Soziologische Diagnosen aus dem 20. Jahrhundert, sofern sie Religion betreffen, erscheinen heute veraltet: galt Ende des 20. Jahrhunderts Säkularisierung zwingender Bestandteil moderner Gesellschaften zu sein, weisen heutige Diagnosen in eine andere Richtung. Säkularisierungstheorien erfahren starke Kritik insbesondere vor dem Hintergrund einer global sociology, die die unterschiedliche Bedeutung und Vitalität von Religion aus nicht-westlichen Gesellschaften geltend macht. Unter den Stichworten „Entsäkularisierung“ oder „Postsäkularität“ werden dabei zuweilen eine faktische Zunahme von Religiosität oder ein Bewusstseinswandel in Bezug auf Religion verstanden. Doch was ist eigentlich mit den Begriffen Säkularisierung, dem spezifischeren Begriff der Säkularität und auch den jeweiligen Gegenbegriffen gemeint? Was versteht wer unter Säkularisierung? Geht es um die verschärfte Unterscheidung zwischen Staat und Religion, um die Privatisierung von Religion und den Rückgang institutioneller Zugehörigkeit, den Rückgang religiöser Überzeugungen und Praktiken? Und für welche empirischen Zusammenhänge bieten sie Erklärungspotential oder müssen doch als historische Konzepte angesehen werden? Ziel des Seminars ist es, die soziologischen Bestimmungsgründe für die quantitativ wie qualitativ feststellbaren Entwicklungen herauszuarbeiten und faktische Prozesse der Säkularisierung genauso zu verstehen wie soziologische Konzepte und Begriffe, die das Verhältnis von Religion und Nicht-Religion fassen. Wir werden in dem Seminar klassische Säkularisierungstheorien zur Entzauberung, Privatisierung und Individualisierung wie auch neuere Ansätze etwa zu „Multiple Secularities“ diskutieren, empirische Studien, die Säkularisierungstheorien zugrunde liegen, besprechen sowie globale Vergleichsperspektiven einbeziehen. Mit Blick auf neuere Forschungen setzen wir uns mit Kritiken an Säkularisierungstheorien und aktuellen Formen der Nicht-Religion auseinander. Um Anschauungsmaterial für aktuelle Prozesse der Säkularisierung im lokalen Kontext zu gewinnen, wird es im Rahmen des Seminars zwei Exkursionen an ehemals kirchlich genutzte Orte geben.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WT 2024/25