lukas/Ort 2012: 5, 10 u. 11). Hier ließen sich u.a. Arbeiten zur ‚Subjektivität in medialer Repräsentation‘ verorten, die „Phänomene innerlicher (mentaler) Zustände und Prozesse” von Figuren analysieren und zu theoretisieren anstreben (Brössel 2024: 197).

 

Die Veranstaltung ist als Forschungsseminar konzipiert: Als solches sichtet es die Forschungslage, sortiert Ansätze und entwickelt – immer auch am konkreten Beispiel – Koordinaten eines Forschungsprogramms einer semiotisch ausgerichteten und heuristisch validen Medienanthropologie. In diesem Sinne sind alle Teilnehmer:innen dazu eingeladen, selbstständig einen Zugang zu entwerfen und am eigens gewählten Beispiel in den Seminarkontext einzubringen. Weitere Informationen zu diesem Vorhaben folgen in der ersten Sitzung.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2025
ePortfolio: Nein